Der Roman beginnt nicht in Venedig, sondern in Rom und zwar am ersten Tag des Ereignisses, das als eine der schrecklichsten und längsten Plünderungen in die Geschichte eingehen sollte, dem Einfall der Truppen Karls V. im Mai 1527.
Fiammetta Bianchini ist eine hochrangige, gut situierte und vor allem einfallsreiche römische Kurtisane. Doch auch ihr gelingt es nur kurze Zeit mit einem Trick ihrem Haushalt das Schrecklichste zu ersparen. Am Ende hilft selbst ihr nur die Flucht, verletzt, geschoren, mit einer letzten Handvoll kostbarer Edelsteine. Und in Begleitung ihres Zwergs, Spaßmacher, Zuhälter, Buchhalter, Verwalter und Freund. Bucino, der Zwergwüchsige, ist der eigentliche Erzähler der Geschichte und tatsächlich die Hauptperson. Wir erfahren alles aus seinem Mund, sehen die Welt ausschließlich aus seinen Augen.
Es ist eine bunte Welt, wild, verrückt, Tod und Leben ganz dicht nebeneinander, vielschichtig, ein Zirkus, ein Theater, ein Maskenball und doch wirklich. Fiammetta und Bucino erreichen glücklich Venedig. Dort versucht Fiammetta als Kurtisane wieder Fuß zu fassen. Dabei helfen alte Bekannte aus Rom, allen voran Pietro Aretino, Verfasser eines berühmten, hochpornografischen Büchleins und der sehr gesuchte Maler Tiziano. Aber auch La Draga, die geheimnisvolle Blinde mit den Heilkräften. Der Aufstieg wird nicht leicht, der kostbarste Edelstein, ein großer Rubin, verschwindet. Es gibt Neider, Konkurrentinnen und zwielichtige Kaufleute und es gibt die Liebe, die Fiammetta zu Fall bringen könnte. Konflikte bleiben nicht aus.
Es ist bei allen Verstrickungen dennoch ein eher handlungsarmer Roman. Die Autorin ist eine echte Venedig-Liebhaberin und die Beschreibungen der Stadt, durch die Bucino auf seinen Botengängen eilt, nehmen breiten Raum ein. Plätze, Kanäle, Lagunen, Murano, alles bekannt, aber der historische Blick läßt doch manches neu und aufregend erscheinen.
Es schadet nichts, wenn man sich ein wenig in der Zeit auskennt, ungefähr weiß, wie man Aretino, Tizian und die vornehmen Familien Venedigs im 16. Jahrhundert einzuordnen hat.
Sprachlich-stilistisch ist es sehr schön gemacht, sorgfältig wird ein Ton eingenommen, der an eine Chronik erinnert, ohne altmodisch zu sein. Ebenso detailliert und dem Usus der damaligen Zeit wunderbar entsprechend sind die Unterhaltungen unter den eigentlich wenigen auftretenden Personen. Ganz wichtig sind schließlich die Überlegungen Bucinos. Er ist Chronist und Kommentator zugleich, aber auch Akteur, denn auch er treibt mit seinen Entscheidungen die Handlung vorwärts.
Tatsächlich ist es ihm zu verdanken, daß die Geschichte so lebendig wirkt, seine spitze Zunge, sein wacher Blick, der gelegentliche Sarkasmus, vor allem aber seine unerschütterliche Liebe zu anderen, sie sind es, die einen am Lesen halten. Es wiederholt sich doch manches, es gibt gerade im Mittelteil beträchtliche Längen. Einige zunächst vielversprechend aussehende Nebenhandlungen führen dann doch ins Nichts, selbst Fiammetta bleibt letztlich zu blaß. Venedig ist eben eine Konkurrentin, gegen die man nicht ankommt.
Für alle LiebhaberInnen von Kolossalgemälden.