Die Ich-Form im Roman

  • Beim Stöbern ist mir mal wieder aufgefallen, daß viele Eulen die Ich-Form im Roman nicht mögen. Einen konkreten Thread zu diesem Thema habe ich nicht gefunden (vielleicht war ich aber auch nicht findig genug :grin), daher habe ich mal einen neuen Thread dazu eröffnet.


    - Habt ihr als Leser/innen eine bevorzugte Erzählperspektive beim Roman? Wenn ja, warum?


    - Habt ihr als Autoren/innen eine bevorzugte Erzählperspektive? Wenn ja, warum? Was ist an der Ich-Form so schwierig?

  • Ich fange auch gleich mal selbst an.


    Die Ich-Form im Roman stört mich eigentlich wenig. Im Gegenteil, seit einiger Zeit stelle ich fest, daß ich mich viel stärker ins Geschehen hineingezogen fühle, wenn ein Roman in der Ich-Form geschrieben ist, und das gefällt mir natürlich sehr gut!


    Allerdings habe ich den Eindruck, daß sich häufig mit der Erzählperspektive auch die Frage nach der Erzählzeit stellt. Wird in der Ich-Form und der Vergangenheit erzählt, liest sich das für mich noch sehr flüssig. Die Ich-Form verbunden mit Präsens liest sich bei einem Roman, der in der Gegenwart spielt ebenso sehr flüssig. Sobald ich aber einen historischen Roman in Ich-Form und Präsens vor mir liegen habe, brauche ich doch eine deutliche Einlesezeit. Warum das so ist, kann ich noch nicht einmal sagen. Es fühlt sich für mich an, als ob jemand versucht mich in eine Zeit hineinzuziehen, in der ich nun mal nicht lebe, d.h. versucht die Distanz zum Geschehen gewaltsam zu verringern. Sobald diese Einlesezeit hinter mir liegt, bin ich immer wieder überrascht, wie viel sich beim historischen Roman mit Ich-Form und Präsens transportieren läßt und daß Charaktere wesentlich plastischer erscheinen.

  • ICH finde die Form macht oft den Reiz des Buches aus und mit der Form muss der Autor spielen. Im Vorgriff auf die Leserunde mit Mani Beckmann - ich gehe ja in Urlaub kurz nach Beginn- finde ich das spielen mit Stilen und Blickwinkeln das reizvolle an diesem Buch. Dort erzählt der Autor aus drei Zeitebenen und wechselt Briefroman- Tagebucheinträge- Erzählstil je nach Perspektive.


    Der Autor sollte sich also Gedanken machen uund wo es Sinn macht ist die Ich-Perspektive für mich ein Stilmittel das legitim ist, es saugt in manchen Büchern einfach schneller rein, in anderen wirkt diese Perspektive aufgesetzt und unpassend- es kommt eben immer darauf an wie die Perspektive des Lesers zur Geschichte passt. Kann sich der Leser mit der Ich- Figur identifizieren passts, sonst nicht.


    Ich merke das an so einer harmlosen Sache wie dem Thread "wo seid ihr" wenn ich ein neues Buch anfange muß ich immer etwas lesen um die Figur zu finden, deren "ich" dort beschreibe- z.B. beim aktuellen Eric Maron "Die Rebellinnen von Mallorca" gibt es drei Hauptfiguren mit getrennten Handlungssträngen, dort poste ich nur, wenn der Handlungsstrang die männliche Hauptfigur beschreibt (logo oder nicht?).

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • :grin


    Ich schreibe am Liebsten in der Ich-Form. Eben weil ich meine, man ist näher im Geschehen, als wenn da noch ein "Erzähler" irgendwo dazwischen hängt.
    Ich lese auch gerne in der Ich-Form. Zeiten sind mir dabei in letzter Zeit immer weniger wichtig.
    Ich stelle jedoch fest, daß ich Schwierigkeiten habe mir die Person hinter dem ICH vorzustellen. Bei einem männlichen Ich geht das noch. Bei einem weiblichen ICH sieht die Person immer so aus wie ich. Da kann in dem Buch fünf mal stehen, daß sie groß und dick und dunkelhaarig ist, vor meinen Augen erscheint sie immer mit meinen Proportionen und Farben.


    :grin

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Ich stelle jedoch fest, daß ich Schwierigkeiten habe mir die Person hinter dem ICH vorzustellen.


    :gruebel Das geht mir oft auch so. Ich kann mich zwar in die Figur gut hineinfühlen (selbst wenn es eher ein Anti-Held ist) und mir wird der Charakter sehr deutlich, aber ein Gesicht, einen Körper, bekommt die Figur eher nicht.

  • Zitat

    Original von beowulf
    Ich merke das an so einer harmlosen Sache wie dem Thread "wo seid ihr" wenn ich ein neues Buch anfange muß ich immer etwas lesen um die Figur zu finden, deren "ich" dort beschreibe- z.B. beim aktuellen Eric Maron "Die Rebellinnen von Mallorca" gibt es drei Hauptfiguren mit getrennten Handlungssträngen, dort poste ich nur, wenn der Handlungsstrang die männliche Hauptfigur beschreibt (logo oder nicht?).


    Das heißt aber nicht, daß Du Dich nicht auch mit einer Ich-Erzählerin identifizieren könntest, oder?

  • Pelican
    das schon, ich identifiziere mich ja auch nicht mit einem Ritter des 14-Jahrhunderts, wenn ich dessen Perspektive sehe, auch ein Archäologe des 19. Jahrhundertsi oder ein Aufschneider aus dem 19. Jahrhundert sind keine echten Identifikationsfiguren.
    Gerade letzterer zeigt, dass man sich mit dem Ich-Stil anfreunden kann, ohne sich mit dem Ich- Erzähler in jedem Fall zu identifizieren. ICH jedenfalls wollte immer Winnetou sein, nicht Old Schatterhand. Natürlich wollte aber niemand sich (zumindest an Anfan) mit Hadschi Halef Omar ben Hadschi Abul Abbas ibn Hadschi Davud al Gossarah identifizieren (für die Perfektionisten: das ist aus dem Gedächnis nach etwa 30 Jahren zitiert).

  • Zitat

    Original von Pelican
    - Habt ihr als Leser/innen eine bevorzugte Erzählperspektive beim Roman? Wenn ja, warum?


    - Habt ihr als Autoren/innen eine bevorzugte Erzählperspektive? Wenn ja, warum? Was ist an der Ich-Form so schwierig?


    Dazu kann ich nur sagen:
    1.

    • Nein,
    • also erledigt sich die zweite Antwort


    2.

    • Nein,
    • also erledigt sich die zweite Antwort
    • Ich finde sie nicht schwierig ... :wow


    :lache


    Der Grund ist ganz einfach: Die Umsetzung muß zum Inhalt passen, tut sie das, ist es mir völlig egal, ob "Ich" oder "Ersiees", Präsens oder Präteritum, beteiligte oder beobachtende Erzählhaltung.


    Als Leserin habe ich eigentlich nur Probleme damit, daß der triviale pseudo-auktoriale Erzähler inflationär verwendet wird (Dritte Person, Vergangenheit, allwissend, alles fertig ausdeutend und vorkauend ...). Solche Bücher kaufe ich nicht mehr. Sobald ich das im Buchladen merke, wandert das Teil wieder ins Regal.


    Wenn ich eine geschichte bzw. einen Roman letztendlich als Text abfasse, hängt es von den Figuren ab, die die Geschichte tragen, welche Erzählhaltung ich auswähle und wie ich das umsetze. Es muß (für mich) passen.


    Anders kann ich das nicht ausdrücken. :grin

  • Zitat

    Original von Babyjane
    :lache
    HÜLLENLOS? sososo... was liest du denn da? :lache


    Im Moment gerade Berling. :grin Da sind aber nicht die Charaktere hüllenlos... :grin Ist aber ja auch nicht durchgängig in der Ich-Form geschrieben :lache Auch wenn Berling das vielleicht schon gefallen hätte...

  • Zitat

    Original von beowulf
    Gerade letzterer zeigt, dass man sich mit dem Ich-Stil anfreunden kann, ohne sich mit dem Ich- Erzähler in jedem Fall zu identifizieren. ICH jedenfalls wollte immer Winnetou sein, nicht Old Schatterhand. Natürlich wollte aber niemand sich (zumindest an Anfan) mit Hadschi Halef Omar ben Hadschi Abul Abbas ibn Hadschi Davud al Gossarah identifizieren (für die Perfektionisten: das ist aus dem Gedächnis nach etwa 30 Jahren zitiert).


    :grin Schönes Beispiel!

  • Berling... *grusel* :lache


    @ Iris
    Du schreibst, was ich empfinde. Im Grunde ist es egal, wer wie was erzählt. Es muß nur zum Erzählten passen. Tut es das nicht, hab ich keinen Spaß.
    Allerdings merke ich auch, daß ich mich an die Erzählform nur sehr schwer erinnern kann. :wow

  • Zitat

    Original von Iris


    Als Leserin habe ich eigentlich nur Probleme damit, daß der triviale pseudo-auktoriale Erzähler inflationär verwendet wird (Dritte Person, Vergangenheit, allwissend, alles fertig ausdeutend und vorkauend ...). Solche Bücher kaufe ich nicht mehr. Sobald ich das im Buchladen merke, wandert das Teil wieder ins Regal.


    Wenn ich eine geschichte bzw. einen Roman letztendlich als Text abfasse, hängt es von den Figuren ab, die die Geschichte tragen, welche Erzählhaltung ich auswähle und wie ich das umsetze. Es muß (für mich) passen.


    Jaaaaaaaaaaaaaaa, das nervt mich ja total. Ich komme mir da vor, als ob der Autor meint, seine Leser wären dumm.


    Denkst Du, es ist eine permanente Gefahr, wenn man in der dritten Person, Vergangenheit, allwissend schreibt, alles fertig auszudeuten und vorzukauen? Muß man da als Autor aufpassen, daß man nicht zu viel hineinschreibt?

  • Es muss passen- für den Autor, aber dann auch für den Leser. Wenn der Autor sein Werk aus der Hand gibt und das Buch ist gut wird es meine Phantasie, meine Kopfgeschichte und zu der muss es auch passen.


    Dabei ist es für mich kein Problem auch einen historischen Roman aus der Ich-Perspektive zu lesen. Ein Roman wie "Der Graf von Monte- Cristo" wurde von einem Autor als aktuelles Stück geschrieben. Jules Verne schreib Zukunftsromane, heute schon historisch.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von beowulf ()

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Du schreibst, was ich empfinde.


    :knuddel1


    Zitat

    Im Grunde ist es egal, wer wie was erzählt. Es muß nur zum Erzählten passen. Tut es das nicht, hab ich keinen Spaß.


    Und ich ärgere mich alle naslang, das die allermeisten auch publizierten Autoren nullnadaniente Ahnung vom Thema Erzählhaltung haben.


    Bei der Unterhaltungsliteratur fällt das allerdings kaum auf, das wird fast-food-mäßig konsumiert. Puristen und Perfektionisten wie ich kriegen in der Buchhandlung allerdings die große Krise ...

  • Zitat

    Original von Pelican
    Denkst Du, es ist eine permanente Gefahr, wenn man in der dritten Person, Vergangenheit, allwissend schreibt, alles fertig auszudeuten und vorzukauen? Muß man da als Autor aufpassen, daß man nicht zu viel hineinschreibt?


    Als Autor sollte man möglichst viel über seine Geschichte und seine Figuren wissen, sich mit ihnen vertraut fühlen. Geschichten und Figuren können einen natürlich auch überraschen, das haben sie mit lebendigen Menschen gemeinsam. Aber fehlende Logik sollte man nicht mit "Lebendigkeit" begründen.


    Auf jeden Fall sollte ein Schriftsteller nur einen Ausschnitt dessen bieten, was er über diese Welt, die er beschreibt, weiß -- leider ist es üblich geworden, möglichst alles vorzukauen. Auch bei Film und Fernsehen ... :fetch

  • Zitat

    Original von Pelican
    Beim Stöbern ist mir mal wieder aufgefallen, daß viele Eulen die Ich-Form im Roman nicht mögen. Einen konkreten Thread zu diesem Thema habe ich nicht gefunden (vielleicht war ich aber auch nicht findig genug :grin), daher habe ich mal einen neuen Thread dazu eröffnet.


    - Habt ihr als Leser/innen eine bevorzugte Erzählperspektive beim Roman? Wenn ja, warum?


    Mir ist es persönlich egal, welche Erzählperspektive gewählt ist, wichtig ist nur, daß der Erzähler konsequent die Erzählperspektive beibehält und sie auch nutzt.


    Ich habe gelegentlich das Gefühl, daß sich der Erzähler keine rechten Gedanken gemacht hat, welche Erzählperspektive er nutzt und warum.


    Von einem Ich-Erzähler erwarte ich eine subjektive Haltung, erwarte ich, daß ich Aufschluß über seine Handlungsweise, Motive und Emotionen kriege. Richtig eingesetzt, kann das sehr spannend sein.


    Es wird nur unglaubwürdig, wenn der Ich-Erzähler sich nicht die Mühe macht glaubhafte Emotionen zu schildern und eine distanzierte Haltung zur Figur aufbaut, wie es meiner Meinung nach z.b. beim Smaragdvogel der Fall war.
    Dann verleidet mir die gewählte Erzählperspektive, die das Buch unglaubhaft macht, den Lesespaß.

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey