Die Prinzen und der Drachen - Tanja Kinkel (ab 12 Jahre)

  • Handlung:
    Nachdem sich der König von Loralon von einer Fee nur Jungen wünscht, bekommt er gleich Zwillinge. Claudio und Tonio.
    Diese gleichen sich zwar vom Äußeren, doch in ihrem Wesen sind sie verschieden. Claudio ist als mutiger Raufbold ein Kandidat als Nachfolger des Königs, Tonio als der intelligentere und weisere ebenso. Um das Problem der Königsnachfolgschaft zu klären, werden die Zwillinge auf die Wanderschaft geschickt, mit dem Ziel einen Drachen zu erlegen. Da Drachen nicht leicht zu finden sind, erleben die Zwillinge auf ihrer Wanderschaft zunächst viele Abenteuer, sie treffen Feen, Zwerge, Graumiaks, verzauberte Kinder, Moormasurken und reimende Rächer und schlagen sich wacker durch, bis sie endlich im Finale einen Drachen treffen, doch dann kommt es anders als erwartet.


    Zur Autorin (laut Innencover von 1997):
    Tanja Kinkel wurde 1969 in Bamberg geboren. Sie schreibt schon seit ihrem zehnten Lebensjahr und veröffentlichte mit 19 ihren ersten Roman. Heute gehört sie zu den erfolgreichsten Autorinnen. Neben der intensiven Recherche und dem Schreiben ihrer Romane hat sie 1997 ihr Studium der Germanistik, Theater- und Kommunikationswissenschaft in München mit einer Dissertation über Lion Feuchtwanger abgeschlossen. Zur Förderung über ihre Arbeiten bekam sie Stipendien für die Drehbuchwerkstatt der Hochschule für Film und Fernsehen in München, Studienaufenthalte in Rom und Los Angeles und wurde außerdem mit dem Bayrischen Staats-Förderpreis für junge Schriftsteller ausgezeichnet.
    Die Prinzen und der Drache ist ihr erstes Kinderbuch.


    Siehe auch
    Viele Infos über Tanja Kinkel findet man auf ihrer Homepage: www.tanja-kinkel.de
    Und dann gibt es auch das Büchereulen-Autorenportrait von Tanja Kinkel.



    Meine Meinung

    Mit diesem Kinderbuch schreibt Tanja Kinkel nach Die Narren des Königs zum zweiten mal einen Fantasyroman, der aber wie ihre historischen Romane wirkt, allerdings mit Beigabe einer fiktiven Welt und einer Fantasybesetzung bestehend aus Feen, Zwergen, Drachen etc..
    Obwohl als Kinderbuch klassifiziert, werden auch viele Erwachsene dieses Buch mit Vergnügen lesen.
    Bereits einmal schrieb Tanja Kinkel einen faszinierenden Roman über Zwillinge. Es waren Romus und Remolus in die Söhne der Wölfin.
    Die Zwillinge Tonio und Claudio dieses Buches erinnern sogar etwas an die Söhne der Wölfin, da sie sich zwar sehr mögen, aber ebenso um die Position des Herrschers wetteifern.
    Der Einsatz der Fabelwesen gelingt Tanja Kinkel spielerisch und leicht, aber es gibt auch sehr viel düstere Szenen:
    Tonios und Claudios Wettstreit um den Herrscherplatz führt zum Beispiel zu schlechten Träumen, in denen einer den anderen tötet.
    Oder der Zwerg der den Graumiak aus Nahrungsgründen jagt, klagt dass es seit der großen Katastrophe immer weniger von den Zwergen und den Graumiaks gibt.
    besonders düster finde ich auch das Schicksal der Kinder, die die Zwillinge treffen, die an der Seuche leiden, dass ihnen Früchte aus dem Körper wachsen. So gibt es das Pfirsichmädchen und den Apfeljungen. Diese Kinder sind von der Krankheit sehr geschwächt. Als dann der Apfeljunge stirbt und in der Regenbogenstadt Zidang, der Hauptstadt von Ariand, niemand hilft, sondern auf kühle Art reagieren (Sie sterben doch alle, ihr hättet ihn nicht in die Öffentlichkeit mitnehmen sollen, wenn er dem Tod so nahe war. Das ist nicht Rücksichtsvoll), so sind das beklemmende Abschnitte.


    Der schlechte Zustand der Stadtbewohner und die damit verbunden Krankheiten sind von einer Maschine verursacht, die als Nebenwirkung im Kampf gegen den Drachen entstanden ist.


    Tanja Kinkel ist ihren Themen treu geblieben. Zugeständnisse an Kinder werden nur vom erzählenden Stil hergemacht. Sie mutet den Kindern hier einiges zu. Deshalb ist es wohl eher ein Roman für Kinder ab 12 und Erwachsene.


    Trotzdem gehört gerade dieser Mittelteil mit der Schilderung der Stadt und ihrer Zerstörung zu den stärksten Abschnitten im Buch. Drache und Stadt könnten vieles symbolisieren, aber da es sich um ein Kinderbuch handelt, sollte man nicht unbedingt versuchen diese zu deuten und zu entschlüsseln, um den Zauber der Fantasy nicht zu entwerten.
    Es gibt auch viele komische Szenen, z.B. wenn die Zwillinge auf ihrer Wanderschaft als die Wandernden Waldinis als Ringer und Barde auftreten und schließlich sich sogar als Tellerwäscher bei einem reimenden Wirt verdingen. Der reimende Rächer steht dann auch noch in Konkurrenz mit dem Poetischen Piraten.


    Die Illustrationen von Michaela Helm sind kindlicher gestaltet, als es die Romanhandlung eigentlich zulässt. Ich persönlich hätte etwas anspruchsvollere, ernsthaftere Abbildungen bevorzugt. Ansonsten ist die Aufmachung des Thienemann-Verlags sehr gelungen.


    Bei 254 Seiten gibt es auch manchmal Längen im Roman, aber insgesamt ist Tanja Kinkels Ausflug ins Fantasy- und Kindergenre gelungen und ich würde mir einen Fantasyroman für Erwachsene ebenso wünschen.

  • Was ist das nur für ein wunderbares Kinderbuch!


    Das Buch war einmal mehr ein Fundstück in einer Billig-Kiste eines Billig-Antiquariats. Angezogen hat mich zum einen der Drache im Titel - Drachen sind eine Schwäche von mir - und der Name der Autorin. Ich kannte sie nur als Autorin von historischen Unterhaltungsromanen und da mir die Lektüre solcher Bücher keine besondere Freude bereitet, gleich, wer sie schreibt, war ich um so neugieriger, wie Kinkel eine Geschichte für Kinder anpackt.


    Ich habe es oben schon geschrieben, es ist ein hinreißendes Buch. Es ist ein Verlust, daß es nicht mehr aufgelegt wird. Und es ist nicht zu verstehen, wie man behaupten kan, daß es keine deutschsprachige Fantasy gibt, die lustig umd aufregend und traurig und mitreißend und originell ist. Diese Geschichte ist all das.


    Der Inhalt mag auf den ersten flüchtigen Blick behäbig und 'pädagogisch' klingen und jeder erwachsenen Leserin ist sicher sofort klar, daß es nur gut ausgehen kann. Aber.
    ABER wie das Ganze erzählt, dargestellt und gelöst wird, ist etwas Besonderes.


    Was an der Geschichte der Zwillingsprinzen besticht, ist einerseits der Humor. Es gibt verblüffende, hirnrissige und einfach rundum komische Szenen in Hüle und Fülle. Man merkt der Autorin eine Liebe für Sprache und Sprachspielereien an. Die Namen der auftretenden Figuren wie auch der Orte, in die die Prinzen auf ihrer Queste gelangen, sind schon für sich genommen wunderschön. Dazu wird auch noch viel gereimt. Auf Piraten, die sich nicht mit Säbel und Enterhaken, sondern mit Reimen bekriegen, muß eine erst mal kommen.


    Was die Autorin auch beherzigt, ist die alte Regel: wenn deine HeldInnen in der Patsche sitzen, dann laß sie daraus gleich in die nächstgrößere Patsche geraten, denn eine Patsche kann nie schlimm genug sein. Es wird serh schnell rasant in diesem Buch.
    Kinkel hat dabei Einfälle von einer Düsternis, die auch erwachsenen Leserinnen und Lesern den Atem stocken lassen. Sie ist konsequent und bricht nie um der allgemeinen Beruhigung willen mitten auf dem Weg zur Klippe ab, sondern läßt eine durchaus auch mal abstürzen. Die Ereignisse in der Stadt Zidang sind furchterregend, eben so sind das Moormasurken und auch der Räuberhauptmann ist keineswegs als Witz anzusehen. Sterben dun Tod sind hier keine Tabuthemen.


    Der Bruderkonflikt wird gleichfalls ernsthaft durchgespielt. Der Konflikt, den die beiden Prinzen durchzufechten und zu lösen haben, ist ein Konflikt auf Leben und Tod. Daß so etwas kein Spaß ist, wird bei der Lektüre sehr deutlich. Die Erleichterung am Ende kommt aus vollem Herzen.
    Kinkels Geschichte hat viel von alten Märchen, die fern von Beschwichtigung oder gar Zuckerguß echte Konflikte ins Fantastische gewendet diskutieren.


    Die Illustrationen von Michaela Helms fangen die Atmosphäre aus Märchenspiel, Fantasy und realistsichen Ängsten gut ein. Sowohl die Vignetten an den Initialen zu Beginn jeden Kapitels wie auch die ganzseitigen schwarz-weiß Zeichnungen wirken durch einen Hauch Surrealismus und Futurismus, einem Schuß Magritte und De Chrico, sozusagen, durchaus über die märchenhaft-kindliche Welt hinaus.


    Wer dieses Buch irgendwie-irgendwo noch in die Hand bekommt, kann sich glücklich schätzen.
    Auch wenn sie älter ist als elf, zwölf Jahre. ;-)



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Hallo Magali,


    wie schön, dass es noch jemanden gibt, der das Buch mag. Ich mochte die ersten Kinkel-Romane aus dem historischen Genre auch sehr und hab das Buch irgendwann mal vom Wühltisch gegriffen - und dann gelesen und mich sehr wohl damit gefühlt. Nur konnte ich bisher keine Kinder in dem Alter finden, die das Buch lesen wollten. Ich hab's immer mal wieder empfohlen - in die Hand gedrückt - aber irgendwie sprang der Funke nie über - Schade - fand ich auch. NEulich hab ich es dann für einen Büchertisch gespendet. Vielleicht beherzigt ja da jemand den Rat - oder auch dort ist es wieder ein Erwachsener, der Kinkels andere Bücher kennt/mag , greift zu - dann wäre es wieder ein Fall von _ Zielgruppe verfehlt - SCHADE bisher ...
    Hach - endlich auch wer - da freu ich mich. :knuddel1

    Binchen
    :write
    Kein Lesen ist der Mühe wert, wenn es nicht unterhält. (William Somerset Maugham) ;-)

  • binchen


    ja, gell? Schönes Buch!
    Ich habe keine Ahnung, warum es durchgerutscht ist. Vielleicht lag es an der Zeit. Kinder- resp. Jugendfantasy von deutschen AutorInnen war in den späten 1990ern noch kein Thema, das war ja lange vor Tintenherz, selbst Harry Potter war zu dem Zeitpunkt eben erst am Erscheinen.
    Unsere eigene Märchentradition, auch Märchenerzähltradtion, die bei Kinkels Buch einfließt, war damals tot.
    Und später war der Markt dann anders geprägt.
    Wirklich schade, aber ich bin froh, um jede Leserin und jeden Leser dieses ganz eigenen Buchs.



    Ida


    ja, an Dich habe ich dabei durchaus schon gedacht. :grin



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus