Der Spielmann / Die Braut des Spielmanns von Ingrid Ganß

  • Was für ein schönes, schönes Buch!


    Ich habe etwa eine Woche am Anfang rumgelesen, da dachte ich schon fast an Abbruch, habe aber das Buch gestern noch einmal zur Hand genommen und die restlichen 500 Seiten nun fertig verschlungen.
    An irgendeinem Punkt hat es mich so gepackt, dass ich nicht mehr aufhören konnte.


    Glücklicherweise war mir das Märchen vom König Drosselbart nicht mehr so geläufig, somit war ich auch wirklich überrascht von den Wendungen im Roman.
    Ingrid Ganß hat da eine wunderschöne, bittersüße Liebesgeschichte zwischen einer eigensinnigen Frau und einem ebensolchen Mann aufgeschrieben, die mit den ganz großen Liebesgeschichten mithalten kann.


    Ich finde auch, dass viel von der Zeitgeschichte mit einfliesst, vor allem aber wie die Menschen damals lebten. Gerade das fand ich schon im Geschichtsunterricht immer spannend.


    Beim Lesen liefen soviele Bilder vor meinem inneren Auge ab...ungeschönte, grausame, aber auch poetische, schöne. Die Beschreibungen von Landschaften und Menschen sind wunderbar gelungen und stimmungsvoll.
    Ein wunderbar geschriebenes Buch, in dem man richtig vermeint alles mitzuerleben.


    Das Ende fand ich richtig und passend so.
    Ich war richtig wehmütig als ich die letzte Seite gelesen habe und das Buch zuschlagen musste. Es ist wirklich ein Juwel von einem Buch.
    Ich werde mich nun vor meiner Wohnungstür postieren und auf die Lieferung der Fortsetzung warten! :wave


    9 von 10 Punkten (1 Punkt Abzug wegen dem schleppendem Anfang).

  • Das Buch wurde auf der HC sehr gelobt und ich habe es dann auch im Herbst gelesen, ich war nicht nur begeistert, denn mir fehlt es vielleicht schon etwas an Romantik und zum Teil war mir das Buch zu langatmig.
    Trotzdem würde ich sagen, der Roman "hat was" und es ist vermutlich die Sprache.
    Die Geschichte selbst kann man natürlcih ein wenig mit König Drosselbart vergleichen und ich mochte dieses Märchen auch als Kind, der Roman ist natürlich viel mehr.
    Ein historischer Roman im eigentlichen Sinn ist es aber nicht, was für mich persönlich ein Nachteil ist.
    Trotzdem, wer es gerne romantisch und trotzdem anspruchsvoll hat, dem dürfte dieses Buch gefallen, der Folgeband ist ja nun auch schon länger am Markt.
    LG Hedwig :wave

  • ***** von 5 Sternen


    Ach, war das schön!!!!!!
    Das Buch ist stark an dem Märchen König Drosselbart angelehnt und ich muss sagen, ich wurde nicht enttäuscht!
    Elisabeth wird von heiratswilligen Männern umschwärmt. Keiner ist ihr gut genug. Ihr Vater gibt ihr zu Ehren einen Maskenball, wo sie sich einen Gemahl aussuchen soll. Aber stattdessen verspottet sie die Männer. Sie möchte einfach nicht heiraten und da ihr Vater ihr sonst nie etwas abschlagen konnte, denkt sie, sie kommt damit durch.
    Sie hat sich geirrt, ihr Vater lässt verlauten, dass der erste Mann der um ihre Hand anhält, sie zur Frau bekommt. Er hält sein Wort und Elisabeth muss den Spielmann heiraten.
    Sie muss mit ihm nur mit der Kleidung auf dem Leib den Hof verlassen und fortan mit ihm seines Weges ziehen. Natürlich ist es für sie am Anfang nicht einfach und Elisabeth hat Probleme mit dem einfachen Leben und dessen Gefahren klar zu kommen.
    Frau Ganß ist mit diesem Buch eine ganz tolle Geschichte über Mut und Emanzipation zweier Menschen geglückt. Ein schöner Roman mit viel liebe zum Detail für das Leben und die Kleidung in der damaligen Zeit. Ich habe das Buch von der ersten bis zur letzten Seite genossen.

  • Ob es nach 4 Seiten Lobeshymnen wirklich noch eine weitere braucht? Wahrscheinlich nicht, aber ich muss meine Freude an diesem kleinen Juwel einfach teilen:


    Lange stand dieses Buch auf meiner Wunschliste, doch irgendwie hat mich immer wieder etwas vom Kauf abgehalten. Ein Fehler, denn es hat all die positiven Bewertungen nicht umsonst bekommen. Liebevoll erzählt die Autorin die Geschichte vom "König Drosselbart" neu. Obwohl sie mit der Handlung sehr nah an der Erzählung bleibt, wie wir sie kennen, ist es ihr gelungen dem alten Märchen so viele neue Facetten abzugewinnen, dass es beim Lesen einfach nur erstaunen kann. Herausgekommen ist eine Geschichte über Stolz und Vorurteile, über Schuld und Pflichtgefühl, aber auch über Liebe und Vergebung, in der die Figuren lernen müssen, dass kein Mensch einfach nur das ist, was er scheint.


    Lesen, lesen, lesen!

  • Habe ich schon einmal erwähnt, dass ich Märchen liebe? Die lese ich allerdings meist in Form von Märchensammlungen. Deshalb wäre ich auch beinahe an dem ursprünglich bereits im Jahr 2000 und auch unter dem Titel Die Braut des Spielmanns erschienenen und 2009 neu von DRYAS aufgelegten Debütroman von Ingrid Ganß vorbeigelaufen. Zu unscheinbar und trist erschien mir ehrlich gesagt dessen Aufmachung. Weder die Covergestaltung noch die Dicke des Buches deutete auf das hin, was ich letztlich darin fand. Die 1959 geborene Autorin, Fremdsprachenkorrespondentin und Industriekauffrau schreibt seit frühester Kindheit Geschichten und Märchen. Ihr Debütroman erzählt das Märchen von König Drosselbart der Brüder Grimm auf tiefgründige und nicht durchgehend märchenhafte Weise nach.


    Während bei den bekannten Märchenerzählern die Prinzessin anfangs nur wankelmütig, stolz und hämisch-übermütig dargestellt wird, erfährt man durch Ganß, was hinter deren Verhalten steckt. Ihre weibliche Hauptfigur Elisabeth von Messelstein, die behütet und verwöhnt aufgewachsen ist, offenbart sich als gebildete und moderne Fürstentochter. Das geht so weit, dass sie sich weigert, den Heiratsplänen zuzustimmen, die ihr Vater für sie schmiedet. Sie schüttet genau wie ihre Grimm-Vorgängerin Spott und Häme über mögliche Kandidaten aus, um diese abzuschrecken. Und genau wie diese muss sie mit den Folgen leben. Denn ihr Vater schwört angesichts ihrer Aufmüpfigkeit, sie mit dem erstbesten Mann zu verbinden, der um ihre Hand anhält. Bei einer Verfilmung von König Drosselbart mit Ken Duken trug der einen unansehnlichen Zottelbart im Gesicht und lebte augenscheinlich mehr schlecht als recht von seinen Tonwaren. Ganß lässt ihren Spielmann Jakob, besagter Erstbester, gleich von Anfang an gut aussehen. Ein Bruch zu Elisabeths bisherigen Leben ist das an der Seite ihres Mannes auf staubigen Landstraßen, in einer schäbigen Hütte und einer Welt voller Gaukler, Zigeuner und einfachem Volk jedoch allemal. Bald schon droht sie am Kampf ums Überleben zu verzweifeln. Doch als sie erkennt, dass sie die wahren Schönheiten des Lebens in ihrem goldenen Käfig bislang nicht erkannt hat, versucht sie, an Jakobs Seite eine Existenz aufzubauen.


    Während die Brüder Grimm sich auf einige Aspekte beschränkten (immerhin haben ihre Märchen selten allzu viele Seiten), kann Ganß wesentlich tiefer gehen und tut dies auch. Sie siedelt ihre Geschichte im von Armut und Not gebeutelten Deutschland Mitte des 17. Jahrhunderts kurz nach dem 30jährigen Krieg an. Die von ihr heraufbeschworenen Orte sind erdacht, wirken jedoch real. Bauern versuchen sich gegen die nach wie vor im Luxus lebenden Adligen bzw. deren stete Forderungen in Form von Steuern und Abgaben aufzulehnen, was tödliche Folgen für sie haben kann. Elisabeth zeigt sich bezüglich ihrer Rolle als Frau emanzipiert. Die gleichermaßen nachdenkliche wie zunehmend sympathische weibliche Hauptfigur steht einem männlichen Part gegenüber, der an der Welt zu verzweifeln droht. Seine Gedanken werden selten explizit ausgesprochen. Doch obwohl die Geschichte größtenteils aus Elisabeths Sicht erzählt wird, kann man als LeserIn Jakobs Überlegungen, seine Zweifel und Hoffnungen allzeit klar nachvollziehen. Er scheint ein recht bewegtes, aufrührerisches Leben geführt zu haben. Während er Elisabeth mehrfach auflaufen und sie ihre Vorurteile und ihr Unwissen auf die harte Tour erkennen lässt, muss er feststellen, dass er selbst nicht von Voreingenommenheit, Intoleranz und Engstirnigkeit frei ist. Wer oder was er wirklich ist, beschäftigt LeserInnen den ganzen Roman hindurch, das Geheimnis wird erst gegen Ende etwas gelüftet.


    Empathisch und sorgfältig beschreibt die Autorin die Wandlung, die Elisabeth durchmacht. Das Gefühl der inneren Zerrissenheit, dass das neue Leben (welches durchaus Platz für eigene Wünsche und Träume bietet), im Zusammenhang mit dem damaligen Sinn für Sitte und Anstand und ihrer Erziehung auslöst. Und so modern die junge Frau in gewisser Weise denken mag, so unsicher ist sie bei allem, was die körperliche Seite ihrer Ehe mit Jakob angeht. Wobei man hier eindeutig sagen kann: Ein Glück, dass es Jakob ist und niemand, der sie einfach derb an ihre ehelichen Pflichten erinnert und sich über ihre Bedürfnisse hinwegsetzt. Doch einfach ist das Leben an seiner Seite wie gesagt nicht.


    Schlüssig und stringent verwebt Ganß einen bildhaft-detaillierten Erzählfaden mit dem anderen. So entsteht sukzessive eine dichte und stimmige Hintergrundatmosphäre, vor der die komplex herausgearbeiteten Figuren agieren. Doch birgt das Schaffen einer dichten Hintergrundatmosphäre die Gefahr von Längen; Ganß konnte sich ihr denn auch prompt nicht völlig entziehen.


    Ein weiterer Schwachpunkt ist, dass die Autorin in dem Versuch, ihre Figuren so authentisch wie möglich darzustellen, eingangs Dialoge durch Verwendung einzelner Begriffe so hochtrabend-gekünstelt und salbungsvoll-gespreizt gestaltet, dass manche vielleicht das Buch verfrüht aus der Hand legen. Doch ist das wirklich ein Schwachpunkt? Die Dialoge mögen aus heutiger Sicht betrachtet zu gestellt wirken. Gleichzeitig zeigt sich durch diese gekünstelte Hofsprache jedoch sehr gut die vermeintliche Überlegenheit des Adels über das einfache Volk. Zumal diejenigen, die sich daran stören, bald feststellen werden, dass die Dialoge lebendiger werden, sobald Elisabeth an Jakobs Seite Messelstein verlässt. Spätestens ab da liest sich der Roman sehr flüssig.


    Doch während die Brüder Grimm ihre Figuren glücklich bis an ihr Ende leben ließen, steuert die Geschichte von Jakob und Elisabeth auf ein offenes Ende zu. Es vereint Hoffnung und die harte, reale Existenz auf subtile Weise miteinander. Es passt auch auf die beiden Hauptfiguren und überhaupt sehr gut, weil es aus der Geschichte heraus und in sich die einzig konsequente Lösung ist. Doch spätestens hier unterscheidet sich der Roman von der Märchenvorlage.


    Fazit: :lesend :lesend :lesend :lesend


    Ein trotz kleinerer Längen lebendig erzählter, mitreißender Mix aus Märchen, Liebesgeschichte und historischem Roman, der sich irgendwie allen Genrezuordnungen zu entziehen scheint. Ein Roman von Schuld und Sühne, Stolz und Vorurteil, Liebe und Vergebung; der zeigt, wie sehr ein erster Eindruck täuschen kann. Und einer, der glücklicherweise eine Fortsetzung gefunden hat. 2010 erschien Der König, den ich nach Der Spielmann mit Sicherheit ebenfalls lesen werde. Für das Debüt von Ingrid Ganß möchte ich sehr starke vier von fünf Punkten vergeben.


    Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

    Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist derselbe Unterschied wie zwischen einem Blitz und einem Glühwürmchen.
    Mark Twain