Michel Houellebecq - Ausweitung der Kampfzone

  • Sex? oder nicht Sex? stellt Michel Houellebecq in seinem Buch "Ausweitung der Kampfzone" als Frage dar. Laut seiner Auffassung ist jeder nur ein "vollwertiger" Mensch, der ein geregeltes Sexualleben hat - eigentlich - denn der Protagonist seines Romans ist weder ein Adonis, noch ein Frauenheld, er ist einer, der im "normalen" Leben nicht immer den einfachen Weg zu nehmen scheint.


    Das heißt: ihm bleibt nichts anderes übrig, als den Weg einzuschlagen, den das Leben für ihn vorgeschlagen hat. Beruflich ist er sehr erfolgreich als Programmierer, aber privat ein "Versager". Ihm fällt auf, daß er nicht alleine ist mit seinem Problem. Er fährt mit seinem Kollegen auf Dienstreise, der ihm dann beichtet mit 28 "noch" Jungfrau zu sein (dieser wird nicht mal sein >Erstes Mal< erleben, da er bei einem Autounfall ums Leben kommt).


    So bekommt dann die Geschichte ihr Gesicht. Der Protagonist stellt sein Leben in der Gesellschaft hinsichtlich seines Privatlebens in Frage und der Leser bekommt eine ganz neue Art und Weise, wie man sein Leben sehen soll und inwieweit es von der Gesellschaft abhängig sein soll, bzw. inwieweit man autonom leben darf (kann). Die Story wird sehr philosophisch mit Fabeln und Betrachtungen hinsichtlich der alten Philosophie dargelegt. Zum Beispiel der Vergleich zu Brigitte Bardot: einem Mädchen das zufälligerweise den Namen der Filmdiva besitzt, aber alles andere als die erotische Ausstrahlung der Diva besitzt.


    Irgendwie hat mir das Buch etwas die Augen geöffnet, um mal "anders" zu denken, als das was einem die Medien "unbewußt" suggerieren, aber letztendlich hat mir das Buch nicht so gefallen, wie ich es mir eigentlich vorgestellt hatte. Wahrscheinlich ist es mehr für die Männerwelt geschrieben, aus der ich noch immer nicht schlau wurde

  • Das hab ich auch vor ein paar Jahren gelesen...
    Tja, so richtig gut fand ich es nicht.
    Meiner Meinung nach lesen ihn viele nur, weil er als "Skandalautor" gilt.

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Naja, mit seinen ersten Veröffentlichungen hat er sich aufgrund teilweise derber Beschreibungen doch irgendwie in diese Schublade stecken lassen (müssen).

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Zitat

    Original von Fritzi
    Naja, mit seinen ersten Veröffentlichungen hat er sich aufgrund teilweise derber Beschreibungen doch irgendwie in diese Schublade stecken lassen (müssen).


    Aber die "Ausweitung der Kampfzone" war doch sein 1. Roman. In Frankreich ist er sehr beliebt und hat etliche Preise eingesackt.


    Sein bestes Buch ist sicher "Elementarteilchen" und sein heftigstes "Plattform".
    Die sind aus meiner Sicht sehr lesenswert. Vor allem Frauen können sicher einiges über die Denkweise von Männern erfahren.

  • Hallo, Rossi.


    Zitat

    Vor allem Frauen können sicher einiges über die Denkweise von Männern erfahren.


    Hielte ich für gefährlich, von Houellebecq ausgehend zu verallgemeinern; der dargestellte Männertyp (aber auch der Frauentyp) ist kaum typ-isch. Und die Themen sind andere: In "Elementarteilchen" sind es verschiedene philosophische Ansätze, vor allem der "Widerstreit" Mikro- vs. Makrokosmos. "Plattform" ist einfach nur ein schmutziges, strunzdummes Buch, das die Vermutung nahelegt, Houellebecq hätte sich endlich getraut, die Intellektuellenmaske abzulegen und sein wahres Gesicht zu zeigen. Mir hat "Elementarteilchen" recht gut gefallen, "Ausweitung der Kampfzone" fand ich spröde, aber irgendwie reizvoll, aber seit "Plattform" fasse ich kein Buch dieses Mannes mehr an. :fetch

  • Tom
    Viele Franzosen sehen das anders, dort werden die Bücher durchweg lobend besprochen.


    Hollebecq beschreibt sicher nicht DEN Mann, wiel es DEN Mann nicht gibt, aber es ist sicher eine Richtung des Denkens, die gar nicht so selten vorkommt.


    Ich hab mal eine Kurzgeschichte von Dir hier gelesen, ich würde mal sagen, Deine Protagonisten sind ebenfalls Randexistenzen der Gesellschaft. Das meine ich nicht negativ, aber eben auch Deine Figuren sind nicht grade repräsentativ für DIE Männer.


    "Plattform" ist einfach nur ein schmutziges, strunzdummes Buch"
    Das kann man so sehen. Viele sehen es eben anders. Und da fängt die Leistung Houllebecqs eben an.


    Ich bin jedenfalls neugierig. Entweder da kommt jetzt nur noch Stuß oder es gibt ein Elementarteilchen II

  • Hallo, Rossi.


    Ich behaupte von mir ja auch nicht, Repräsentatives zu schreiben, da hast vielmehr Du von Houellebecq behauptet. Ich habe übrigens kein Problem mit Randexistenzen, ganz im Gegenteil, aber Houellebecq läßt mehr und mehr das Tier im Menschen heraus, ein Tier, dessen Abstand zum Autor sich zu verringern scheint. In "Plattform" erhebt er die Denke der mediokren Sexgeilen zum Standard und Standpunkt, das Buch ist darüberhinaus rassistisch, aufgesetzt provokant, vermittelt eine widerwärtige Weltsicht, und das mit offensichtlicher Unterstützung, ja sogar im Sinne des Autors (was er in mehreren heißen Interviews auch bestätigt hat). Fürchterlich - und schade drum, der Typ kann nämlich schreiben.


    BTW: Auch in Frankreich war "Plattform" hochumstritten, und in Deutschland hat's das Feuilleton mittendurchgerissen.

  • Hi Tom,


    das Houllebecq über "repräsentative" Menschen schreibt, also Durchschnittsbürger habe ich nicht gesagt


    Aber das seine männliche Sichtweisen, die er z.B. bei den Elementarteilchen benutzt, zwar etwas übertrieben sind, aber für den Typ Mann, den er da vorführt, durchaus nicht so ungewöhnlich sind, finde ich schon.


    Zumindest in einem ist er aber immer erfolgreich, er regt zum Denken an. Bei jedem Satz, der dich kitzelt, kannst Du überlegen, wie weit Du noch zustimmen kannst, ob er das wirklich so meint, ob er provozieren will, oder ob er einfach Schrott schreibt, weil ihm nichts mehr einfällt.


    Das die meisten Leute wohl eher nichts mit ihm anfangen können ist mir durchaus klar. Aber gelangweilt hat er mich nicht.


    Mir ist das durchaus lieber, als 1000 Seiten über einen Schamanen aus dem Mittelalter, den es nie gegeben hat.

  • Hallo Tom,


    ich habe deine Meinung zu "Plattform" gelesen, sie reiht sich in einen ganzen Chor protestierender Stimmen ein. Gegen deine Kritik ist wenig zu sagen, doch sollte man die Literatur dort lassen, wo sie hingehört - in das Reich der visionären Fiktion (Und von Vision kann man bei diesem Buch wahrlich sprechen, denn wer erinnert sich nicht beim Lesen an das sehr reale Grauen in Bali, verursacht von religiösen Fanatikern). Und irgendwie weiß ich nicht, ob man von Verhetzung sprechen soll, wenn Houellebecq die permanente Unterjochung der Frau durch den islamischen Glauben anprangert - sicherlich hast du gesehen, wie türkische Polizisten am 08.03. auf Frauen eingeschlagen haben, als wären sie ein paar Ratten...
    Ich bin der Meinung, dass Literatur heutzutage vor allem provozieren muss, um so etwas wie nachdenken auszulösen: Wo bitteschön ist Zivilisationskritik direkter ausgesprochen worden, als in diesem Roman: Unsere Welt ist kaputt, weil die Europäer keine Ziele mehr haben, ihr Leben reduziert sich auf das Ficken...


    Mit freundlichen Grüßen
    habedurst

  • Ein sehr seltsames Buch, für das ich mehrere Anläufe gebraucht habe. Begeistern konnte es mich nicht, seltsamerweise hat es mich aber auch genug gefesselt, um es zu Ende zu lesen. Dabei war ich schon mehrmals kurz davor, die Flinte ins Korn zu werfen. Ist irgendwie nicht so ganz meins und wird wohl mein einziges Buch von Houellebecq bleiben.

  • Das schieb ich jetzt vor meinem Leserundenmarathon noch schnell ein. Ist ja nicht so dick und die Hälfte hab ich heute in der Badewanne schon gelesen...


    Edit:

    Zitat

    Irgendwie hat mir das Buch etwas die Augen geöffnet, um mal "anders" zu denken, als das was einem die Medien "unbewußt" suggerieren, aber letztendlich hat mir das Buch nicht so gefallen, wie ich es mir eigentlich vorgestellt hatte. Wahrscheinlich ist es mehr für die Männerwelt geschrieben, aus der ich noch immer nicht schlau wurde


    Das hier trifft auch auf mich vollkommen zu. Ich bin mit gepannter Erwartung an das Buch herangegangen, wurde zunächst auch nicht enttäuscht, sondern war von dieser seltsamen Sichtweise sehr fasziniert, um dann am Ende irgendwie verstört, leer und enttäuscht zurück zu bleiben.
    Wirklich etwas gegeben hat mir dieses Buch nicht. Ich hatte mehr das Gefühl, es nimmt mir etwas.

  • Ein ungewöhnliches Buch, das mit seinem lakonischem Witz und den seltsam- interessanten Ansichten des Ich-Erzählers punkten kann. Die einzelnen Episoden wie auch der gesamte Roman sind schön kurz gehalten und auch deshalb stets unterhaltsam.

  • Ich bin durch Zufall auf den Autor gestoßen, als ich die Beschreibung seines Buches "Plattform" gelesen habe, dessen Inhalt mich eigentlich interessieren würde. Durch die doch recht gemischten Meinungen zu "Plattform", habe ich aber beschlossen, erst seinen Debutroman zu lesen.


    "Ausweitung der Kampfzone" beschreibt das Leben eines 30-jährigen Informatikers, der ein zurückgezogen lebender Eigenbrötler ist, aus der Ich-Perspektive. Dieser gibt dabei seinen Lebensablauf wieder, erzählt in einigen Kapiteln aber auch von Episoden aus seiner Vergangenheit.


    Die Dienstreise mit seinem als furchtbar häßlich beschriebenen Kollegen ist dabei die Schlüsselszene des Buches. Als der Ich-Erzähler die vergeblichen Versuche seines Begleiters, beim weiblichen Geschlecht zu punkten, nicht mehr ertragen kann, konfrontiert er ihn mit der ganzen Wahrheit: Dass dieser aufgrund seiner Häßlichkeit bisher keinen Erfolg bei Frauen hatte und dies auch nie in seinem Leben haben wird.


    Dabei vergleicht er die Sexuelle Revolution mit dem Kapitalismus. Während beim Kapitalismus nur ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung zu den "Gewinnern" gehört, welche den Großteil des Reichtums für sich beanspruchen, muss der Rest der Gesellschaft mit dem auskommen, was für sie übrig bleibt. Manche werden trotzdem ihr Leben lang in bitterer Armut und Elend leben.


    Gleiches gilt seit der 68-er Bewegung für die Sexualität. Nur eine begrenzte Anzahl (sehr schöner) Menschen wird ein aufregendes und abwechslungsreiches Sexualleben führen können und sehr begehrenswert sein. Der Rest wird sich mit dem abfinden müssen, was für sie übrig bleibt. Einige werden sogar nie dazu kommen, einen Partner zu finden, und eventuell jungfräulich sterben.


    Das Buch hält unserer jetzigen Gesellschaft den Spiegel vor und vergleicht sie mit vergangen Zeiten, die (vielleicht?) doch besser waren.
    Mich hat das Buch auf alle Fälle beeindruckt und ich werde definitiv mehr vom Autor lesen ... als nächstes Elementarteilchen.


    10 von 10 Punkten.

  • Hallo Moloko,


    nach Deiner ersten Euphorie für Houellebecq weiß ich nicht, ob ich Dich davon abhalten soll, als nächstes "Elementarteilchen" zu lesen und Du möglicherweise dann von "Plattform" Abstand nimmst.
    "Plattform" ist mein Zugang zu Houellebecq gewesen und in meiner Begeisterung ließ ich "Elementarteilchen" folgen. Danach habe ich kein Buch mehr von diesem Schriftsteller angerührt. Zweifelslos ist dieser Franzose ein großer Stilist, in beiden Romanen, aber bei "Elementarteilchen" habe ich mich am Ende doch gefragt, was er dem Leser mitteilen wollte.
    Wie auch immer Du Dich für eine Reihenfolge entscheidest, so würde ich mich über eine Meinung zu den Romanen freuen.

  • Das geniale an Houellebecq ist, dass er uns gar nichts mitteilen will. Er ist ein Zyniker par Excellence aber gleichzeitig ein Romantiker. Er hält der Gesellschaft den Spiegel vor, aber ist sich bewusst, dass das sinnlos ist. Er zelebriert defätistische Selbstironie. Er ist ein sexuell frustrierter Arsch mit Herz und verfügt über ein Universum von klugen Ideen, die einfach so aus ihm heraussprudeln. "Ausweitung der Kampfzone" ist das einzige, was mir bisher fehlt. Danke für den Tipp. Als Einstiegs- oder Weitermachdroge empfehle ich "Möglichkeit einer Insel". Wer sich an seinen Gedanken begeistert, ohne einen stringenten Plot zu fordern, ist mit "Karte und Gebiet" gut aufgehoben. Sein Meisterwerk ist und bleibt für mich "Plattform".