Die Schönheitslinie - Alan Hollinghurst

  • England Anfang der 80er Jahre: Alan Hollinghursts Roman The Line of Beauty erzählt die Geschichte des ästhetisch veranlagten Nick Guest. In Oxford befreundet er sich mit Toby Fedden, der aus einer reichen Familie kommt und dessen Vater ein bedeutender, konservativer Politiker ist. Anfangs übergangsweise zieht Nick bei den Feddens ein, aus den geplanten Wochen werden mehrere Jahre, in denen er fast zu einem Teil der Familie wird. Er übernimmt Verantwortung für Catherine, die psychisch kranke Tocher der Feddens, und fühlt sich als guter Geist des Hauses. Auch seine Homosexualität wird von der eher konservativen Familie akzeptiert. Es ist weniger Macht oder Bekanntheit, die Nick anzieht, als die Schönheit, mit dem die englische Oberschicht sich umgibt. Landhäuser, kostbare Gemälde, teure Instrumente, gutes Essen und Wein und mehr und mehr auch Drogen ziehen Nick an.
    Auf wunderbare Weise fängt Alan Hollinghurst die Atmosphäre einer sozialen Schicht und die Stimmung einer Epoche ein. Da ist zum einen die Glitzerwelt der Feddens, die sich vor allem durch die Oberflächlichkeit der Gespräche selbst enblösst. Der Autor hat ein genaues Ohr für die Sprache der Oberschicht und beschreibt Situationen mit einer Präzision, die viel Freude macht. Der Roman spielt auch in der homosexuellen Szene Londons, über die Aids einen immer dunkleren Schatten wirft. Die Figuren, die Hollinghurst entwirft - obwohl nicht unbedingt sympathisch - sind so lebensecht, dass ihre Handlungen mich so sehr aufgewühlt haben, wie das schon lange bei keinem Buch mehr geschehen ist.
    Sprachlich besteht der Roman aus einem dichten Gewebe von intertextuellen Anspielungen und Leitmotiven, die jedem Satz einen doppelten Boden geben. Nicht zufällig wird ständig Henry James erwähnt. In den genauen Situationsbeschreibungen ändelt es durchaus den Werken des "Meisters". Aber auch die Welt, die beschrieben wird, hat etwas zutieftst viktorianisches, wie Nick schmerzhaft erleben muss.
    Sehr empfehlenswert.