Beim Häuten der Zwiebel - Günter Grass

  • War klar, dass ich mir ein neues Buch von Günter Grass sofort kaufe.
    Die Vorgängerromane Im Krebsgang, Mein Jahrhundert und Ein weites Feld haben mir auch schon gut gefallen.


    Leider war ja diesmal der vieldiskutierte Skandal vorhanden, der das Buch überlagert.
    Zum Glück konnte ich das während des Lesens schnell vergessen.


    Obwohl keine untypische Autobiografie der Kinderzeit und Jugend in Danzig und der Kriegsteilnahme sowie dem Nachkriegsleben, ist es im Günter Grass-Stil, wie man ihn kennt. Wer seine letzten Romane mochte, wird wahrscheinlich auch diese Autobiographie lesen mögen.


    Günter Grass Schilderung seiner nachträglichen Scham über sein wegsehen bzw. nicht in Frage stellen der schlimmen Verhältnisse im Danzig der Kriegszeit sowie seine eingeimpfte Hitlergläubigkeit als Kind finde ich absolut Glaubwürdig. Gerade seine Erkenntnis keine Scham während der Zeit empfunden zu haben, macht ihm zu schaffen. Ich kann mir vorstellen, dass es mit ihm auch vielen anderen so ging.


    Das Buch ist in chronologischer Handlung geschrieben, mit gelegentlichen Verweise oder Handlungsausflügen in Grass spätere Erfolge oder Geschehnisse. Das gefällt mir ziemlich gut.
    Immer wieder werden so seine anderen Bücher, sehr oft zum Beispiel Hundsjahre erwähnt. Über die Entstehung seiner Gedichte, später als Die Vorzüge der Windhühner erschienen erfährt man aber dann doch so einiges.


    Es überrascht mich allerdings, dass Grass bei fast keiner der sonst auftretenden Personen sehr in die Tiefe geht, obwohl er seiner Mutter und seiner Schwester immerhin sehr gut charakterisiert. Aber gerade seine Frauen und Kinder treten kaum als eigenständige Personen auf.
    Aber die Hauptsache ist bei Günter Grass nun einmal Günter Grass.


    Das Buch liest sich sehr schnell. Im letzten Viertel des Buches erfährt man noch einige interne Details über die Gruppe 47 und Grass Teilnahme an dieser.
    Das Buch endet nach dem Erscheinen der Blechtrommel.


    Edit: 11 Rötelvignetten von Zwiebeln sind vorhanden. Diese gefallen mir zwar, sind aber motivisch nicht sehr abwechslungsreich.


    Zum Autor:
    Günter Grass (* 16. Oktober 1927 in Danzig-Langfuhr) ist ein deutscher Schriftsteller, Bildhauer, Maler und Grafiker. Grass gilt als zentraler Vertreter des insbesondere von Nachkriegsautoren der Gruppe 47 vertretenen Paradigmas der littérature engagée. Im Jahr 1999 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.

  • Mir hat das Buch ausgesprochen gut gefallen. Es ist schade, dass man es in der Öffentlichkeit nur auf die SS-Zeit von Grass reduziert, dabei ist in diesem Buch so sehr viel mehr lesenswertes enthalten.


    Grass blickt auf die früheren Jahre seines Lebens zurück, und dieses Leben bestand sicher nicht nur aus seinen sechs Wochen bei der SS. Aber alles andere ist vielleicht ja nicht so interessant, passt nicht in unsere geifernde Medienlandschaft. Grass bei der SS - der literarische Sensationskick schlechthin. Das ist ungefähr so, als würde man Thomas Mann auf seine homoerotischen Neigungen reduzieren. Und das Gejaule von Walesa und anderen polnischen Großmäulern (die nicht Opfer des Nationalsozialismus waren) sollte man ignorieren - wichtig ist doch, was Opfer des Nationalsozialismus zu diesem Outing gesagt haben, allen voran Ralpg Giordano.


    Gut fand ich, dass Grass durchaus auch kritisch gegenüber sich selbst ist, dass er offen redet bzw. schreibt. Er kommt mir ein wenig vor wie ein Suchender nach der eigenen Vergangenheit. Viele seiner Protagonisten tragen autobiographische Züge und man würde seine Bücher vielleicht beim nochmaligen Lesen etwas anders lesen, vieles was man bisher nicht so richtig verstanden hat, dürfte nun deutlicher werden.


    Ob sein Bekenntnis irgendeiner Marktstrategie zuliebe erfolgt ist, ist mir offengestanden völlig egal. Es schmälert in keiner Weise den Stellenwert des Grass'schen Gesamtwerkes. Für mich ist er ganz einfach einer der bedeutensten Autoren, nicht nur national sondern auch international.

  • Der bislang positiven Kritik kann ich mich nur anschließen.
    Grass' berufliche Herkunft aus der Bildhauerei wird wieder deutlich, sein Umgang mit Sprache ist nicht der des geschliffen und glatt formulierenden Journalisten, er bleibt auch hier Bildhauer, einer, der bereit ist "die feuchttonige Oberfläche der Skulpturen möglichst lange rauh zu halten..." (S.345 f)
    Überzeugend seine Distanz zu sich selbst, zwar immer wieder Hinweise auf spätere Texte, eher jedoch Angaben, aus welchem Steinbruch das Material für diese Texte stammte, aber im wesentlichen begrenzt Grass seine Autobiographie auf einen Zeitraum (bis zur "Blechtrommel"), zu dem er genügend Abstand hat.


    Ein Wort zu Grass' Mitgliedschaft in der Waffen-SS bzw. zu seiner Art, diesen Zeitraum jetzt zu beschreiben: Wo verliert er denn an Glaubwürdigkeit, wenn er zugibt, verblendet gewesen zu sein - ist der, der einen schrfecklichen Fehler zugibt, schlechter, als der, der auf Grund glücklicher Umstände nicht in Versuchung geriet?

    "Hebt eure Prinzipien für die wenigen Augenblicke im Leben auf, in denen es auf Prinzipien ankommt. Für das meiste genügt ein wenig Barmherzigkeit."
    (Albert Camus)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Twiärsdriever ()