Der Fall Natascha Kampusch

  • Mich hat der Brief schwer beeindruckt.
    Und ich muß sagen: recht hat sie.
    Vielleicht sollte man sich den Brief mal so durchlesen, wie er ist, nicht alles gleich wieder anzweifeln.


    Sie sagt, man solle sie in Ruhe lassen und aufhören Geschichten zu erfinden und zu verleumden.


    Wieso sollte die junge Frau eigentlich ungebildet sein? Es war von Anfang an gesagt worden, der Entführer habe sie geschult und sie habe Bücher gehabt und ein Radio. Ich glaube schon, daß man sich so ein gewisses Maß an Bildung verschaffen kann.


    Sie verharmlost auch nichts. Sie versucht nur klar zu machen, daß sie es überlebt hat. Und das sie aus diesen Umständen heraus stark geworden. Ich glaube schon, daß man gestärkt aus so einer Situation hervorgehen kann. Entweder entwickelt man Stärke und behauptet sich und richtet sich ein, oder man geht zugrunde. Genauso ist es mit der Beziehung zum Entführer. Er war die einzige Bezugsperson über 8 Jahre. Es ist doch nur verständlich, daß man die einzige Bezugsperson nicht nur als Feind und gehassten Gegner betrachtet.


    Wenn sie sagt, daß sie sich gegenüber ihrem Entführer stark und ebenbürtig gefühlt hat, kann ich das nur so hinnehmen und warum sollte man es ihr nicht glauben? Was hätte sie denn davon, zu lügen? Wem würde sie denn was beweisen?
    Die Öffentlichkeit scheint doch eher mit einem tränenreichen Zusammenbruch zufrieden sein, als mit einer Frau, die sagt: schaut her, ich habs überlebt, ich bin erwachsen geworden. Mir geht es gut und jetzt... lasst mich in Ruhe!


    Daraus jetzt hier zu schließen, es sei für sie kein Drama gewesen, ist auch wieder fehlinterpretiert. Der Mensch ist so gestrickt, daß er sich anpassen kann und sich in Lebensumständen zurechtfindet.
    Wie heißt es so schön bei Grönemeyer:


    "der Mensch heißt Mensch weil er vergisst, weil er verdrängt"
    So bewältigen wir unser Leben... und so hat es auch Natascha bewältigt.


    Nur weil sie jetzt nicht öffentlich zusammenbricht und damit den Voyeurismus befriedigt, heißt das noch lange nicht, daß sie nicht in den 8 Jahren auch mal Tränen vergossen hat.

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von janda ()

  • Zitat

    Original von beowulf
    Sie muß aber- nachdem es keine Anklage geben wird, nichtmal der Polizei dazu etwas sagen, wenn sie nicht will (gehe mal davon aus, dass sich Ösi-Recht da von Tetonenrecht nicht unterscheidet).


    Sie müsste auch bei einer Anklage nichts dazu aussagen.

  • @BJ ich bin der festen Überzeugung daß sich Natascha, ( und das hat sich in dem Brief der gestern in den Medien publik gemacht wurde, bestätigt) mit ihrem Entführer, arrangiert hat. Notgedrungen um überleben zu können! Was ihr diese Zeit,genommen hat wird ihr sicher erst viel später, in Therapiesitzungen o.ä. bewusst werden,im Moment trauert sie um den Menschen (der ihr das angetan hat),mit dem sie aber,wie in dem Brief geschrieben,ein "normales"Leben geführt hat!
    Ich denke,das macht es schwer alles über die Entführung und die Jahre aufzudecken.

  • Zitat

    Original von taciturus


    Sie müsste auch bei einer Anklage nichts dazu aussagen.


    Hm... das wäre dann in Deutschland anders, so lange sie nicht verwandt mit ihm ihm ist, muß sie als Zeugin aussagen. Zur Not auch unter Zwang.... :wow In Ö ist das anders? Das würde mich schwer wundern. :wow

  • Ja, in Österreich gibt es für Opfer von Sexualdelikten ein eigenes Entschlagungsrecht.


  • In Österreich erwägt man - ich denke, man wirds auch tun - die Strafen für Freiheitsentzug zu erhöhen.
    Da es keine räuberische Erpressung war - also keine Entführung um Geld zu fordern, hätte der Täter max. 10 Jahre bekommen. Da so ein Fall bisher nicht vorkam, war das Gesetz bisher wohl nicht darauf eingerichtet.


    guckt ihr hier:

  • [/quote]


    Was heißt den der Verweis auf die vorherige gerichtliche Vernehmung? Das ginge in D nämlich auch unter Hinweis darauf, dass dann vor dem Richter ausgesagt werden muß und im Prozeß dessen Aufnahme der Zeugenaussage verlesen wird.

  • Heute hieß es, dass die Flucht vorher schon möglich war, dass Zeugen Natascha Kampusch außerhalb des Hauses gesehen haben, und dass sie fröhlich wirkte.


    Ehrlich gesagt: Muss das alles veröffentlicht und aufgerollt werden? Wenn sie nicht eher geflohen ist, gab es vielleicht Gründe. Der Täter ist tot, sie lebt. Reicht das nicht?

  • Zitat

    Original von beowulf


    Was heißt den der Verweis auf die vorherige gerichtliche Vernehmung? Das ginge in D nämlich auch unter Hinweis darauf, dass dann vor dem Richter ausgesagt werden muß und im Prozeß dessen Aufnahme der Zeugenaussage verlesen wird.


    Es gibt verschiedene Erleichterungen für Opfer unter 14 und Opfer von Sexualdelikten. Darunter eine Vernehmung mittels Videoübertragung, damit das Opfer dem Täter nicht begegnen muss. Wenn dabei dem Angeklagten ausreichend Möglichkeit gegeben wurde, dass er auch Fragen stellen kann, muss die Befragung nicht erneut in der HV durchgeführt werden.
    Darüber müssen die betreffenden Personen aufgeklärt werden.

  • Ich finde es voll blöd dass im Radiosender Ö3 die ganze Zeit über Natascha Kampusch geredet wurde, obwohl sie doch gebeten hatte dass man sie einmal in Ruhe lassen soll. Im Radio haben sie selbst gesagt dass sie das wünscht und ein paar Minuten später ging das geplaudere schon wieder los. Das hat mich echt zornig gemacht...

    Der Clan der Otori heißt die Treuen und Gerechten willkommen.
    Die Untreuen und Ungerechten sollen sich in Acht nehmen.

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Mir geht diese Hobbypsychologie und dieses Schubladendenken ein wenig auf den Geist.


    :write :write :write


    Zitat

    Da direkt "abfällig" von diesem Syndrom zu sprechen erachte ich als respektlos.
    Nix da, abfällig hin abfällig her. Ich könnte auch abwertend sagen, die junge Frau wird da schon wieder in eine Schublade von der Öffentlichkeit gesteckt, die die Öffentlichkeit nichts angeht.


    Sie hat ja auch ausdrücklich darum gebeten, in Ruhe gelassen zu werden. Statt dessen ergehen sich die Medien in Spekulationen, die von den Leuten eifrig diskutiert werden.

  • Zitat

    Original von Wilma Wattwurm
    Mir fiel sofort "The Collector" von John Fowles ein, zu deutsch "Der Sammler".
    Ein wahnsinnig gutes Buch mit eben diesem Thema.


    Das ist mir jetzt richtig unheimlich ...


    Laut Süddeutscher Zeitung geht die österreichische Polizei der Frage nach, ob das Buch den Täter inspiriert haben könnte ...
    [url=http://www.sueddeutsche.de/,spom5/panorama/artikel/251/84167/]Womöglich Roman als Vorlage für Entführung von Natascha Kampusch[/url] :wow

  • Diese Marketingkampagne hätte der Verlag sich ja fast nicht besser wünschen können. :rolleyes
    Aber ich danke Mr. Fowler dürfte nciht ganz so begeistert sein, daß sein Name im Zusammenhang damit gebracht wird.
    Und wären wir in Amerika, wäre schon längst jemand auf die Idee gekommen, den Autor für die Ideensgebung zu verklagen.


    Um eine so grausame literarische Fantasie in die Tat umzusetzen gehört ein krankes Hirn. Sollte es denn so sein. Aber bei der Fülle an Krimis wird sich vermutlich für jedes Verbrechen eine literarische Vorlage finden lassen.

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

  • Wenn ich es nicht falsch mitbekommen habe, will sie sich ja nun doch im TV äussern. Wohl nur im ORF. Liegt wohl daran, dass jemand aus dem zum Schweigen verpflichteten Bereich doch Einzelheiten ausgeplaudert hatte.


    Der Vater will nun auch vom Erbe des Täters seinen Anteil einfordern, wegen seelischer Schmerzen. Das wird langsam grotesk.

    _______________________
    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)