Schreibwettbewerb August 2006 - Thema: "schwarz-weiß"

  • Thema August 2006:


    "schwarz-weiß"


    Vom 01. bis 20. August 2006 könnt Ihr uns Eure Beiträge für den Schreibwettbewerb August 2006 zu o.g. Thema per Email an webmistress@buechereule.de zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym eingestellt.


    Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Jeder Beitrag mit mehr als 500 Wörtern wird nicht zum Wettbewerb zugelassen!


    Nur für registrierte Mitglieder mit mindestens 50 Beiträgen!


    Eine Bitte: Schickt uns Eure Beiträge als .doc oder .rtf und sendet sie uns als Anhang in einer Mail. Damit kommen dann auch Zeilenumbrüche, etc. richtig bei uns an. In Word könnt ihr dann auch die Rechtschreibhilfe nutzen und unter „Extras“ habt ihr die Möglichkeit „Wörter zählen“.


    Wir wünschen Euch viel Spaß und viel Erfolg!

  • von Blaustrumpf



    Howdy, Fremder! Überrascht? Okay, Sie wollten Western aus der Stummfilmzeit sehen und nicht Text lesen. Aber wenn Sie jetzt dranbleiben, können Sie Fernsehgeschichte schreiben. Yep, ich meine Sie, genau Sie!


    Nein, Sie halluzinieren nicht. Das steht tatsächlich in der Zeitung. Auf der Titelseite, die der Sheriff soeben sinken lässt. Für ihn ist es vorbei mit der Ruhe, denn Tom Mix reitet nach Tombstone ein. Vielleicht wird man die Kavallerie rufen müssen.


    Eine Weile bleibt die Kamera noch im Sheriffbüro. Hier ist Ihre Chance, in die Annalen des Fernsehens einzugehen. Nutzen Sie sie! Sonst war all meine Mühe mit dieser Anzeige auf der Titelseite vergebens.


    Nehmen Sie diesen Film auf. Er wird nur sehr selten gezeigt. Aber noch ist die Zeitung im Bild. Also starten Sie Ihren Recorder. Gleich kommt der Schwenk nach draußen auf die Straße. Dort wartet schon Tom Mix, mitten in einer Schar Cowboys zu Pferd.


    Wer ich bin? Ich bin der im Hintergrund, der mit dem grauen Hut. Früher hieß ich Josh Russell und war Running Back des Footballteams am MTI. Mein Name wird ihnen nichts sagen, aber sicher haben Sie von Itohashi Kawahara gehört. Das Computergenie. Okay, vor Ihrer Zeit. Jedenfalls, er war mein Freund. Er und ich: Zwei Filmfreaks mit einem Faible für Stummfilmwestern. Unser Held hieß Tom Mix.


    Im Sommer jobbten wir für das digitale Filmarchiv der „Great Western“-Stiftung. Für Ito die Gelegenheit, eine alte Idee auszuprobieren. Yep, ich war dabei. Ito revolutionierte das Fernsehen und bekam den Nobelpreis. Und ich? Ich konnte mit Tom Mix reiten. Hier in diesem Film, genau. Seit damals. Was meinen Sie, wie lange ich schon auf diese Westernnacht im Kabelfernsehen warte!


    Sie wollen wissen, wie Sie Fernsehgeschichte schreiben können? Dazu muss ich etwas ausholen. Wie funktioniert Film? Bild folgt auf Bild, ab einer bestimmten Geschwindigkeit sieht man die Bewegung. Yep. Wegen der Trägheit des Auges lässt sich zwischen den Bildern eine Menge unterbringen. Subliminale Werbebotschaften, beispielsweise. Aber Ito war kein Marketingfuzzi, sondern Filmfreak. Wie ich.


    Um es kurz zu machen: Ito hat nicht nur die Filme digitalisiert, sondern auch mich. Er war das Computergenie und ich der Running Back. Fragen Sie also nicht, wie das funktioniert hat. Es klappte jedenfalls reibungslos. Zumindest in die eine Richtung.


    Seither reite ich mit Tom Mix. Die erste Zeit war es toll. Mir kann nichts passieren: Ich stehe ja nicht im Drehbuch. Mein Tod ist also nicht vorgesehen. Aber längst schon habe ich diesen Film so satt wie den ganzen Wilden Westen.


    Die Guten tragen helle Hüte, die Bösen dunkle. Ich sehne mich danach, endlich nicht mehr alles in Schwarzweiß zu sehen. Eine Weile habe ich mich mit Tom voll laufen lassen zwischen den Bildern. Aber um hier wieder rauszukommen, musste mir schon mehr einfallen.


    Schließlich hatte ich die Idee mit der Zeitung. Über die steht auch nichts im Drehbuch, ich konnte also improvisieren. Ito? Der ist vor über 50 Jahren gestorben. Jetzt liegt es an Ihnen. Rufen Sie die Kavallerie. Und holen Sie mich hier raus.

  • von Columbo



    „Trag doch mal was Buntes,“ Evelyn klapperte in der Küche mit dem Frühstücksgeschirr, „was in Hellgrün zum Beispiel. Das würde dir stehen.“ Victor brummte leise hinter seiner Zeitung. „Schwarze Hosen, graue Anzüge, weiße Hemden, immer das gleiche triste Zeug.“ Es ist halt ein tristes Leben, dachte Victor und fixierte das grauweiße Zeitungspapier und die schwarzen Buchstaben. Er las nicht. Er starrte still vor sich hin und wartete. Jetzt würde sie gleich seinen Schwager ins Spiel bringen. Harry K. Lohse. Genau genommen war es ja gar nicht s e i n Schwager, sondern der Mann ihrer Schwester. Und genau genommen hieß er nicht Harry, sondern Heinrich-Klaus; Heinrich übrigens nach seinem Großvater. Aber in der Werbeagentur, in der er arbeitete, nannte man ihn eben Harry Ka-Punkt. Harry Ka-Punkt Lohse. Auch zu Hause und bei Evelyn und bei den Kleinen sowieso. Nur Opa Heinrich drückte ihn an Weihnachten mit einem „alles Gute, mein Heinrich-Klaus“, wofür sich Harry immer ein wenig genierte.


    Mit einem lauten Klacken rastete in der Küche die Klappe der Geschirrspülmaschine ein. „Harry hat so einen mintgrünen Sommeranzug. Schick, wirklich richtig schick.“ Evelyn jonglierte das Tablett mit den Kaffeetassen, den Untertellern und der Kanne ins Esszimmer, räumte das Geschirr mit dem roten Rosenmuster ins taubenblaue Buffet und richtete die Sonnenblumen in der Vase wieder auf. „Oder vielleicht lieber was in Aubergine? Ein frisches apricot?“ „Hmmmh, etwas Obst wäre nicht schlecht.“ „Victor, Du bist unmöglich! Nimm' mich doch bitte nur e i n m a l ernst!“ Victor legte die Zeitung auf die Knie. „Schatz, ich bin seit 17 Jahren Prokurist bei Hoppenstedt und Partner, man erwartet von mir Schwarz. Schwarze Zahlen auf weißem Papier. Keinesfalls Rot. Und kein Mint. Auberginen gibt es zu Mittag in der Kantine. Und Apricots zum Nachtisch. Ansonsten solides Handwerk in grauem Anzug. Ich bin halt kein Harry Ka-Punkt.“ Evelyn zupfte das geblümte Tischtuch zurecht. Victor nahm die Zeitung wieder hoch. „Außerdem ist Schwarz und Weiß sehr schön. Und man muss sich morgens beim Anziehen nicht überlegen, was zusammenpasst.“ Evelyn schüttelte verärgert ihre rotgefärbten Haare. „Ich schenk' Dir zur Weihnachten eine schwarze Sonnenbrille und einen schwarzen Dodge, dann kannst Du als Blues Brother auf Tour gehen. Weißt Du, Victor, manchmal frage ich mich, ob wir überhaupt zusammenpassen.“ Victor sah nicht auf. Wahrscheinlich hatte sie recht. Gegensätze - Schwarz und Weiß – das ginge noch. Aber mausgrau und grellbunt?


    „Ich geh' noch ein wenig raus.“ Victor stand auf, zog die graue Hausjacke aus, schlüpfte in den schwarzen Mantel und die schwarzen Schuhe, nahm den dunkelgrauen Stockschirm aus dem Ständer und ging zur Tür. Evelyn holte den pinkfarbenen Nagellack aus dem Kühlschrank. „Ich bin noch bei meiner Schwester,“ rief sie ihm hinterher, „heute abend kommt Harrys Bruder zu Besuch. Du brauchst nicht zu warten.“ Victor spähte vom Türabsatz in die graue Dämmerung. Es niselte. Von der anderen Straßenseite flackerte die defekte Whisky-Leuchtreklame der Bar herüber: „Black & White“. Victor spannte den Schirm auf, trat hinaus - und lächelte.

  • von BabyJane



    „Ich hab Hunger!“
    Er hebt den Kopf und wendet mir den Blick zu. „Ich nicht!“ Sein Blick senkt sich wieder auf seinen Laptop.
    Ich zappel auf dem Sofa herum, kann mich nicht auf mein Buch konzentrieren. „Huuuuuuuuuuuuuuuuuunger!“ Krakele ich. Er wedelt mit der Hand in Richtung Küche. „Dann koch dir halt was.“ Meine nackten Füße tapsen über den Boden und ich hätte auch ohne es zu sehen bemerkt, dass ich die Küche betrete, denn hier klebt der Boden widerlich. Mit spitzen Fingern angel ich nach einem sauberen Topf aus der Spülmaschine und schiebe Essensreste der letzten 7 Jahre, so scheint es, beiseite. Während ich vor mich hin werkel habe ich meine tiptopsaubere blitziblanke Edelstahlküche vor Augen. „Du könntest mal wieder putzen!“ „Mach du wenns dich stört. Dreck reinigt den Magen.“ Er grinst um die Türecke und verschwindet enttäuscht wieder hinter seinem Laptop, als er merkt, dass ich keineswegs vorhabe, seinen Saustall zu putzen.


    Ich liege auf dem Sofa, einen Teller Nudeln auf dem Bauch und beobachte, wie er an seinen Haaren herum zwirbelt. „Warum bist du nervös?“ „Ich bin nicht nervös.“ „Doch du zwirbelst Haare…“ Ich wackel mit der Gabel in der Luft herum und zeige auf seine Finger. Ertappt lässt er die Hand sinken. Sein Gesicht verzieht sich unwillig. „Ich zappel halt nicht so abartig herum wie du, kleine garstige Kaulquappe, sondern kompensiere meinen Bewegungsdrang auf erwachsene Art und Weise.“ Zack, das saß. Meine Füße, die vorher herum gewibbelt hatten erstarren zu Salzsäulen. Ich schiebe den Teller von meinem Bauch stehe auf, trete im Vorbeigehen kräftig gegen seinen Stuhl und marschiere ins Schlafzimmer. In mir brodelt es. Im Bett liegend, sehe ich, wie er vor sich hinlächelnd im Wohnzimmer sitzt und sich insgeheim über mein aufbrausendes Gemüt lustig macht. Mit Schwung knalle ich die Hand gegen den Lichtschalter grummele ein „Leck mich doch!“ und ziehe mir die Decke über den Kopf, während ich mir wünsche, einmal lässig und cool bleiben zu können, wie er.


    Irgendwas nuschelt in mein Ohr. „Na beruhigt?“ Umdrehen, ignorieren, weiterschlafen. „He…“ Sein Finger piekst in meine Rippen. „Doofmann, laß mich schlafen.“ Ich öffne zaghaft ein Auge. Seine Finger schieben sich unter meine Decke. „Du bist eiskalt.“ „Du bist scheißewarm!“ Ich strampelte die Decke weg, ziehe ihn an mich und schließe die Augen.
    „Du schnaufst ganz schön.“ „Hör auf zu nörgeln, du atmest beim Schlafen, so leise, dass ich immer mal nachsehe, ob du noch lebst.“
    „Pft… Frechheit.“
    „Schlaf jetzt, ich bin müde.“
    „Ich aber nicht.“
    „Das war mir klar.“
    „Wieso??“
    Ich ziehe eine Augenbraue hoch und verschränke so gut es in seinem Klammergriff eben geht die Arme.
    Er seufzt: „Weil du, wenn ich schwarz sage, weiß sagst. Wenn ich Hunger hab, hast du keinen. Wenn ich Ruhe will, machst du Lärm. Wenn ich schlafen will, bist du halt wach. Ist mir warm, frierst du und umgekehrt genauso.“
    „Und?“
    „Nichts und! So wird uns wenigstens nicht langweilig.“
    Ich nicke weise und schiebe meinen Kopf tiefer in seine kleine Kuhle zwischen Schulter und Hals.
    „Stimmt.“

  • von Herr Palomar



    Sigi döste im Schatten eines Busches, als eine große, bärtige Gestalt, so düster, dass eine Regenwolke ihn stets zu begleiten schien, sich dem Zelt der dörflichen Wahrsagerin mit groß ausschreitenden Schritten näherte.


    Die Ausstrahlung erschreckte Sigi, machte ihn aber auch neugierig. Schnell folgte er der Gestalt, umkreiste das schäbige Zelt, bis er den Riss in der Plane fand, an der er schon so oft spionierte.
    Viele Offenbarungen der Bevölkerung kannte Sigi alleine durch die Vorhersagen der Wahrsagerin Joy, die er mit seiner raschen Auffassungsgabe so gut uminterpretieren konnte, dass er auch Vorhersagen machen konnte.
    Aber Sigi war sicher, dass Joy ihren Voraussagen durch Magie nachhalf, da fast jede ihrer positiven Prophezeiungen eintraf.
    Das Joy wirklich hexen konnte, wusste Joy von seiner Mutter. Mutter war bei einer schweren Krankheit zu Joy zum Handlesen gegangen und Joys Voraussage bewirkte eine fast sofortige Besserung.


    Die Gestalt packte Joy gerade grob am Arm und sagte:
    "Joy, ich benötige deine Kräfte. Ich will, dass meine Feinde vernichtet werden. Du wirst mir diesen Gefallen tun, sonst..."


    Joy wand sich. "Ich kann dir nicht helfen, ...Du weißt, ich wende nur weiße Magie an!"
    Aber es lag schon eine gewisse Verzweiflung in ihrer Stimme.


    Es schien eine gewisse Vertrautheit zwischen den beiden zu herrschen, aber auch eine deutliche Abneigung seitens Joy.
    Die Gestalt stieß Joy gegen ihren Tisch, ihre Glaskugel fiel herab und zerbrach.
    Sigi fühlte, wie diese Abneigung, ja Hass auch auf ihn überging. Joys Ausstrahlung war wie stets sehr stark
    und Sigi war seit langem in sie verliebt. Mit ihren 30 Jahren sah Joy trotz ihrer schäbigen Zigeunerkluft aus wie Anfang 20 und war für Sigi daher das Sinnbild einer jungen Göttin.


    Sigi beschloss etwas zu unternehmen. Dieses Hexen kann doch nicht so schwer sein. Wenn man nur fest an seine Magie glaubt, muss es funktionieren.


    Sigi konzentrierte sich auf den Eindringling und murmelte einen Spruch, den er beim Lauschen von Joy aufgeschnappt hatte, durch den Spalt in das Zelt.


    Eine grelle Helligkeit erfüllte das Zelt. Joy kroch erschrocken an die Zeltplane, erhob sich und rettete sich durch den Ausgang.
    Im Zelt gab es ein Kreischen, das langsam abebbte, als das Weiße alles Schwarz im Zelt absorbierte und die Gestalt verschwand. Das Zelt zerfiel in seine Bestandteile und verschwand in einem großen Loch.


    Sigi rieb sich die Augen, als er Joys entsetzte Stimme hörte.
    "Sigi, was hast du getan?"


    "Joy, ich beherrsche auch Magie", sagte Sigi überrascht.


    "Wenn du Magie so anwendest, ist es schwarze Magie. Das kann auch für dich gefährlich sein.
    Ich hätte die Situation diplomatisch lösen können!"


    In Sigis Vorstellungskraft verdunkelte seine Seele, als er dies hörte und die Zerstörung sah. Aber wie kann es schlecht sein, Joy zu helfen?
    Er fühlte, dass ab jetzt nichts mehr so sein wird wie vorher. Er hatte seine Unschuld verloren und eine Rückkehr ist unvermeidlich. „Es gibt keine Wahl“ dachte er, sah in den Abgrund und sprang.

  • von JASS



    Energisch wurde die Tür aufgerissen und in einem Orkan aus wehender Kleidung und wallendem Haar stürmte Teddy in den Probenraum. Ich hob den Kopf, weniger überrascht als in Erwartung der Geschichte, die sie mitbringen würde. Wenn Teddy hereingeschneit kam, gab es immer irgendeine Geschichte. Und sie kam nicht gerade selten. Um ihr die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken, richtete ich mich auf und steckte die Hände in die Taschen.
    Sie knallte ein rotes Bündel auf einen der uralten Ledersessel, die wir im Probenraum herumstehen hatten. „Ich fass es nicht“, begann sie. „Ich fass es einfach nicht.“ Sie nutzte eine kunstvolle Pause um mir einen grimmigen Blick zuzuwerfen, den ich mit Gelassenheit aufnahm. „Wofür hält sich der Kerl eigentlich?“ Sie griff ruppig nach dem Bündel und hielt es in meine Richtung. „Das hier hat er mir geschenkt. Und weißt du, was er gesagt hat? Er meint, es wäre an der Zeit, dass ich meine Pseudo-Düsternis und das Gruftie-Zeug aufgebe. Ich sähe bestimmt süß aus in dem roten Pulli.“ Angewidert warf sie das Bündel wieder in den Sessel. Angesichts der Wucht, mit der sie das tat, konnte ich mir lebhaft vorstellen, dass sie seinen Kopf vor sich sah. Oder andere Körperteile.
    Plötzlich ließ sie sich selbst in einen Sessel fallen, schob sich eine Strähne aus dem Gesicht und sah zu mir hoch. „Wie siehst du mich eigentlich?“
    Ach du Scheiße. Ich hob eine Hand und kratzte mich am Kopf. Das war die Art fragen, die man(n) lieber nicht unüberlegt beantwortete. Oder am besten gar nicht. „In Farbe“, antwortete ich. Ich warf ihr einen zweifelnden Blick zu. „Also, na ja. Das meiste an dir is ja nich so bunt. Haare und Klamotten schwarz, Haut weiß. Aber ich glaub, ich seh dich trotzdem in Farbe.“

  • von Deny



    „Ich liebe dich!“ Das waren deine letzten Worte. Dann warst du weg! Und kamst nie wieder. Seitdem ist alles schwarz-weiß. Du bist einfach verschwunden. Weg, nur warum?
    „Amy! Kommst du bitte? Das Essen ist fertig!“ Seit diesem Tag trage ich nur noch schwarz-weiß und seitdem frage ich mich, wo du hin bist. Ich steige aus dem Bett, gehe die Treppe hinunter und setze mich hin. Ich achte nicht darauf, was ich da eigentlich in mich hineinstopfe. Denke nur noch an dich und gehe wieder auf mein Zimmer. Das ist vor zwei Wochen passiert. Zwei Wochen schwarz -weiß. Lege mich wieder auf mein Bett und denke an dich. An unser erstes Treffen.


    Du hast mich gar nicht beachtet. Dennoch haben wir uns kennen gelernt. Im Chat über Gedichte. Du warst der beliebteste Junge an der Schule. Wir lernten uns kennen und du schriebst: „Ich lebe in einer Welt, in der ich nicht der sei kann der in sein will.“ Und ich schrieb zurück: „Ich auch.“ Wir schrieben uns SMS und E-Mails. Chatteten unentwegt ohne zu merken, das wir auf die gleiche Schule gingen, geschweige denn in dieselbe Klasse. Du hast mich in der Schule nicht beachtet, doch ich kannte dich, den beliebtesten Schüler an dieser Schule. Und wir chatteten weiter, bis wir drauf kamen, dass wir auf derselben Schule waren.
    Doch wer dass war, der so nett mit mir chattet, wusste ich nicht. Und dass du Mike sein würdest, hätte ich nie gedacht. Doch als ich in Englisch ein Gedicht vortragen sollte, dass du kanntest, kam alles raus. Du hast mir geschrieben wer du warst. Du wolltest mich treffen, doch ich konnte nicht. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass du es warst. Der Coole, der Schulsprecher... Doch auf einer Party, hast du mich dann geküsst….


    So ist es passiert, mit mir und dir. Es war schön, doch seit zwei Wochen bist du verschwunden. Deine Familie, alle. Du hast mir nicht einmal Tschüss gesagt. Ich bin auf einmal müde, denke an dich und mache die Augen zu.


    Am nächsten Morgen schlafe ich bis elf. In die Schule gehe ich, seit deinem Verschwinden nicht mehr. Ich schaffe es einfach nicht. Du warst doch alles. Meine Mutter ist arbeiten. Und die Post kommt. Ich hohle sie. Aus Gewohnheit blättere ich sie durch. Vor meinen Augen ist alles schwarz weiß, doch auf einmal wird einer der vielen Briefe bunt. Ich nehme ihn und sehe, dass er an mich andressiert ist. Es ist deine Handschrift! Ich schnuppere dran, er richt nach deinem Parfüm. Sorgsam mache ich ihn auf. Ich schaue hinein und in hole den kleinen Zettel heraus.


    Es tut mir Leid.
    Es hat nichts mit dir zutun!
    Ich komme wieder!
    Ich liebe dich!
    Mike!


    Ich warte und warte. Eine Woche vergeht. Doch du kommst und kommst einfach nicht! Ich habe mich entschlossen, wieder zu Schule zu gehen. Ich war krank, dass werde ich allen sagen. Allen die Farben sehen können. Allen außer mir!


    So lebe ich weiter, doch du kommst nicht. Und alles bleibt schwarz-weiß!

  • von Sinela



    Wenn die dunkle Nacht mit einer Sternenkonstellation, wie sie nur alle 200 Jahre vorkommt, von den weißen Strahlen des Mondes geküsst wird, kommt in dem verzauberten Wald von Ballingashore ein Pferdekind auf diese Welt, das die Zeichen dieses magischen Nacht auf seinem Fell trägt: Weiße Sternchen auf schwarzen Grund. Von Zauberern und Feen bewacht wächst es zu einer wunderschönen Stute heran. Der Frieden und die Harmonie, die an diesem Ort herrschen, lassen sie zu einem sanftmütigen Wesen werden. Ihre Tage verlaufen in regelmäßigem Gleichklang - bis sie eines Tages einen leisen Ruf vernimmt, der von Stunde zu Stunde lauter wird. Es ist für sie an der Zeit, die Heimat zu verlassen und sich ihrer Aufgabe auf dieser Welt zu widmen.


    Zeitungsberichte schreiben von einer rätselhaften Krankheit, welche die Kinder befällt. In einer Zeit, in der Nachwuchs normalerweise stundenlang vor dem Fernsehgerät sitzt und sich irgendwelche unnützen Serien anschaut oder Spiele am Computer bis zum abwinken laufen lässt, verlangen sie plötzlich nach Büchern! Doch diese sind auf der Erde so selten geworden wie vierblättrige Kleeblätter. Kaum jemand kann sich noch an sie erinnern. Niemand kann sich erklären, was diese - wie die Medien sie nennen – Lesekrankheit ausgelöst hat. War es ein Virus oder ein Bakterium? Kosmische Strahlen? Während die Erwachsenen noch eifrig spekulieren, laufen die Kinder mit verklärten Gesichtern herum. Sie könnten ihren Eltern und all den anderen Menschen auf diesem Planeten sagen, dass das Sternenpferd Schuld ist an ihrer Wandlung. Doch es gehört ihnen, ihnen allein! Es besucht sie des Nachts und zeigt ihnen, welch wundervolles Geschenk die Phantasie ist. In ihren Träumen sind sie die Ritter, die das gefangen gehaltene Burgfräulein befreien, sie erleben das freie Leben der Cowboys und Indianer, Abenteuer auf fiktiven Planeten, Liebesgeschichten, kurzum – alles, was sie glücklich und frohen Herzens macht. Und ist die längst verloren geglaubte Phantasie einmal geweckt worden, gibt es kein Halten mehr. Fernsehen und Computer sind langweilig geworden, die Kinder wollen Geschichten aus fernen Welten und Zeiten in ihrem Kopf entstehen lassen – mit Hilfe der Bücher. Sie wollen lesen!


    Die Stute steht auf dem Hügel und blickt zurück auf die Häuser in der Senke. Ihre Mähne und ihr Schweif wehen im immer stürmischer werdenden Wind. Die Sternchen auf ihrem Fell leuchten im hellen Licht des Mondes. Sie hat ihre Aufgabe an diesem Ort erfüllt, es ist an der Zeit für sie, weiterzuwandern. Es gibt noch viele Städte und Dörfer, wo Kinder auf sie warten. Mit einer anmutigen Bewegung dreht sich das Sternenpferd um und trabt in den Wald hinein, wo es bald darauf von der Dunkelheit verschluckt wird.

  • von Roxane



    Meine Füße stolperten über den steinernen Boden, laut, hallend. Am Klang der Schritte konnte man meine Panik hören, wie sie mir die Kehle hinaufkroch, um sich auf meiner Zunge in einen Schrei der Verzweiflung zu verwandeln und sich hilflos in der vor Angst kreischenden Stille zu verlieren. Weiß.
    Ich lief diagonal. Es schien egal zu sein, wie ich lief, gerade, diagonal, horizontal, senkrecht… es blieb ja doch immer der gleiche gigantische, in die Irre führende Untergrund. Schwarz.
    Der Boden wies keinerlei Schrammen, Löcher oder sonstige Gebrauchsspuren auf. Gespenstisch… Noch zehn Schritte bis zum Weiß. Schwarz.
    Mein Blick blieb auf den Boden geheftet, mit jeder noch so winzigen Faser meines Körpers sehnte ich das nächste Feld herbei - das weiße Feld… Als ob mich mein endloser, verzweifelter, bereits Stunden andauernder Marsch über diese immer gleich bleibende Fläche irgendwie weiterbringen könnte, fort von hier, nach Hause…
    Obwohl ich genau wusste, dass es keinen Ausweg von hier gab, versuchten meine nach dem nächsten weißen Feld heischenden Augen meinem Gehirn vorzugaukeln, mit jeder neuen Farbe käme ich meinem Ziel näher. Ein Ziel hatte ich: Fort von hier. Doch egal, über wie viele schwarze und weiße Felder meine schweren Füße sich schleppten, ich war diesem Ziel nicht näher, als ich es am Anfang gewesen war… Gleichwohl quälte ich meine hoffnungslosen Beine zum nächsten Feld. Weiß.
    Die wenigen nur aus Hoffnung und Vorgauklerei bestehenden Nähte, die meinen Körper noch zusammenhielten, drohten zu reißen, als ich meine Lippen nicht öffnete, um einen panischen Schrei herauszulassen, der in meinem Mund tobte und von innen gegen meine Vorderzähne hämmerte. Schwarz.
    Vor lauter Anstrengung, nicht zu platzen, bemerkte ich nicht das monströse steinerne Etwas, das sich anbahnte. Nein, ich war es, die sich anbahnte, nur ich, das Etwas stand still vor mir, einige Meter entfernt, doch der Abstand wurde immer geringer. Und ich, immer noch den angstgelähmten Blick auf den Boden gerichtet, bemerkte es nicht. BUMM. SPLITTER.
    Ich hatte der Dame zwei Finger abgeschlagen. Sie bestand wohl doch nicht aus Marmor.
    Ich hatte immer geglaubt, die Figuren beim Schach hätten kein Eigenleben.
    In diesem Moment aber wurde mir schmerzlich klar, dass ich mich geirrt hatte.
    Die Dame lies mich bereuen, was ich ihr unbewusst angetan hatte. Sie packte mich mit einer ihrer riesigen steinernen Pranken und wirbelte mich durch die Luft. Dabei glich sie einer perfekten Hammerwerferin, doch wo hatte sie das gelernt? Beim Schachspiel?
    Ihr zorniger Aufschrei glich dem einer aufgebrachten Löwin, die der gerissenen Antilope beraubt worden war.
    Wo ich mich genau befand, wusste ich nicht mehr, als ich so über ihrem gigantischen Kopf kreiste, unter mir existierte nur noch ein unendlicher Wirbel aus schwarzen und weißen quadratischen Feldern, dich ich aber nicht mehr als solche definieren konnte. Ich wusste, dass die Felder quadratisch waren, das hatte sich erfolgreich in mein Hirn eingebrannt, doch zu erkennen waren zuerst nur noch schwarze und weiße Ovale, dann Striche, die miteinander verschmolzen… Schwarz. Weiß. Schwarz.
    Grau…

    Schweißgebadet erwachte ich aus meinem Alptraum.
    Eindeutig: Ich spiele zu viel Schach…