Doc Morris - die Apothekenzukunft?

  • In Saarbrücken hat jetzt erstmals eine Filiale von "Doc Morris" eröffnet. Möglich wurde das durch eine Sondergenehmigung des Wirtschaftsministers Hecken. Die Sondergenehmigung war nötig, da nach deutschem Recht nur Apotheker eine Apotheke betreiben dürfen. Nach europäischem Recht ist das nicht erforderlich.
    Der Eilantrag einer Apothekerin, die Eröffnung zu verbieten, wurde vom Verwaltungsgericht abgelehnt. Die Hauptverhandlung zu der Klage des Apothekerverbandes steht noch aus. Es ist vielleicht nützlich als Hintergrund zu wissen, daß der Justizminister des Saarlandes ebenfalls dieser Herr Hecken ist - in Personalunion. Eine Konstellation, die m. E. ein gewisses "Geschmäckle" hat.


    Was haltet Ihr von dieser Angelegenheit? Sollen künftig Medikamentenmärkte die Versorgung der Bevölkerung garantieren oder sollen auch weiterhin Apotheker die Verantwortung dafür tragen? :gruebel

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Ich finde es gut, daß die deutschen Apotheken Konkurrenz bekommen. Jeder weiß, daß es die meisten Arzneimittel im Ausland sehr viel günstiger gibt. Daran sieht man, wieviel die deutschen Apotheken auf den Grundpreis aufschlagen und selbst in die eigene Tasche stecken.
    Konkurrenz wird hoffentlich dazu beitragen, daß die Preise für Medikamente in Deutschland auf ein realistisches Maß zurückgehen werden.
    Ich bestelle Medikamente, die ich nicht von jetzt auf nacher brauche, schon lange online. Mir tun nur immer die Leute leid, die diese Möglichkeit nicht besitzen oder kennen. Und häufig sind dies ja ältere Menschen mit eher kleinem Budget, die besonders viele Medikamente benötigen und dafür Unsummen bezahlen. Oder aber die Kasse zahlt, wenn der Patient von der Zuzahlung befreit ist. Und somit zahlen alle Versicherten mit.
    Deutsche Apotheken haben lange genug auf ihrem hohen Sockel gethront.
    Jetzt werden bestimmt einige hervorheben, daß man in der Apotheke ja eine qualifizierte Beratung bekommt. Da habe ich aber arge Bedenken, ob das so stimmt. Es wurden ja auch schon Testkäufe gemacht und die Beratung ließ sehr zu wünschen übrig.

  • Hm ... sind das denn dann wenigstens Leute, die dafür ausgebildet wurden und das Wissen mitbringen, die Kunden auch richtig zu beraten? Wenn nicht, wäre mir etwas Angst und Bange, bei dem Gedanken dort etwas zu kaufen wozu mir der Verkäufer geraten hat, aber der eigentlich gar keine Ahnung davon hat...

    Auch aus Steinen,
    die dir in den Weg gelegt werden,
    kannst du etwas Schönes bauen

    Erich Kästner

  • Auch in deutschen Apotheken fällt man sehr oft in ein Beratungsloch. Wenn nicht gerade der Apothekeninhaber in der Nähe ist und helfend eingreifen kann, dann sind die Apothekenhelfer/in sehr oft völlig überfordert. Schlechter können es die "Doc Morris Apotheken" auch nicht machen.


    Konkurrenz belebt das Geschäft und viele Branchen haben sich im Laufe der Zeit auf neue Konkurrenz einlassen müssen, warum nicht auch die Apotheken?

  • Ich habe im Internet gerade was zu Testkäufen bzgl. der Beratungsqualität gefunden (hat vor einem Jahr stattgefunden):


    "Von den 2500 nordrheinischen Apotheken haben 102 freiwillig an dem Testkauf-Projekt teilgenommen, das die Kammer angeschoben hat. Von ihnen erhielten 29 die Note gut oder sehr gut und 42 die Note ausreichend oder mangelhaft." (Quelle)


    Also 41% der Apotheken wurden mit mangelhaft bewertet.
    Und das, obwohl sie ja vorgewarnt gewesen sein mußten, da sie ja freiwillig teilgenommen haben.

  • Was mich da doch ein wenig drückt, ist die Haftungsfrage. Wenn mir ein Apotheker resp. ein Angestellter von ihm, für den er die Verantwortung trägt, ein falsches Mittelchen andreht, ist derzeit die Haftung klar. Wer ist aber haftbar bei einer Ladenkette mit Sitz im Ausland?

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Das Problem mit der Haftung ist zweitrangig, wenn der Schaden erst mal entstanden ist. Die ramponierte Gesundheit ist ohnehin mit Geld nicht zu entschädigen.


    Aber, ich denke nicht, dass der haftungsrechtliche Aspekt hier vorrangig ist, sondern der monetäre. Wer gibt schon gern mehr Geld für Standardmedikamente aus, die man in fast jedem europäischen Ausland viel günstiger bekommt, wie z.B. Nasensprays, Erkältungs- oder Schmerzmittel. Da ist auch der Beratungsbedarf in der Regel nicht so hoch.
    Bei verschreibungspflichtigen Medikamenten mit mehr oder weniger schwerwiegenden möglichen Nebenwirkungen sieht es schon anders aus. Da verzichte ich nicht so gern auf fachkundige Beratung. Im Ernstfall erbitte ich dazu auch den Rat des Apothekers, der aufgrund seiner langjährigen Ausbildung auch über das entsprechende Fachwissen verfügt. Das kriege ich aber nicht zum Dumpingpreis. Es ist halt eine Frage des Qualitätsanspruchs der gewünschten Leistung.

  • Idgie


    Aber bei verschreibungspflichtigen Medikamenten kann man doch den Arzt fragen. Gerade bei Medikamenten, für die ich ein Rezept habe, bin ich noch nie auf die Idee gekommen, in der Apotheke nochmals nachzufragen. Das kläre ich direkt beim Arzt.

  • Zitat

    Original von Demosthenes
    Was haltet Ihr von dieser Angelegenheit? Sollen künftig Medikamentenmärkte die Versorgung der Bevölkerung garantieren oder sollen auch weiterhin Apotheker die Verantwortung dafür tragen? :gruebel


    Hallo Demo,


    redest Du jetzt von verschreibungspflichtigen Medikamenten oder von dem freiverkäuflichen Pillen, Wässerchen, Kosmetika usw., die teilweise auch in Drogerien und Großmärkten zu erhalten sind ??


    HIer in Eschborn (2001 - 20.000 Einwohner) gibt es 5 Apotheken im Umkreis von 20 Gehminuten


    Dafür nur 3 praktische und 10 Fach-Ärzte (ohne Zahnärzte)


    Ich frage mich schon länger, wie diese 5 Apotheken davon existieren können, zu dem jede noch mindestens 2 MA hat.


    Und das mit der Haftungsfrage verstehe ich nicht ganz? Wenn eine ausländische Firma in Deutschland eine Filiale errichtet, muß sie diese hier als eigenes Unternehmen, mit allen Vor- und NAchteilen, anmelden.


    Du hast recht, wenn bei einer Internet-Firma mit ausschließlichem Sitz außerhalb der BRD. Aber das gilt für alles.


    Und übrigens zur Qualität unser Apotheken. Vor Jahren hat ein Apotheker wöchentlich das unsinnigste und wirkungsloseste freiverkäufliche "Medikament" im Schaufenster vorgestellt. Er mußte diese Information seiner Kunden einstellen, sonst wäre ihm die Zulassung entzogen worden.


    LG Dyke - der nicht daran glaubt, daß ein Titel einem Menschen auch Kompetenz verleht.

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • @kleine Baerin,


    och, ich kläre schon auch mit dem Apotheker einige Fragen. Z. B. ob ein anderes günstigeres Mittel die gleichen Inhaltsstoffe hat. Außerdem hat ein Apotheker auch eine ziemlich hohe Verantwortung dafür, dass er die richtigen Mittel aus der Lade zieht. Ok, in den meisten Fällen wird man nicht vom Chef persönlich bedient, sondern von seinen Angestellten, aber ich setze mal vielleicht naiv voraus, dass der Qualitätsanspruch in den Apotheken noch ziemlich ausgeprägt ist.
    Bei frei verkäuflichen Medikamenten frage ich schon auch nach. Ich bin dankbar dafür, dass mein Apotheker mich auch schon mal vor Mitteln gewarnt hat, die viel versprechen, aber nichts halten und mir nur das Geld aus der Tasche gezogen hätten. Ich habe eine Hauterkrankung, die manchmal schon dazu verleitet, auf neue Salben hereinzufallen. Du hast allerdings insoweit Recht, dass die meisten Fragen hierzu der Haus- oder Facharzt beantwortet. Das ist auch bei mir so.

  • Zitat

    Original von dyke
    Vor Jahren hat ein Apotheker wöchentlich das unsinnigste und wirkungsloseste freiverkäufliche "Medikament" im Schaufenster vorgestellt. Er mußte diese Information seiner Kunden einstellen, sonst wäre ihm die Zulassung entzogen worden.


    Endlich mal Kundenfreundlichkeit und dann wird das verboten.



    Lieben Gruß Idgie, die sich manchmal fragt, ob und wann die Vernunft über so manche Verordnung siegen wird.

  • Wieso wird vorausgesetzt, dass bei Doc Morris kein qualifiziertes Fachpersonal arbeitet?


    Was die sogenannte und immer wieder hervorgehobene"Beratung" in den Apotheken betrifft, habe ich keine guten Erfahrungen.
    Im Zweifel liest das Personal (egal ob Apotheker/in oder Helferin) einfach aus dem Beipackzettel vor.


    Ich finde es sehr gut, dass die Apotheken nun endlich Konkurrenz bekommen.
    Nicht ohne Grund laufen sie Sturm gegen jegliche Form von Konkurrenz.
    Kürzlich hat sogar ein Apotheker Morddrohungen erhalten, weil er es doch tatsächlich "wagte" Sonderangebote in seiner Apotheke anzubieten.

  • Zitat

    Original von Idgie
    @kleine Baerin,


    och, ich kläre schon auch mit dem Apotheker einige Fragen. Z. B. ob ein anderes günstigeres Mittel die gleichen Inhaltsstoffe hat. Außerdem hat ein Apotheker auch eine ziemlich hohe Verantwortung dafür, dass er die richtigen Mittel aus der Lade zieht. Ok, in den meisten Fällen wird man nicht vom Chef persönlich bedient, sondern von seinen Angestellten, aber ich setze mal vielleicht naiv voraus, dass der Qualitätsanspruch in den Apotheken noch ziemlich ausgeprägt ist.


    Ehrlich gesagt...die Illusion hält sich bei mir nicht mehr so doll, muß ich zugeben.


    Selbst erlebt: Neben mir stehend hat eine Mutter zum Beispiel auf Anfrage sowohl einen Hustensaft zum Lösen als auch einen Hustensaft zum Hustenstillen zur eigenverantwortlichen Behandlung ihres - nach eigener aussage der Mutter! - hochfiebernden 3-jährigen Kindes und der hilflosen Aussage, sie wüßte eigentlich nicht so genau, WAS für einen Husten ihr Kind denn nun habe, einfach so bekommen...ohne Hinweis, sie möge doch besser einen Arzt aufsuchen mit dem Kind.


    Der Apotheker stand zwar daneben, aber hat nur entsetzt geschaut und seine Mitarbeiterin verkaufen lassen.


    Ich bin aus der Apotheke mit hinaus gegangen und habe auf die Mutter eingeredet, weil ich aus eigener Erfahrung weiß, wie gefährlich ein "einfacher" Husten sein kann.


    Und das ist kein Einzelfall.


    Von daher habe ich die Meinung zu der im Topic gestellten Frage:


    Ich glaube nicht, dass sich in dem Verhalten der Patienten nur dadurch etwas ändern würde, nur weil die Apotheken Konkurrenz bekommen.
    Wenn die Verschreibungspraktik der verantwortungsvollen Ärzte so bleibt, wie sie jetzt ist, jedenfalls nicht.


    Frage ist auch: was genau wird denn da verkauft? Verschreibungspflichtige Medikamente oder die Bagatell-Medis, die auch jetzt schon in jedem Supermarkt verkauft werden? Letzte haben nämlich, wie mir unser gut ausgebildeter und vertrauenswürdiger Apotheker erklärte, nur einen sehr geringen Prozentanteil der wirksamen Substanz.

  • Bei DocMorris hier in SB arbeitet meines Wissens Fachpersonal, nur der Inhaber der "Kette" ist kein Apotheker.
    Da zum einen die Beratungskompetenz massiv nachgelassen hat in deutschen Apotheken (zumindest hier in SB) und zum anderen ich auch meist nur dann in eine Aoptheke gehe, wenn ich genau weiß, was ich will und warum, ist es mir relativ egal, ob die Apotheke einem Apotheker, Juristen, Informatiker, WiWi,...gehört. Alle anderen Dinge kläre ich mit meiner Ärztin ab, bevor ich den Laden betrete.

  • Der niederländische Internet-Arzneihändler DocMorris hatte mit Genehmigung des saarländischen Gesundheitsministers Josef Hecken (CDU) Ende Juni eine Apotheke in Saarbrücken übernommen und dabei die ehemalige Inhaberin als verantwortliche Apothekerin angestellt. Gleich im ersten Monat gelang es dem Unternehmen, den Umsatz der Apotheke zu verdoppeln.


    quelle: heise online


    bo

  • ich bin schon lange Kunde bei DocMorris und sehr zufrieden.Wie schon von anderen Eulen gesagt,die Beratung übernimmt mein Hausarzt.Die freiverkäuflichen Dingez.B.Salben,Schmerztabletten u.ä.m.sind zum großen Teil Medis,die jetzt nicht mehr verschrieben werden dürfen,auch das bespreche ich mit dem Arzt.
    Ein ganz wichtiges Argument ist allerdings die Preisfrage:
    1.Rezeptgebühr viel niedriger
    2.Apothekenpflichtige Medis sind ebenfalls viel preisgünstiger.
    Diese Überlegung treibt viele Menschen zur Versandapotheke,da müßte nachgedacht werden,warum die Kosten in deutschen Apotheken so viel höher sind.

  • übringes sehr erhellend:


    Zu den Absurditäten des Gesundheitswesens gehört es, dass es in Deutschland mehr Apotheken als Bäckereien oder Tankstellen gibt. Sämtliche Zuschläge, Handelsspannen und Rabatte sind gesetzlich normiert. Damit die Versorgung mit Pillen billiger und effektiver wird, fordern Ökonomen das Ende der gesetzlichen Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel.


    quelle: westdeutsche zeitung


    bo

  • Zu dem Thema habe ich eine ganz andere Meinung, als die meisten von euch. (Nein, ich arbite nicht in einer Apotheke. Na ja, aber ich hatte es mal vor.)
    Ich halte gar nichts von Doc Morris. Wir beschweren uns in Deutschland, dass es immer weniger Arbeitsplätze gibt. Habt ihr schon mal überlegt wie viele Apotheken wir in Deutschland haben und wie viele PTAs und Apotheker dort beschäftigt sind? Ja Medikamente sind verdammt teuer. Sicherlich ist am Preis auch noch einiges machbar, aber sie werden trotzdem nie mit Doc Morris mithalten können, da dahinter eine Kette steht. Ein Apotheker darf in Deutschland maximal 4 Apotheken besitzen. (Zumindest so um de Dreh). Somit kann er die Preise gar nicht anbieten, die in den Versandapotheken möglich sind. Außerdem würde ein niedrigerer Preis zwangsläufig zu weniger Personal führen. Daraus folgt eine schlechtere Beratung.
    In diesem Bereich mag es sein, dass in vielen Apotheken ziemlicher Mist gebaut wird, aber man muss ja nicht wieder dort hin. Es bleibt einem selbst überlassen, wo man seine Medikamente kauft. Ich für meinen Teil achte da sehr drauf. Wurde ich einmal schlecht oder vielleicht auch gar nicht beraten, habe ich mich auch direkt umgedreht und bin gegangen. Viel schlimmer finde ich die Beratung der Ärzte, die es zum Teil gar nicht mehr gibt, weil sie versuchen so viele Patienten wie nur möglich zu verarzten.



    Ich denke, dass auf andere Art und Weise vesucht werden sollte, den Preis und die Beratung zu bessern. Da gibt es sicherlich genug Wege und Möglichkeiten für.

    Es gibt 10 Arten von Menschen...
    Die, die das Binärsystem verstehen, und die, die es nicht tun.

  • Zitat

    Original von Frl.Smilla
    Wieso wird vorausgesetzt, dass bei Doc Morris kein qualifiziertes Fachpersonal arbeitet?


    Ich habe nicht behauptet, dass in der ersten deutschen Filiale von Doc Morris kein Fachpersonal beschäftigt ist, aber willst du wirklich qualifizierte Fachberatung von einer Internetapotheke erwarten? Damit und nicht mit der Filiale macht Doc Morris doch das meiste Geschäft, oder hab ich da was falsch verstanden?


    Ikarus
    Vielleicht hätte den "entsetzten" Apotheker mehr beeindruckt, wenn du der ratlosen Kundin deine Warnung mitten im Laden erteilt hättest. Zumindest wäre dann möglichen Restkunden auch ein Licht aufgegangen, dass sie in dieser Apotheke nicht nur ihr Geld lassen, sondern vielleicht auch ihre Gesundheit. :grin


    Nachdem ich bei meiner Apotheke so ziemlich gute Erfahrungen gemacht habe, hat mich dieser Laden sozusagen als Stammkunden gewonnen. Da gehe ich lieber hin, als in die Apotheke direkt unter der Arztpraxis.


  • Ich hab da mal eine Frage, da ich das nämlich auch gerade gelesen habe:


    Ist da schon etwas im Gange, dass die gesetzliche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel aufgehoben werden soll? Hat jemand dazu einen Link etc.?


    Dann verkauft Doc Morris also - zumindest vorher - erst Bagatell-Medis.
    Aha!