Gute Schriftsteller vs. "böse" Schriftsteller?

  • Hi Ikarus,
    ja, Grass hatte eine scharfe Zunge. Und manchmal stieß auch mir sein hoher Moralinanteil sauer auf. Aber aus meiner Sicht entwickelt sich Grass' -literarisches - Leben ja geradezu aus dieser Frage: Wie kann man als einzelner der Schuld, der Verantwortung entkommen? Bleibt einem am Ende gar nichts anderes übrig, als nicht erwachsen zu werden und überhaupt nicht an dieser so furchtbar erwachsenen Welt teilzunehmen?
    Grass hat immer Kriegstreiber kritisiert, aber nach meinem Gefühl nie aus überhöhter Sicht, sondern aus der Warte desjenigen, der selbst der Verführung erlag. Er nahm sich nie aus der Verantwortung. Und wurde deshalb wahrscheinlich häufig so barsch.
    Liebe Grüße
    Columbo

  • Zitat

    Original von Lese-Rienchen
    Schade das sich hier alle gegenseitig angreifen.


    Hallo, Lese-Rienchen


    Schade, dass du das so verallgemeinernd siehst.
    Mir scheint es gerade in diesem Thread ein Problem zu sein, dass Verallgemeinerungen nicht argumentativ untermauert werden. Dein Beitrag bringt meiner Meinung die Sachauseinandersetzung also nicht weiter.
    Aber ich stimme dir zu:

    Zitat

    Original von Lese-Rienchen
    Jeder soll doch seine Meinung haben und sie hier auch vertreten dürfen.


    Das jedoch war meiner Meinung nach überhaupt nicht umstritten: Weniger das "Was" als das "Wie" führte zu den zahlreichen Missverständlichkeiten.
    Ich gebe zu, auch das ist eine Verallgemeinerung. Aber da es sich um meine Meinung handelt, äußere ich sie eben.


    Schöne Grüße von blaustrumpf

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag

  • Ich gebe dir Recht blaustrumpf, ich habe warscheinlich ein wenig zu sehr verallgemeinert. Entschuldigung!!! Ich hatte ganz zu Anfang meine Meinung in diesemThread kund getan und heute wieder hereingeschaut. Die Worte die hier geschrieben wurden schienen mir zum Teil so agressv, das ich erschüttert war. Denn wie ich schon sagte: Jeder soll doch seine Meinung haben und sie hier auch vertreten dürfen :-).

  • Also ganz ehrlich...ich habs gehört, und mir NICHTS dabei gedacht, ausser, vielleicht..hm, was er wohl verkaufen will.
    Nun er schrieb eine Autobiografie, mehr gibts dazu nicht zu sagen.


    Die Tatsache zu bewerten dass ein 15jähriger Junge "geil" aufs Krieg spielen ist..und das in dieser Zeit, nee dass kan man kommentarlos hinnehmen.
    Das er das jetzt, ich sag mal kurz vor seinem "Ende" noch sagt, nun, auch da ist weder was verwerfliches dran, noch was aufregendes.

  • für mich sehr interessant diese aussage von tilman krause in der welt:


    Nicht seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS, nicht sein 60-jähriges Verschweigen dieser Tatsache machen ihn anfechtbar. Sondern dass er aus seinem Verstricktsein kein Ambivalenzbewusstsein ableiten konnte, jedenfalls nicht in seinen politischen Äußerungen. Seine Verurteilungen der politischen Gegner, sein manichäisches Weltbild, sein unbewältigter, unbearbeiteter Hass auf das andere - auch jetzt im Interview: "Wir hatten Adenauer, grauenhaft, mit all den Lügen, mit dem ganzen katholischen Mief" - das alles zeugt von einer NS-geprägten Mentalität. NS-geprägt nicht im Sinne des verbrecherischen Elans, der dieser politischen Bewegung eigen war. NS-geprägt in der Unfähigkeit, Ambivalenz zuzulassen und auch den Mitmenschen, die anders denken, Ambivalenz zuzugestehen.


    quelle: Ende einer Dienstzeit


    kann mir einer die frage in der überschrift beantworten?


    bo

  • Zitat

    Original von bogart


    kann mir einer die frage in der überschrift beantworten?


    bo


    bogart , ich hab eben kurz gegoogled:


    Kurzer Auszug: "In der manichäistischen Weltsicht stehen sich das göttliche Lichtreich und das Reich der Finsternis als Gegner gegenüber. Durch den Kampf zwischen diesen Mächten sind Teile des Lichts von der Finsternis gefangen und in der Welt eingeschlossen worden (vgl. Abschnitt zum Mythos). Lebewesen zu töten, ja allein schon Obst zu pflücken, verletzt diese göttliche Substanz und verlängert ihre Gefangenschaft in der Welt. Um das Licht zu befreien und wieder zum Reich Gottes hinzuzufügen, braucht es die „Auserwählten“. "


    Den kompletten Artikel kannst Du hier nachlesen

  • Was ist ein manichäisches Weltbild?


    Zitat

    Original von Ikarus
    "In der manichäistischen Weltsicht stehen sich das göttliche Lichtreich und das Reich der Finsternis als Gegner gegenüber...."


    Ich denke, der zitierte Abschnitt ist der Kern des ganzen.
    Es soll wahrscheinlich bloß ausgedrückt werden, daß Grass nach Auffassung des Autors ein Schwarz-Weiß-Maler ist, dem es schwerfällt, Zwischentöne zuzulassen.
    Wieder ein neues Wort gelernt. :grin


    :wave

  • @Fride...jo, das geht schnell hier und ich find`s gut :-)


    Beim Nachschauen vom Wort "Ambivalenz" hab ich in der Wiki das hier gefunden.


    Uih...ich wußte gar nicht, dass man das auch als Vorstufe zur Schizophrenie auffassen kann. Ich dachte immer, das es sich dabei um die Fähigkeit umfassender zu denken. :wow

  • Wenn ich gerade das Gerangel um Grass so sehe, auch international, muß doch mit einer kleinen Häme gestehen, daß er jetzt das erntet, was er selbst lange Zeit austeilte. Denn in Grunde war seine kurze Mitgliedschaft in der Waffen-SS nichts anderes als der Wehrdienst, also erzwungenermaßen. Daran konnte damals nur ein potentieller Selbstmörder etwas ändern. Die Prügel, die er deshalb jetzt bezieht, sind schierer Nonsens.
    Da er aber früher mit anderen Mitmenschen, die in der gleichen Situation waren, ähnlich hart ins Gericht ging, habe ich kein Bedauern mit ihm. Auch wenn ich den ganzen Unfug um diese Sache für total daneben und überflüssig halte.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Zitat

    Original von Demosthenes
    Da er aber früher mit anderen Mitmenschen, die in der gleichen Situation waren, ähnlich hart ins Gericht ging, habe ich kein Bedauern mit ihm.


    ich sammel lieber noch ein paar belege, bevor ich dir zustimme, demo!


    bo :-)

  • Das mit Bitburg steht ja heute irgendwie in jedem Artikel:


    "Wie wäre die Bitburg-Debatte verlaufen, wenn er sich damals erklärt hätte - und sei es im selbstbezweifelnden goetheschen Sinne, daß er noch nie von einem Verbrechen gehört habe, das er nicht auch selbst hätte begehen können? Statt dessen nannte er den Besuch von Reagan und Kohl auf dem Soldatenfriedhof, wo, wie wir nun wissen, womöglich Angehörige seiner eigenen Division lagen, „eine Geschichtsklitterung, deren auf Medienwirkung bedachtes Kalkül Juden, Amerikaner und Deutsche, alle Betroffenen gleichermaßen verletzte“. Mag sein, daß es so war - aber wäre die Debatte nicht wahrhaftiger gewesen, wenn man gewußt hätte, daß aus einem verblendeten Mitglied der Waffen-SS (so stellt Grass selber sich dar), einem der Jugendlichen, die da lagen, einer wie er hätte werden können - nicht nur ein Verteidiger, ein Protagonist von Freiheit und Demokratie?"


    Quelle und ganzer Artikel von Frank Schirrmacher: FAZ, 12.08.06

  • Da ich heute sogar vom Jemand auf dieses leidige Thema angesprochen wurde, wiederhole ich hier noch mal, was ich da schon gesagt habe:


    "Grass ist für mich ein selbstherrlicher Schreiberling, dessen Werke für mich vergleichbar mit billigen Schmuddelheftchen sind. Seine Gesellschaftskritik ist zwar durchaus interessant, jedoch wird diese nach diesem Geständnis einfach nur absurd. Er selbst verlangt nun eine Toleranz, die er anderen nie zugestanden hat. Bei mir weckt diese Aufbauscherei eines Themas, das vor mehr als 50 Jahren ad acta gelegt wurde, mehr wie der Versuch oder besser noch der Schrei nach Publicity eines Autoren, der kurz davor war in Vergessenheit zu geraten und der zu seinem Lebensende hin noch mal ordentlich auf die Pauke hauen wollte."


    Der Jemand schwieg darauf hin und bat mich leise ihm doch mal die Schmuddelheftchen zu leihen. :lache


    Falls ich irgendeinem verblendeten Grass-Groupie durch meine Kritik zu nahe getreten bin, tut mir das leid. Ich mag den Mann nicht, seine Bücher nicht und die ganze Diskussion geht mir schwer auf den Zeiger, überall wo man hinguckt Grass. Meiner Meinung nach wollte er das erreichen und weil ich es nicht mag, wenn jemand den ich nicht leiden kann, erreicht, was er will, boykottier ich das ganz einfach.


    Grass war in der NS... na und. Ich hab gestern drei mal in der Nase gebohrt und in China sind 12 Säcke Reis umgefallen.


    :anbet

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Falls ich irgendeinem verblendeten Grass-Groupie durch meine Kritik zu nahe getreten bin,


    :wow
    Wow, na das nenne ich mal großartiges Diskussionsniveau. Ich bin schwer über solch eine sachliche Ausdrucksweise beeindruckt. Du beweist ja wirklich, wie sehr dich dieses Thema kalt läßt und langweilt...




    Wer Sarkasmus findet in dieser Aussage, darf sie behalten.

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

  • Zitat

    "Grass ist für mich ein selbstherrlicher Schreiberling, dessen Werke für mich vergleichbar mit billigen Schmuddelheftchen sind. Seine Gesellschaftskritik ist zwar durchaus interessant, jedoch wird diese nach diesem Geständnis einfach nur absurd. Er selbst verlangt nun eine Toleranz, die er anderen nie zugestanden hat. Bei mir weckt diese Aufbauscherei eines Themas, das vor mehr als 50 Jahren ad acta gelegt wurde, mehr wie der Versuch oder besser noch der Schrei nach Publicity eines Autoren, der kurz davor war in Vergessenheit zu geraten und der zu seinem Lebensende hin noch mal ordentlich auf die Pauke hauen wollte."
    ... na und. Ich hab gestern drei mal in der Nase gebohrt und in China sind 12 Säcke Reis umgefallen.


    naja, bj, dafür, dass Dich der Typ, seine Texte und das Thema nicht interessieren, bist Du doch ganz schön engagiert ;-)


    Es gibt ja einige Hinweise in euren Beiträgen, die durchaus treffen: Wahrscheinlich ist ziemlich viel PR-Futter im Thema, es ist eigentlich nichts besonders neues und Grass hat mit seiner in manchen Abschnitten durchaus selbstherrlichen Art tatsächlich nicht nur Freunde gefunden. Aber zu seinen kritteligen und moralinsauren Forderungen darf ich doch noch eine Frage stellen: Ist die Qualität einer Kritik, einer Forderung, einer Anklage tatsächlich so sehr von der Moral des Kritisierende, des Fragestellenden abhängig? Werden seine Themen weniger bedeutsam, dadurch dass er selbst Schuld trägt und mit seiner Verantwortung anscheinend nicht sehr erwachsen umgehen konnte?
    :wave Columbo

  • Zitat

    Original von columbo
    Ist die Qualität einer Kritik, einer Forderung, einer Anklage tatsächlich so sehr von der Moral des Kritisierende, des Fragestellenden abhängig? Werden seine Themen weniger bedeutsam, dadurch dass er selbst Schuld trägt und mit seiner Verantwortung anscheinend nicht sehr erwachsen umgehen konnte?


    Ich kann zum Thema Grass wenig beitragen, aber zu dieser doch etwas allgemeiner gehaltenen Frage vielleicht schon.


    Hier geht es um Glaubwürdigkeit.
    Wenn jemand in Bereichen kritisiert, denen er selbst nicht unangreifbar ist, macht er sich unglaubwürdig und anfechtbar. Die Kritik kann nicht auf so fruchtbaren Boden fallen, als wenn sie von einer moralischen Instanz auf diesem Gebiet geäußert werden würde. Die Reaktion der Gesellschaft auf Kritik ist m. E. immens von der Stellung des Kritisierenden geprägt.


    Es ist trotzdem vermessen, Menschen trotz ihrer mehr oder minder sichtbaren moralischen Mankos keine Kritik zuzugestehen. Schließlich ist niemand ohne Fehl und Tadel. Bei einigen Themen werden sich kaum unvorbelastete Kritisierende finden. Manchmal ist es auch wichtig, daß eine Debatte eröffnet wird. Egal von wem. Aber das "Wie" macht es.

  • Hi und einen wunderschönen guten Morgen allen,


    als eine eventuelle weitere Diskussionsgrundlage hier mal ein Link noch zu Günter Grass aus der Wikipedia, die offensichtlich schon aktualisiert wurde:


    Hier:


    Dann möchte ich mich noch bei allen bedanken, die hier mit konstruktiven Beiträgen und ihren Ansichten dazu beigetragen haben, dass man sich eine Meinung bilden konnte. Denn nichts anderes habe auch ich gewollt.


    Wir leben in einem Land, dass immer mit einem gewissen Stolz als Land der Dichter und Denker bezeichnet wurde und als ein Mitbürger dieser Landes sehe ich das genauso und das ebenfalls mit Achtung und Stolz.


    Für mich persönlich war Günter Grass immer ein scharfzüngiger Kritiker unserer Gesellschaft, dessen literarisches Werk zu achten und zu beachten war und auch noch immer ist...und...das möchte ich betonen, für sein literarisches Werk den Nobelpreis für Literatur bekommen und auch verdient hat.


    Ich habe zwei seiner Werke gelesen...eines davon in der Schulzeit lesen müssen...und finde nicht, dass er als Verfasser von Schmuddelheftchen abgetan werden kann.


    Im Gegenteil: er hat sich als Schriftsteller und mitdenkender Mensch allerdings in die Öffentlichkeit begeben und als solcher eben aber auch die Finger auf Mißstände, wie er sie sah, gelegt und - wie auch Eure gesammelten Belege zeigen, sich moralistisch geäußert.


    Ich kann persönlich verstehen, dass er sich wegen seiner Vergangenheit geschämt haben will und dass sich gerade dadurch der Mensch und Schriftsteller Günter Grass so herausgebildet und entwickelt hat, wie er es getan hat.


    Ganz persönlich nehme ich im allerdings die bewußte Fälschung seiner Vita übel bzw., dass er eben erst jetzt die volle Wahrheit schreibt, weil das Verschweigen zwar für mich verständlich, aber dennoch nicht in Ordnung ist.


    Wer sich in der Öffentlichkeit äußert - und das tun Schriftsteller nunmal und Grass tat das oft kritisch - muß sich auch selbst der Kritik stellen können und die Fragen gefallen lassen, warum man dies oder jenes eben getan hat.


    Ich finde, das wäre ihm in unserem Lande sehr wohl immer möglich gewesen und - nach allem, was man über seine Vergangenheit jetzt erst liest, hätte die Öffentlichkeit auch sehr wohl verstehen und seine Beweggründe auch verzeihen können. Es hätte m.E. sogar vieles erklärt.


    Umso weniger verstehe ich allerdings den erst späten Zeitpunkt...und für mich ist dadurch ein Stückchen Glaubwürdigkeit unserer Dichter und Denker einfach in Frage gestellt worden...und das finde ich persönlich sehr schade, weil es m.M.n. unnötig sein müßte - gerade in unserem Land.


    Ich würde mir einfach mehr Ehrlichkeit wünschen...von allen öffentlich auftretenden Menschen...und das eben sofort und ohne falsche und unnötige Scham.


    Gruß
    Ikarus

  • @ Janda...


    Genauso wie man bei dir den Sarkasmus lesen darf, darf man bei mir die Ironie finden. Meine Aussage spielte auf die beleidigten Beiträge ein paar Seiten vorher an... macht aber nichts, wenn du das nicht verstanden hast. :kiss
    Im Übrigen bin ich nicht gelangweilt, sondern genervt, das ist ein Unterschied.
    Was das Diskussionniveau angeht, nun ich schreibe so wie mir die Finger gewachsen sind. Wem das nicht paßt, der kann ja weglesen... :wave


    @ Columbo
    Es geht nicht ums Engagement, sondern ums verstehen wollen. Wieso wird um die Vergangenheit EINES einzelnen alten Mannes ein solcher Wirbel veranstaltet? Versteh ich nicht und erachte ich als Wichtigtuerei.