Das Sakrament – Tim Willocks
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Na, wieder was dazu gelernt.
Danke! Darf ich Dich dennoch fragen, woher Du das Wissen nimmst, dass Mattias aus Ungarn stammt? Hab ich was überlesen oder hat mich mein Geschichtswissen im Stich gelassen? -
Die Geschichte, auf die Du Dich beziehst, soll in Mattias Jugend spielen.
Wenn er zum Zeitpunkt der Belagerung Maltas etwa Ende dreißig ist und er in meiner Erinnerung ca. 12 war, als ihn die bösen Türken adoptierten, etwa Anfang der 1540er Jahre.
Damals gab es kein rumänien. Das, was wir heute darunetr verstehen, waren zwei Fürstenstaaten, Vasallen des Osmanischen Reichs (Walachei und Moldau.)
Durch die Erwähnung der sächsichen Einwanderer habe ich auf Siebenbürgen geschlossen, wo tatsächlich auch Deutsche lebten. Siebenbürgen war auch ein unabhängiger Staat, bewohnt von den sog. tres nationes, Rumänen, Ungarn, Deutsche.
Diese 'Deutschen' wanderten seit dem Spätmittelalter dort ein.
Ungarn war also auch nicht ganz richtig. -
*hihi* Ok, ich bleib dann einfach mal bei Karpaten.
Ich hoffe, Du hast das recherchiert und wusstest das nicht so!? -
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Echt? Wow, ich zieh den Hut vor Dir!
Übrigens, ich hab gerade ein wenig in dem Buch weiter gelesen und dabei nochmal einen Blick auf den Prolog geworfen. Du hattest Recht mit UNgarn, denn schon in der Überschrift wird von Ostungarn gesprochen! -
So, hab das Buch heut Mittag beendet und hier ist meine (nun doch recht lange) Rezi:
Meine Meinung
Der Titel dieses Romans – Das Sakrament – gibt auf dem ersten Blick nicht viel vom Inhalt des Buches preis. Erst zum Ende erschließt sich dem Leser, was der Buchtitel bedeuten könnte:
Sacramentum wird von Tim Willocks mit Berufung gleichgesetzt, wendet man diese Definition auf die Personen des Romans an, so erkennt man, dass nahezu alle Figuren entweder ihrer persönlichen Berufung nachgehen oder auf der Suche nach ihr sind - einige finden sie, andere bleiben erfolglos.
Die Hauptperson – Mattias Tannhäuser – ist auf der Suche, Comtessa Carla findet sie und der Inquisitor Ludovico lebt sie, um nur einige Charaktere zu nennen.
Tim Willocks ist es unwahrscheinlich gut gelungen, diesen roten Faden sehr subtil durch sein gesamtes Buch zu ziehen.Aber nicht nur das hat der Autor aus meiner Sicht phantastisch gemacht.
Am Beeindruckendsten finde ich sein Gespür für die Charaktere.
Willocks schafft Menschen, die nicht nur glaubhaft und wunderbar facettenreich sind, sondern sich zudem auch noch, während einer recht kurzen Zeitspanne von etwa vier Monaten, weiterentwickeln. Und das absolut glaubwürdig und nachvollziehbar.Am meisten Eindruck hat Mattias Tannhäuser auf mich gemacht. So ist er auf der einen Seite ein sehr einfühlsamer, aber direkter Mann und auf der anderen Seite ist er ein grausamer, kaltblütiger Krieger, wenn es die Situation erfordert.
Das gefällt mir sehr, denn so hat der Autor es geschafft, Mattias nicht nur eine Schwarz- oder Weiß-Färbung zu verpassen, sondern all seine Facetten hervorzuheben.
Und das hat er nicht nur bei Tannhäuser geschafft, sondern bei all seinen Hauptfiguren!
Auch die „Bösen“ haben noch menschliche, vielleicht sogar sympathische Züge und schaffen es zumindest für kleine Momente, dem Leser Mitleid zu entlocken.Tim Willocks stellt den Krieg sehr realistisch und greifbar dar, manchmal meinte ich, ich könnte Blut und Schweiß riechen, die Sonne auf meiner Haut spüren, Ängste und Sorgen wirklich empfinden.
Aber auch die Kleinigkeiten und ruhigen Momente zwischen den Schlachten haben einen besonderen Platz in diesem Buch und werden von Willocks ebenso wunderbar gewürdigt.
Er haucht nicht nur den Figuren, sondern auch den Tieren, der Natur und den Ereignissen greifbares Leben ein: Kopfkino aller erster Güte!Aufbau, Stil und Sprache fügen sich fast einzigartig zusammen.
Gleich auf den ersten Seiten wird man gnadenlos und ohne Schonung mitten ins Geschehen „geworfen“ und erst auf der letzten Seite entlassen. Für jeden Tag gibt es ein eigenes Kapitel, das sowohl datiert als auch mit den Handlungsorten betitelt ist. Das gefiel mir sehr gut, bekommt man dadurch ein ganz eigenes Gefühl für den Ablauf des Krieges auf Malta.Es gibt keine „Stolpersteine“ beim Lesen, der Text liest sich wunderbar leicht und flüssig, ohne dabei zu simpel oder anspruchslos zu wirken. Langeweile kam nie auf, im Gegenteil, es ist ein wahrer Page-Turner!
Die Dialoge kommen nie gestellt oder verkrampft rüber. Gerade die Gespräche zwischen Bors und Mattias vermitteln ein tiefgehendes Gefühl von Wärme und inniger Freundschaft.Da der Schauplatz dieses Romans das belagerte Malta ist, kommt der Leser nicht um ausführliche Schlachtszenen und detailliert beschriebene Grausamkeiten rum.
Für sehr zart besaitete Leser, könnte es stellenweise vielleicht ein wenig zu grausam sein. Ich zähle mich eigentlich nicht dazu, doch musste auch ich ab und zu wirklich schlucken.
Die letzten 70 Seiten hatten es für mich dann emotional noch mal so richtig in sich. Immer wieder hab ich geweint, geschluckt oder einen dicken Kloß im Hals gehabt und mit so mancher Entscheidung des Autors kann ich mich nicht anfreunden, auch wenn es so am realistischsten ist.Aber es gibt auch Kritik, wenn auch nicht viel:
Einiges war mir persönlich ein wenig zu sehr vorhersehbar und die Spannung hätte sich sicherlich stellenweise noch erhöhen lassen, hätte der Autor ein paar Geheimnisse länger vor dem Leser bewahren können.
Der Beginn wirkte zeitweise ein bisschen konstruiert und auch Mattias’ Frauenbesessenheit des Anfangs nervte mich manchmal.
Diese Anlaufschwierigkeiten lösten sich im Laufe des Romans aber in Luft auf und machten Platz für ein wirklich wunderbares, sehr lesenswertes Buch!Bewertung
9/10
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Zitat
Original von Pelican
Das mit den Stereotypen ist verwunderlich. Als Psychologe müßte er es doch besser hinkriegen, nicht wahr?Ich fand es ja schon verwunderlich, daß ein Psychologe, der Thriller schreibt so locker flockig einen historischen Roman schreiben kann...
Soviel ich weiss ist er Psychiater und kein Psychologe.
Ich werde das Buch auf jeden Fall lesen.
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Zitat
Original von Rosenstolz
Soviel ich weiss ist er Psychiater und kein Psychologe.Ich werde das Buch auf jeden Fall lesen.
Laut Klappentext ist Tim Willocks eigentlich Psychologe.
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Hab heute die Leseprobe aus der aktuellen "Buecher" gelesen und die kurze Szene fand ich schon sehr interessant. Es ging darum, dass Carla einen Brief von Starkey bekommt, in dem er sie darauf hinweist, dass sie nicht nach Malta einreisen darf, außer im Schutz von Tannhäuser.
Dass das Buch sehr brutal sein soll, schreckt mich aber ab, auch, dass er die Kriegsszenen sehr ausführlich beschreibt.
Caits Rezi hat mich wieder angelockt. Magalis Rezi fand ich sehr unterhaltsam Mal sehen, ob ich das Buch in der Bücherei ausleihen kann, denn für 22 € möchte ich mir keinen "Fehlschlag" kaufen.
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Klasse Rezi @ magali.
Aber ach, ich habe das Buch hier noch ungelesen liegen
Viele Grüße
Kalypso -
Du hast es schon gekauft?!
Ich bin bei Seite 435. Warte vielleicht vor dem Lesen noch meine Rezi ab...
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Zitat
Original von Pelican
Du hast es schon gekauft?!
Ich bin bei Seite 435. Warte vielleicht vor dem Lesen noch meine Rezi ab...Natürlich habe ich es schon gekauft und ich werde es auch lesen. Du weißt doch, dass ich sehr hart im Nehmen bin und nur in Ausnahmefällen ein Buch abbreche. Dennoch interessiert mich natürlich deine Rezi dazu.
Viele Grüße
Kalypso -
Na ja, ungelesen hätte es Dein Buchhändler vielleicht noch gegen ein anderes umgetauscht...
Ich lese es auf jeden Fall fertig. Über die Phase des Abbrechens bin ich schon draußen... Ich lese es aber erst nach Dunnett fertig. Genau genommen hätte ich es wohl diese Woche schon fertig bekommen, wenn ich nicht zweimal darüber eingeschlafen wäre. Das ist mir zwar bei Berling auch schon passiert, d.h. aber nicht automatisch, daß es Berling-Qualitäten hat...
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Zitat
Original von Pelican
Das ist mir zwar bei Berling auch schon passiert, d.h. aber nicht automatisch, daß es Berling-Qualitäten hat...Na, du machst mir ja Hoffnung
Besteht denn nicht eine kleine Aussicht, das Buch als netten Abenteuerroman durchgehen zu lassen?
Immerhin hast du nicht abgebrochen.
Kalypso -
Zitat
Original von Pelican
Das ist mir zwar bei Berling auch schon passiert, d.h. aber nicht automatisch, daß es Berling-Qualitäten hat...Du bist bei Berling eingeschlafen!
Das hast Du mir aber nicht gestanden.Bin jedenfalls schon sehr gespannt auf Deine Rezension zu dem Buch. Obwohl es jetzt schon, nach den bisherigen Meinungen auf der Liste "Kaum in diesem Leben" steht.
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Wenn Du von den 435 Seiten, die ich bis jetzt gelesen habe 2/3 streichst, dann schon :grin.
Ok, ich mache mal einen Vorgriff auf die Rezi:
- 1. Problem: Was motiviert den Protagonisten Tannhäuser, Ex-Janitschare, erfolgreicher, gerissener und gewiefter Händler und Frauenheld, mit zwei Frauen, die er gerade erst kennengelernt hat, nach Malta zu ziehen, sich in den Krieg zu stürzen und parallel dazu den Sohn einer der Frauen zu suchen? Bis jetzt ist mir als Antwort nur eingefallen, daß bei Männern bekanntermaßen die kognitiven Leistungen ausfallen, wenn eine Blutkonzentration in bestimmten Körperteilen stattfindet.
- 2. Problem: bis Seite 300 stürzen sich unsere Helden mit Leidenschaft, Blutrausch und Begeisterung in Krieg und Schlacht - irgendwelche kritischen Ansätze oder Selbstreflexion findet nicht statt. Das finde ich bei einem so intelligenten Mann wie Tannhäuser schlicht und ergreifend unplausibel. Daher empfand ich diesen Teil als reine Kriegsverherrlichung. Kritische Ansätze kommen erst sehr viel später und dann nur sehr verhalten.
- 3. Problem: Ich bin verwöhnt. Ein Großteil des Romans besteht (bei diesem Thema durchaus folgerichtig) aus Schlachtszenen, Beschreibung von Waffen- und Kriegstechnik. Und leider muß ich sagen, daß das Bernard Cornwell wesentlich besser kann (Grisel wird mir bestimmt beipflichten, daß Cornwell das nicht nur sachlich fundiert sondern auch noch spannend macht).
Auf die historischen Unkorrektheiten will ich mal gar nicht eingehen. Ich kann da bei spannenden Romanen ja durchaus Abstriche machen.
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Zitat
Original von Grisel
Du bist bei Berling eingeschlafen!
Das hast Du mir aber nicht gestanden.Doch habe ich! Allerdings lag es nicht daran, daß Berling schlecht wäre, sondern daß er nach einem 16-Stunden-Arbeitstag doch schon ziemlich anspruchsvoll ist.
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Zitat
Original von Pelican
(Grisel wird mir bestimmt beipflichten, daß Cornwell das nicht nur sachlich fundiert sondern auch noch spannend macht).Ob er es besser macht als Willocks kann ich nicht sagen, gut macht er es auf jeden Fall. Er war der erste Autor, dem es gelungen ist, mich mit einer elendslangen Schlachtszene zu fesseln, von Anfang bis Ende. Und nicht zum letzten Mal. Eigentlich in all seinen Büchern. Das können wirklich nicht viele so gut wie er.
Und, um beim Thema zu bleiben, zumindest weitgehend, das hat ja letzten Endes auch Balls thematisch ähnliches Buch "Sword and Scimitar/Asha" gerettet, daß er die Belagerung extrem gut und spannend beschrieben hat. Aber, so weit wird es bei Dir wohl noch nicht sein.