Hier könnt ihr Petra van Cronenburg Fragen stellen, die nicht das Buch der aktuellen Leserunde "Lavendelblues" betreffen.
Fragen an Petra van Cronenburg
-
-
Liebe Petra,
hast du deinen Roman bewusst als "Frauenroman" angelegt?
Kennst du den Begriff "weibliches Schreiben"?
Und was ist deiner Meinung nach das Gegenteil von "weiblichem Schreiben"? "Männliches Schreiben" oder etwa "normales Schreiben"?fragt Ines und wünscht einen guten Morgen
-
Ein freundliches Hallo an Ines und an alle, die mitmachen!
Es geht ja gleich herrlich zur Sache - ich hoffe, als Grünschnabel in Sachen Leserunde komme ich auch nach!
Ganz frech möchte ich euch erst einmal eine Gegenfrage stellen: Als was habt ihr denn den Roman gekauft / gewinnen wollen? Ist er tatsächlich so eindeutig als Frauenroman in den Läden? (Ich bin in Frankreich leider weit ab von dt. Buchhandlungen).
Habt ihr ihn lesen wollen: "fein, ein Frauenroman"... oder gab es auch andere Gründe, etwa Frankreich oder der Klappentext oder die Story an sich oder etwas anderes?Zu mir: Wenn ich überhaupt etwas bewusst anlege, dann nur, dass ich einen Roman schreiben möchte. Roman ohne irgendetwas an Bezeichnung dazu. Mich interessieren Menschen, zunächst einmal unabhängig vom Geschlecht. Mich interessiert, wie sich Menschen in Ausnahmesituationen verhalten, wie sie mit Krisen fertig werden. Meinem Geschmack nach dürfte auch durchaus ein männlicher Prota vorkommen!
Etwas anderes ist es, wie ein Verlag ein Buch platziert und vermarktet. Da hat man als Autor nicht so viel Einfluss.
ZitatKennst du den Begriff "weibliches Schreiben"?
Höre ich zum ersten Mal. Ich kenne dilettantisches Schreiben, automatisches Schreiben, Schreiben mit Musenkuss und ohne...
(Hat man als Autorin einen Muserich?)Natürlich fällt mir nun auch kein Gegenteil ein. Ich schreibe als Mensch und bin zufällig als Frau auf die Welt gekommen.
Ich glaube, es kommt viel mehr darauf an, ein individuelles Schreiben zu entwickeln als sich an Bevölkerungsgruppen zu orientieren. Natürlich sehe und erlebe ich selbst als Frau (mit einer Menge Mann in mir). Aber als Schriftstellerin muss ich genauso glaubhaft in Männer schlüpfen können, in Kinder, Greise...Und ganz ehrlich: es wäre doch schade, wenn man mit einem Roman gleich von vornherein eine Menge Leser aussperrt, indem man sagt: Hoppla Männer, draußen bleiben!
Schöne Grüße,
Petra -
Weibliches Schreiben ist ein feststehender Begriff aus dem Bereich der Gender Studien.
"Der Begriff écriture féminine, dt. "weibliches Schreiben", geht auf die französische Schriftstellerin, Literaturwissenschaftlerin und Feministin Hélène Cixous zurück. Weibliches Schreiben ist zunächst ein Schreiben "gegen" eine männlich dominierte Schreib- und Denkkultur. Es ist das Anschreiben gegen den herrschenden westlichen Logozentrismus und seinen auf binären Oppositionen (Mann/Frau, Kultur/Natur, aktiv/passiv) aufbauenden Geschlechterdiskurs. Herrschende Frauenbilder sollen bewußt gemacht und ausgehebelt werden. Der herkömmliche Geschlechterdiskurs soll überwunden werden. Zugleich ist weibliches Schreiben eine Suche nach Möglichkeiten, überhaupt eine authentische weibliche Stimme zum Reden zu bringen."
In der DDR-Literatur gab es, ausgelöst durch Christa Wolf, eine jahrelange Debatte darüber, die noch nicht beendet ist. Beim Lavendelblues hatte ich stellenweise den Eindruck, dass es dir, Petra, genau darum geht: authentische weibliche Stimmen zum Reden zu bringen. An anderen Stellen wiederum hatte ich genau den gegenteiligen Eindruck, nämlich das Festhalten am herkömmlichen Geschlechterdiskurs.
Du schreibst, dich interessieren in erster Linie Menschen. Ich möchte dich dazu fragen: Geht das so? Wenn du über Menschen schreibst, beurteilst du diese dann nicht automatisch aus deiner weiblichen Sicht?
Grüße von Ines
-
Hallo Ines,
vielen Dank für die Erläuterungen, jetzt weiß ich, was du meinst!
Nein - an einen Geschlechterdiskurs denke ich beim Romanschreiben tatsächlich nicht, jedenfalls nicht primär...ZitatOriginal von Ines
Beim Lavendelblues hatte ich stellenweise den Eindruck, dass es dir, Petra, genau darum geht: authentische weibliche Stimmen zum Reden zu bringen. An anderen Stellen wiederum hatte ich genau den gegenteiligen Eindruck, nämlich das Festhalten am herkömmlichen Geschlechterdiskurs.
Würde mich sehr interessieren, wo du konkret diesen Bruch ausmachst!Ich habe ein bißchen ein Problem damit, diese Debatte auf mein Schreiben von Unterhaltungsromanen zu übertragen (in Sachtexten habe ich mich z.B. schon damit auseinandergesetzt). Und zwar deshalb, weil man in der Unterhaltungsbranche Mechanismen und Erwartungen unterworfen ist, die einen in gewissem Sinne auch zwingen. Die Literatur ist da freier und darum sicher authentischer an dem dran, was einen Autor persönlich umtreibt.
Konkretes Beispiel: In einem leichten Unterhaltungsroman kann ich nicht grausamste menschliche Krisen häufen und womöglich mit einem tragischen Ende kommen, das etwa die Aussichtslosigkeit jedes Handelns zeigt. In einem literarischen Roman ist das etwas ganz anderes. In einem literarischen Roman kann ich über den Unsinn von Zweierbeziehungen nachdenken und eine Welt entwerfen, in der Happy Ends ausgedient haben. Kann ich das in einem Unterhaltungsroman? Ich glaube, in einem Roman wie "Lavendelblues" stößt man auch als Autorin an Grenzen, die eine Christa Wolf so nicht hatte...
ZitatDu schreibst, dich interessieren in erster Linie Menschen. Ich möchte dich dazu fragen: Geht das so? Wenn du über Menschen schreibst, beurteilst du diese dann nicht automatisch aus deiner weiblichen Sicht?
Ja, klar, ich sehe die Welt zuerst einmal durch die Augen einer Frau, einer Frau mit dem und dem kulturellen Hintergrund, einer Frau, die gern Eis isst, Respekt vor Wildschweinen hat, intelligente Männer mag, Fastfood verabscheut und Dummschwätzer...
Aber wenn ich da stehen bleibe, begrenze ich mich als Autorin. Ich muss neugierig bleiben auf die Welt und lernen, wie andere denken und urteilen, warum sie so denken. Mich mit dem anderen auseinandersetzen. Ich muss fähig sein, auch einen glaubhaften Roman schreiben zu können über einen dummschwätzenden Fastfoodkettenbesitzer, der Sonntagsjäger ist und eisessende Frauen hasst.Übrigens glaube ich persönlich nicht an diesen harten Schwarzweiß-Gegensatz von Mann und Frau. Ich kenne Männer, die sind mehr Frau als ich. Ich kenne Frauen, die können fantastisch Wanderkarten lesen.
Deshalb sage ich: Mich interessiert zuerst der Mensch. Was macht den Menschen vor mir aus, wie ist der, was sind seine Wünsche, seine Ängste? Ich meine, ich frage jemanden, den ich neu kennenlerne, ja auch nicht gleich nach Religion, Ausweis und Beruf... warum soll ich zuerst drauf schauen, ob jemand Mann oder Frau ist?Schöne Grüße,
Petra -
Hallo Petra,
arbeitest du zur Zeit an einem neuen Roman? Wenn ja, wann wird er veröffentlicht und kannst/möchtest/darfst du etwas zum Thema des Romanes sagen?
Könntest du dir vorstellen, wieder in Deutschland zu leben?
-
Hallo Petra,
gibt es den Roman auch auf Französisch oder wird er übersetzt werden?
Alles Liebe von Bianca
-
Zitat
Original von bibihexe76
Hallo Petra,gibt es den Roman auch auf Französisch oder wird er übersetzt werden?
Alles Liebe von Bianca
Ha, eben diese Frage trieb mich in diesen Thread (abgesehen von meiner Neugier auf die anderen Fragen und Antworten...). Mich interessiert, Petra, ob du nur für ein deutsches Publikum schreibst oder ob deine Romane auch in Frankreich oder gar in ganz anderen Ländern verlegt werden. Gibt es in Frankreich ein ebenso begeistertes Publikum für "Südfrankreich-Romane" (und als solcher wird "Lavendelblues" ja über Cover und Titel verkauft...) wie in Deutschland?
@ Ines
Ich überlege die ganze Zeit, was du meinst, mit dem "Festhalten am herkömmlichen Geschlechterdiskurs". Hier geht es doch nicht um Hausfrauen, die ihr Leben am Herd satt haben...?
Die drei weiblichen Hauptfiguren erleben sehr unterschiedliche Liebesbeziehungen mit ganz unterschiedlichen daraus resultierenden Konflikten. Bruni, die sich kurzfristig in die untergeordnete Hausmütterchen-Rolle begiebt - und gleich darauf wieder ausbricht, um ihr emanzipiertes Leben weiter zu führen. Estelle, die keine Kinder möchte und der eine feste Beziehung zu eng wird, die sich erst einmal ganz auf ihre Leidenschaft, die Musik, konzentrieren will. Und Dahlia, deren Leben lange nur Arbeit war, die sich in eine Romanze stürzt, an die sie selbst nicht die größten Erwartungen stellt...
-
Hallo zusammen,
ich merke, ich hinke langsam hinterher und will mal langsam anfangen, Fragen zu beantworten... was ich heute auslasse, kommt später.
Hallo Rosenstolz,
ZitatOriginal von Rosenstolz
arbeitest du zur Zeit an einem neuen Roman? Wenn ja, wann wird er veröffentlicht und kannst/möchtest/darfst du etwas zum Thema des Romanes sagen?
Zunächst das Sprichwort "über ungelegte Eier spricht man nicht", gemein, aber ich bin da auch ein wenig abergläubisch. Ja, ich schreibe an einem dritten Roman. Wann, wie und wo... keine Ahnung, denn ich habe beschlossen, mir diesmal etwas mehr Zeit zu gönnen und nicht nur 250 Seiten zu schreiben. Ich glaube, das wird einigem, was hier auch kritisch angemerkt wurde, guttun.
Außerdem bin ich derzeit an einem sehr aufwändigen Sachbuchprojekt.Falls es jemand nicht abwarten kann, so erscheint im Sommer 2007 bei Ehrenwirth in der Verlagsgruppe Lübbe ein satirischer Ratgeber von mir mit dem Titel "Trenn Kost. 13 süße Lektionen zum Singleglück." Mit einigen nicht ganz ernstzunehmenden Psychotests...
ZitatKönntest du dir vorstellen, wieder in Deutschland zu leben?
Ich kann mir für mein zukünftiges Leben eine Menge vorstellen, warum nicht? Aber für Selbstständige gibt es in Europa derzeit wahrlich bessere Optionen...Schöne Grüße,
Petra -
Zitat
Original von Waldfee
[quote]Original von bibihexe76
Mich interessiert, Petra, ob du nur für ein deutsches Publikum schreibst oder ob deine Romane auch in Frankreich oder gar in ganz anderen Ländern verlegt werden. Gibt es in Frankreich ein ebenso begeistertes Publikum für "Südfrankreich-Romane" (und als solcher wird "Lavendelblues" ja über Cover und Titel verkauft...) wie in Deutschland?
Hallo Bianca und Waldfee,
ich versuche schon so zu schreiben, dass es nicht nur für Deutsche interessant ist. Zumal ich selbst nach 17 Jahren im Ausland auch gar nicht mehr weiß, wie man nur für ein deutsches Publikum schreibt.
Welche Länder dann Lizenzen kaufen - das kann man als Autor kaum beeinflussen. Im Moment sind für den "Lavendelblues" eine italienische und eine litauische Lizenz im Gespräch.Tja... die Mentalitäten sind unterschiedlich. Dieser Rausch für Südfrankreich und Provence-Ambiente ist schon typisch deutsch. Wir im Land sehen eher den Alltag und träumen von den Stränden ferner Inseln. Und das Quercy ist kein besonders exotisches Reiseziel im Land.
Kleines Beispiel: Diese Verknüpfung Lavendel- Provence im Kopf... natürlich ist die Provence der größte Parfumölhersteller. Aber Lavendelfelder gibt es auch in anderen Departements, der blüht im ganzen Land im Sommer im Garten, wir trinken das Zeug als Nerventee und würzen damit. Ich glaube nicht, dass ein Franzose genauso auf das Cover anspringen würde.
Schmankerl nebenbei: Mit dem Foto auf dem Cover macht in Frankreich eine Kosmetikfirma PR für Creme für die überreife Haut ab 50Es gibt aber in Frankreich ein Filmgenre mit Geschichten über Firmenmenschen in multikulturellem Umfeld, die sich gemeinsam vor dem Ruin bewahren. Das aber wieder nicht im rein weiblichen Umfeld. Da geht's auch eher um die Geschäftsstory und die interkulturellen Beziehungen als um Liebe.
Es spielen also immer eine Menge unwägbarer Fakten mit, ob ein Land "anspringt"... und wenn, dann eigentlich nur über den Inhalt.
Schön wäre es natürlich schon, wenn meine Freunde mein Buch auch verstehen könnten. Auf der anderen Seite ist es vielleicht auch ganz gut, wenn die Leute in der Gegend nicht erfahren, was ich treibeSchöne Grüße,
Petra -
Liebe Waldfee,
der Geschlechterdiskurs umfasst meiner Meinung nach mehr als die Frage nach Hausfrau am Herd.
Ich meine damit auch die Behandlung Estelles, die Lügenpostkarten von Bruni, das Festhalten Dahlias am Ladenkonzept. Es ist einfach so, dass ein Scheitern zunächst verdrängt wird. Es findet keine richtige Auseinandersetzung mit den eigenen Problemen statt. Die Frauen dulden zunächst, stehen nicht offensiv zu ihren Schwächen. Erst im Verlauf der Handlung ändert sich dies. -
Zitat
Original von Ines
Es ist einfach so, dass ein Scheitern zunächst verdrängt wird. Es findet keine richtige Auseinandersetzung mit den eigenen Problemen statt.
Ist das bei Männern wirklich anders? (Nebenbei: Gibt es eigentlich Männer hier in der Runde? Deren Meinung würde mich sehr interessieren.)
Neugierige Grüße,
Petra -
Männer verdrängen auch, vielleicht sogar mehr. Aber ihr Umgang mit dem Scheitern ist ein anderer, glaube ich.
-
Eine neugierige Frage an die gesamte Leserunde hier: Sind hier eigentlich Leser oder Leserinnen im Alter meiner Protagonistinnen dabei, also 37+ ? Vielleicht sogar älter als 45? (Ihr müsst nicht das genaue Alter verraten).
Schöne Grüße,
Petra -
Ihich!
-
Zitat
Original von Petra
Sind hier eigentlich Leser oder Leserinnen im Alter meiner Protagonistinnen dabei, also 37+ ? Vielleicht sogar älter als 45?>37, aber <45
-
Zitat
Original von MaryRead
>37, aber <45Dito.
Willkommen in der Schabrackenrunde!
-
Hier ist noch 'ne Schabracke.....
-
Zitat
Original von Ines
Ihich!Ich auch.
-
Ich bin 36+ und somit die einzige Nicht-Schabracke in dieser Runde!