... wenn ich geahnt hätte, dass ich der erste Mann-Rezensent bin, hätte ichs vielleicht gelassen ... aber jetzt habe ich noch 'ne Biographie zusammengepuzzelt ...
wohlan denn!
Mann, Thomas Paul (1875 - 1955), deutscher Schriftsteller, Bruder des Schriftstellers Heinrich Mann. Literaturnobelpreis 1929. Kind reicher Lübecker Eltern, von früh auf entschlossen, Schriftsteller zu werden, 1905 Heirat mit Katja Pringsheim, der Ehe entstammen sechs Kinder. Billigt den Ersten Weltkrieg, engagiert sich für die Weimarer Republik, emigriert 1938 in die U.S.A., von wo aus er ab Beginn des II. Weltkriegs unter dem Titel „Deutsche Hörer!“ von der BBC gesendete Ansprachen gegen die Nazis hält. 1952 Umzug in die Schweiz, dort bis zu seinem Tod ansässig.
Mann hat viele seiner Romane an seinem eigenen Leben bzw. dem Leben von Bekannten entlang geschrieben. „Die Buddenbrooks“ (1901) sind der Roman seiner eigenen Kindheit, nahezu alle Personen sind der Lübecker Bürgerwelt entnommen. „Der Zauberberg“ (1924) beschreibt sehr viel von der Münchner Boheme und ihrer Geisteswelt. Im „Doktor Faustus“ (1949) ist sehr viel von Manns eigener Geisteshaltung und -entwicklung zu finden.
Leseprobe:
„Um das Bild rein zu halten, das diese Erinnerungen dem Leser von meinem Charakter vermitteln, sei folgendes hier zu meinen Ehren angemerkt. Niemals habe ich eitles und grausames Gefallen gefunden an den Schmerzen von Mitmenschen, denen meine Person Wünsche erregte, welche zu erfüllen die Lebensweisheit mir verwehrte. Leidenschaften, deren Gegenstand man ist, ohne selbst von ihnen berührt zu sein, mögen Naturen, ungleich der meinen, einen Überlegenheitsdünkel von unschöner Kälte oder auch jenen verachtenden Widerwillen einflößen, der dazu verleitet, die Gefühle des Andern ohne Erbarmen mit Füßen zu treten. Wie sehr verschieden von mir! Ich habe solche Gefühle stets geachtet, sie aus einer Art von Schuldbewusstsein aufs beste geschont und durch ein begütigendes Verhalten die Befallenen zu verständiger Entsagung anzuhalten gesucht.“
Ja, so isser, unser Felix! Und so auch:
„Ohne Zweifel wird man mir entgegenhalten, dass, was ich da ausgeführt, gemeiner Diebstahl gewesen sei. Demgegenüber verstumme ich und ziehe mich zurück; denn selbstverständlich kann und werde ich niemanden hindern, dieses armselige Wort zur Anwendung zu bringen, wenn es ihn befriedigt. Aber ein anderes ist das Wort - das wohlfeile, abgenutzte und ungefähr über das Leben hinpfuschende Wort - und ein anderes die lebendige, ursprüngliche, ewig junge, ewig von Neuheit, Erstmaligkeit und Unvergleichlichkeit glänzende Tat. Nur Gewohnheit und Trägheit bereden uns, beide für eins und dasselbe zu halten, während vielmehr das Wort, insofern es Taten bezeichnen soll, einer Fliegenklatsche gleicht, die niemals trifft.
Überdies ist, wo immer es sich um eine Tat handelt, in erster Linie wieder an dem Wie noch an dem Wie gelegen (obgleich dies letztere wichtiger war), sondern einzig und allein an dem Wer. Was ich je getan habe, war in hervorragendem Maße meine Tat, nicht die von Krethi und Plethi, und obgleich ich es mir, namentlich auch von der bürgerlichen Gerichtsbarkeit, habe gefallen lassen müssen, dass man denselben Namen daran heftete wie an zehntausend andere, so habe ich mich doch in dem geheimnisvollen, aber unerschütterlichen Gefühl, ein Gunstkind der schaffenden Macht und geradezu von bevorzugtem Fleisch und Blut zu sein, innerlich stets gegen eine so unnatürliche Gleichstellung aufgelehnt.“
Eigene Meinung:
Ich hoffe ernstlich, mit diesen Sätzen auf manchem Nachttisch ein Plätzchen zu erwirken für Felix Krull, den Liebhaber günstiger Gelegenheiten, weltlicher Schönheit und weiblicher Anmut. Der Roman ist ein 400-Seiten-Fragment, Thomas Mann erzählt von diesem Lebenskünstler in wunderbaren, ironisch schimmernden Satzgirlanden, die vielleicht gerade deshalb so federleicht sind, weil er nie vorhatte, den Roman zu vollenden. Da ist es auch zu verwinden, dass der Roman kein Ende kennt, denn wer will denn wirklich miterleben, wie Krulls Glück sich wendet, wie er vor die Schranken der bürgerlichen Gerichtsbarkeit gezerrt wird und im gleichmacherischen Zuchthaus landet?
In diesem Sinne,
GleichSamm