Traurig oder fröhlich...oder beides?

  • Hallo erst einmal,
    ich hätte das mal so eine Frage(ich hoffe das gabs nicht schon mal :-] ) :
    Ich wollte mal wissen, ob ihr, wenn ihr über traurige oder ernste Dinge schreibt, grundsätzlich auch traurig seid. Oder bei fröhlichen Themen fröhlich.
    :gruebel
    Ich hab nämlich mal gehört, dass man nur (oder zumindest viel besser) über etwas schreiben kann, das den eigenen Gefühlen entspricht.
    Also: ist das so bei euch?


    Bitte um Antwort,
    mfG,
    Jiyan :wave

    Ich ergab mich also seufzend in mein Schiksal, während Alfred in meinem Buch fröhlich weiter kleine Jungen abmurkste und der echte Killer auch schon näher wahr, als ich es mir je hätte erträumen lassen. O ja... er war sehr viel näher...

  • Hallo, Jiyan


    Das ist eine Frage, die schon viele umgetrieben hat. Heißt es nicht: "Schreib über das, was du kennst"?


    Aber wenn ich das Argument weiterführe, bin ich schon bald in Absurdistan. Muss ich zumindest schon einmal schwanger gewesen sein, um über eine Mutter schreiben zu können, oder genügt es, eine Mutter (eventuell auch gehabt) zu haben? Was machen denn dann die Science Fiction-Schriftsteller?


    Ich glaube, es genügt, wenn ich in der Lage bin, mich in die betreffende Situation / Person hineinzudenken. Um mal ein Beispiel aus der Musik zu nehmen: Eine Opernsängerin singt die Gräfin in "Figaros Hochzeit" und beklagt, dass der Graf früher auch mal ganz anders zu ihr war. Herzzerreißend. Kann man bei weinen (hab ich auch schon). Aber wenn die Sängerin tatsächlich weint, kann sie nicht mehr singen: Die Schleimhäute schwellen an, die Nase geht zu und der Klang leidet. Da ist es bald Essig mit der Wirkung und im Zweifelsfall lacht das Publikum sogar, wenn vielleicht auch manche aus Verlegenheit.


    Also. Es gibt Leute, die schreiben in der voll besetzten U-Bahn ergreifende Liebeslyrik. Es gibt Leute, die brauchen das stille Kämmerlein und ein bis drei alkoholhaltige Erfrischungsgetränke. Oder, wie der Kölsche sagt: Jeder Jeck ist anders. Und dieser Jeckin hier (auf mich deut) kann, wenn sie richtig traurig ist, schon gar nicht schreiben.


    Und wenn ich mich einfangen lasse von der Stimmung, die ich gerade (be)schreibe, wird das Geschriebene oft so richtig platt.


    Schöne Grüße von blaustrumpf

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag

  • Zitat

    Aber wenn ich das Argument weiterführe, bin ich schon bald in Absurdistan. Muss ich zumindest schon einmal schwanger gewesen sein, um über eine Mutter schreiben zu können, oder genügt es, eine Mutter (eventuell auch gehabt) zu haben? Was machen denn dann die Science Fiction-Schriftsteller?


    Ja, genau deswegen frag ich ja. Weil es die These gibt, aber sie bei näherem betrachten so... unlogisch ist eben.

    Ich ergab mich also seufzend in mein Schiksal, während Alfred in meinem Buch fröhlich weiter kleine Jungen abmurkste und der echte Killer auch schon näher wahr, als ich es mir je hätte erträumen lassen. O ja... er war sehr viel näher...

  • Hallo, Jiyan


    Als Antwort könntest du natürlich auch fragen: "Muss ich ein Ei legen können, um zu wissen, ob eines faul ist?"
    Vermutlich bekommst du dann außer einem "Ja, aber …" nur noch eine Menge heißer Luft als Antwort.


    Schöne Grüße von blaustrumpf

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag

  • John Irving schreibt in Garp sinngemäß: Je paraleller das Leben und das Werk eines Autors laufen, um so weniger Phantasie ist darin. (in negativer Hinsicht) Es gibt nur eine Gattung, das sind Geschichten nach wahren Begebenheiten, in denen die Erfahrung wichtig ist, ansonsten zählt meines Erachtens nach, wie weit das Vorstellungsvermögen eines Autors reicht.


    Wenn es mir richtig dreckig geht, oder ich tieftraurig bin, kann ich gar nicht schreiben. Bzw. mir die Gattung Selbsttherapie.


    Ich brauche eine positive Grundstimmung, in der ich alle Stimmungen schreibe. Es ist bei mir also umgekehrt, ich schreibe nicht traurige Szenen, wenn ich traurig bin, ich werde beim Schreiben traurig... bzw. laufen dann einfach Krokodilstränen beim Schreiben.


    Hey, wir sind in dem Fall ja sehr ähnlich, blaustrumpf :grin


    JAss :keks

  • Hm... ich weiß nicht... manchmal wenn ich traurig bin, habe ich die Muse ein Gedicht zu schreiben oder einen traurigen Text. Wenn ich fröhlich bin ist es umgekehrt.
    Ob ich aber, wenn ich fröhlich bin, auch einen traurigen Text schreiben könnte, das kann ich irgendwie nicht beantworten. Das habe ich bisher nie versucht. Möglich ist es sicherlich... es würde nur wohl länger dauern die richtigen Worte und die richtige Stimmung in die Geschichte / das Gedicht zu bringen.

    Auch aus Steinen,
    die dir in den Weg gelegt werden,
    kannst du etwas Schönes bauen

    Erich Kästner

  • Ich schreibe (als Wochenendpendler zwischen München und Braunschweig) ziemlich viel im Zug.
    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die romantischsten Szenen rauskommen, wenn ich am Freitag zu meiner Frau fahre und die aggressivsten Schlachtgemetzel, wenn ich am Sonntag wieder abreise.

  • Ich denke, es ist so wie im Leben und mit der Liebe: wie findet man die Liebe seines Lebens? Wie kann man glücklich sein?


    Das sind alles Fragen, die jeder nur für sich beantworten kann. Es gibt sicher kein Patentrezept dafür. Jeder kann nur aus seinem Erfahrungsschatz berichten und sagen, wie er oder sie es tut.


    Wenn ich schreibe, merke ich immer sehr deutlich, wie ich mich an jenem Tag gefühlt habe, wenn ich den Text später wieder lese. Deshalb versuche ich innerhalb meines Textes an die Stellen zu springen, wo die entsprechende Emotion gerade passt. Oder ich schreibe nicht, wenn ich denke, es geht mir nicht gut genug. Aber das kann natürlich ausarten und man kommt gar nicht mehr zu schreiben, weil man sich immer wieder fragt, wie es einem geht ;-)


    Musik kann helfen, sich in die gewünschte Stimmung zu bringen.

  • Nein, Jiyan,


    traurige Szenen schreiben muss nicht traurig machen. Aber wenn ich diese Szene schreibe, dann muss ich mich daran erinnern, wie es ist, traurig zu sein und dies dann zu schreiben.
    Und wenn ich über etwas schreibe, das ich nicht aus der eigenen Erfahrung kenne, dann muss ich mir zumindest vorstellen, wie dieses Etwas ist, wie es sich anfühlen könnte.

  • Ich beginne mich in szenen hineinzufühlen. Ich kann nicht gut schreiben, wenn ich traurig oder frustriert bin. Schreiben verlangt bei mir ein fast manisches hochgefühl, und wenn ich es beim beginnen noch nicht hatte, krieg ich es meist im schreiben; aber ich hab mich auch schon oft ins heulen hineingeschrieben, wenn ich figuren sterben lassen muss, und die gefühle der hinterbliebenen beschreibe... aber das heisst nix, denn ich bin ein emotionales Venedig, das leicht zu fluten ist.

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )