'Ulysses' - 05 Lotophagen - Bad

  • Hm.
    Bloom = Henry Flower. Blumen scheinen in diesem Kapitel eine große Rolle zu spielen. Blumen und die anstehende Beerdigung von Paddy Dignam.
    Hm, aber in der Kirche ist er doch wirklich oder denkt er das nur? Weil dieses Kapitel als Orstangabe "Bad" hat. Dort ist er nur ganz am Ende, oder?
    Sehr eindrücklich beschrieben ist jedenfalls sein tatsächlich erfolgter Besuch beim Drogist. "Brauchts bloß zu riechen, dann ist man schon geheilt, wie wenn man beim Zahnarzt klingelt." :-)
    Hm, hm.

  • Zitat

    Original von Jeanne


    Hm, aber in der Kirche ist er doch wirklich oder denkt er das nur? Weil dieses Kapitel als Orstangabe "Bad" hat. Dort ist er nur ganz am Ende, oder?


    Ich glaube auch, dass er aus Neugier wirklich in der Kirche war, da die Schilderungen des Gottesdienstes sehr ausführlich von ihm beobachtet werden.
    Ich habe mich auch etwas gewundert, dass dieses Kapitel Bad heisst, da er dort nur vergleichsweise kurz war.


    In diesem Kapitel gibt es wieder viele detaillierte Ortsangaben über Blooms Weg: An Ladekränen entlang dem Sir John Rogersons Quay, vorbei an der Windmill Lane, an Leask´s Leinsamenmühle, am Telegraphenamt…. Und vorüber am Seemannsheim. usw.
    Mir ist nicht ganz klar, warum Joyce diese Detailgenauigkeit brauchte. Ich vermute, es ging ihm um Realismus und er wollte dadurch Dublin zum eigentlichen Protagonisten des Romans machen, oder ging es ihm noch um etwas anderes?

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    In diesem Kapitel gibt es wieder viele detaillierte Ortsangaben über Blooms Weg: An Ladekränen entlang dem Sir John Rogersons Quay, vorbei an der Windmill Lane, an Leask´s Leinsamenmühle, am Telegraphenamt…. Und vorüber am Seemannsheim. usw.
    Mir ist nicht ganz klar, warum Joyce diese Detailgenauigkeit brauchte. Ich vermute, es ging ihm um Realismus und er wollte dadurch Dublin zum eigentlichen Protagonisten des Romans machen, oder ging es ihm noch um etwas anderes?


    gemopst bei Wikipedia:


    „I want to give a picture of Dublin so complete that if the city one day suddenly disappeared from the earth it could be reconstructed out of my book.“ (James Joyce)


    „Ich möchte ein Abbild von Dublin erschaffen, so vollständig, daß, wenn die Stadt eines Tages plötzlich vom Erdboden verschwände, sie aus meinem Buch heraus vollständig wieder aufgebaut werden könnte.“




    Dieser Teil hat mir nicht so gefallen, ich merke, dass ich mich nicht mehr so sehr aufs Weiterlesen freue :-( , ich habe zwischendurch mal das "Elfenportal" gelesen, um mich zu motivieren.
    Aber ich werde auf jeden Fall noch ein wenig durchhalten, denn ich bin gespannt auf den Teil, der nur aus Zeitungsartikeln besteht.

  • Zitat

    Original von buttercup
    Aber ich werde auf jeden Fall noch ein wenig durchhalten, denn ich bin gespannt auf den Teil, der nur aus Zeitungsartikeln besteht.


    Falls du damit 7-Aiolos-Zeitung meinst: Er besteht mitnichten aus Zeitungsartikeln. Es geht inhaltlich ganz normal in der Geschichte weiter, okay, klar, mit den Überschriften soll es so aussehen wie Zeitungsartikel....


    „I want to give a picture of Dublin so complete that if the city one day suddenly disappeared from the earth it could be reconstructed out of my book.“ (James Joyce)


    Das gefällt mir. Find ich richtig schön irgendwie. Ich denke mir jetzt schon, dass es bestimmt was tolles wäre, mal nach Dublin zu fahren und die Wege aus Ulysses nachzugehen....

  • Bloom ist wieder unterwegs in Dublin. Zunächst führt ihn sein Weg zur Post, wo ein Brief (seiner Geliebten) auf ihn wartet. Damit gerechnet hat er nicht "Bin zu weit gegangen letztesmal." (S. 97) Womit wohl? Schade, wäre interessant zu wissen...


    Ich finde diesen Teil - vor allem den in der Kirche - sehr viel schöner und besser zu lesen als die Teile über/mit Stephen. Vielleicht weil mehr "passiert" (im Sinne von mehr Bewegung/Beobachtung) und die Gedanken der Figuren dabei leichter zu fassen sind für mich als Leser, hmm. Mir fällt es schwer zu erklären.


    Ein seltsames Zeitgefühl dringt aus diesem Kapitel - irgendwo zwischen Echtzeit und Zeitlupe, eigentlich erlebt man ja nahezu alles in Echtzeit mit, aber weil das so ungewohnt ist, wirkt es wie Zeitlupe...

  • Zitat

    Original von milla
    Ein seltsames Zeitgefühl dringt aus diesem Kapitel - irgendwo zwischen Echtzeit und Zeitlupe, eigentlich erlebt man ja nahezu alles in Echtzeit mit, aber weil das so ungewohnt ist, wirkt es wie Zeitlupe...


    Ja, das empfinde ich auch so! Wenn etwas vor 30, 40 Buchseiten passiert ist, ist es irgendwie lange her. Obwohl nur eine Stunde oder weniger vergangen ist. Allerdings kann ich mir sehr gut vorstellen, dass er mit einem einzigen Tag 1000 Seiten füllen kann. Langwierig ist es bis jetzt gar nicht. Ich erinnere mich an eine andere sehr lange Ein-Tages-Beschreibung. Das war bei Diana Gabaldon (ungeheuerlich sie in einem Zug mit Joyce zu nennen :lache) und es ging über 200 Seiten und ich habe es als furchtbar lang(weilig) empfunden. Hier ist es gar nicht so.

  • Zitat

    "Bin zu weit gegangen letztesmal." (S. 97) Womit wohl? Schade, wäre interessant zu wissen...


    Die Frage hab ich mir auch gestellt.....


    Außerdem hab ich noch eine Frage, auf die ich so schnell keine Lösung finde....


    Wenn man zwei gleichförmige Körper, von denen der eine leichter ist als der andere aus gleicher Höhe fallen läßt, fallen sie dann gleich schnell?
    (Ich tendiere zur Antwort JA, bin aber unschlüssig, Physik war mein Haßfach...)

  • @BJ
    Kam das im Buch vor?
    Die Antwort ist nein! Stelle dir eine Styroporkugel und eine gleichgroße Bleikugel vor. Nun, die Bleikugel ist schneller unten, oder? Alles andere wäre doch unlogisch... :gruebel Es hat was mit der Fallbeschleunigung (g=9,81m/s²), deren Wirken auf unterschiedlich schwere Körper und dem Luftwiderstand zu tun. Genauer kann ich dir das auch nicht erklären...*räusper*

  • Dieses ist, meiner bescheidenen Meinung nach, das bisher beste Kapitel von Ulysses und macht mich durchaus neugierig auf Folgendes.
    Ich fand dieses Kapitel vor allem eins: ironisch. Und lustig, was in diesem Buch bisher zielsicher an mir vorbei gegangen ist. Ich musste sogar schmunzeln, so viele lapidare Sätze lassen mich stutzen und dann lachen.
    Was ich liebte:
    - "M'Coy. Daß ich den bloß rasch wieder loswerde." (S. 98 ). Denke ich auch manchmal, wenn mir einer ein Ohr abkaut. Überhaupt, das ständige Abschweifen der Bloomschen Gedanken während des Gespräches fand ich äußerst belustigend. Wen interessiert schon die Angetraute des Anderen, zudem noch Konkurrentin der eigenen Frau, wenn man mit einer Fremden flirten könnte.
    - Eine Blume mit fast gar keinem Ruch, (S. 105) klingt verrucht, irgendwie.
    - "Könnten uns an einem Sonntag nach dem Rosenkranz treffen. Vielen Dank: hab gar keinen." (S. 105) Ich höre förmlich diesen trockenen Kommentar.
    - "Eunuch. Auch ein Außweg." (S. 111) :grin
    - Oder die Passage um geöffnete Kleidungsstücke und bevorzugt schlampige Männer.
    Und eine Wahrheit am Schluss: "Unglaublich viel Zeit eigentlich, die man so damit zubringt, seine Wehwehchen zu erzählen." :write


    Liesbett

  • Zitat

    Hm, aber in der Kirche ist er doch wirklich oder denkt er das nur? Weil dieses Kapitel als Orstangabe "Bad" hat. Dort ist er nur ganz am Ende, oder?


    Das Frag ich mich auch immer noch... irgendwie bin ich mir nicht sicher.


    @ Jeanne
    Danke, ja das kam im Buch vor, darum war ich eben so irrtiert. :grin


    EDIT:
    Ein türkisches Hamam zu dieser Zeit im biederen England? Kann ich mir kaum vorstellen, um nicht zu sagen gar nicht.


    Irgendwie fand ich für eine Kapitelbezeichnung den Aufenthalt im Bad als zu nichtssagend und kurz, hab ich da was wichtiges überlesen??

  • Zitat

    Original von Babyjane


    Das Frag ich mich auch immer noch... irgendwie bin ich mir nicht sicher.


    EDIT:
    Ein türkisches Hamam zu dieser Zeit im biederen England? Kann ich mir kaum vorstellen, um nicht zu sagen gar nicht.


    In Kapitel 8 denkt Bloom bei sich: Netter Wein ist das. Schmeck ihn besser, weil ich keinen Durst habe. Das macht natürlich das Bad.


    Deswegen denke ich, Bloom war tatsächlich im Bad.

  • Wenn dieses Kapitel in der deutschen Übersetzung 'Bad' heißt, setzt das ein falsches Signal.


    Es heißt eigentlich die Lotusesser. Der direkte Bezug zur Odyssee-Vorlage ist hier wichtig.
    Die Lotusesser sind nach der griechischen Mythologie Bewohner einer Insel, die im seligen Nichtstun ihr Tage verdämmern. Ins Nichtstun versinken sie durch den Genuß von 'Lotus'. Odysseus landet auf der Insel, einige seiner Gefährten essen Lotus und das verhindert beinahe die Weiterfahrt.


    Joyce benutzt das, um ein 'Dahintreiben' von Bloom darzustellen. Daher auch die vielen Sinneseindrücke. Parfüm, Blumen, Tee, Gewürze.


    Und ja, Bloom guckt sich eine Messe an. Er denkt auch darüber nach, was er dabei so sieht und hört. Der Teil enthält starke Kritik an der katholischen Kirche wie an Irland. Alles tatenlose Säufer ;-), daher dieser ausführliche Wein-Bier-Gegensatz. (Alkohol - Lotus, abhängig machend, abhängig gemacht)
    Zugleich die Frage: quis est homo?


    Sicher geht Bloom zum Schluß ins Bad, er kauft ja auch Seife. Das ist das, was früher 'Volksbad' hieß, eine öffentliche Badeanstalt, weil die Leute in der Regel kein Badezimmer zuhause hatten. Der Kaltwasserhahn in der Küche oder sogar auf dem Flur war üblicherweise der einzige Wasserzufluß in Privathaushalten. Gewaschen hat man sich am Spülbecken oder mit Krug und Waschhüssel. Und einmal in der Woche ging man eben ins Volksbad, um sich in einer richtigen Wanne einzuweichen.


    Das macht auch Bloom. Dabei betrachte er auch seinen Körper (Motiv der Körperlichkeit, eine Antwort auf die Frage: wer/was ist der Mensch?), die weißen Glieder, die da im Wasser schwimmen. Die Stelle galt von Anfang an als ziemlich obszön, nicht zuletzt, weil die 'nackten' ausgebreiteten Glieder ins Religiöse spielen (Jesus am Kreuz).
    Dazu wieder das 'Blumen'- Motiv, das Bloom zugeordnet ist, wieder Spiel mit Lotus, zugleich mit Vermehrung/Pollen, also wieder die Körperlichkeit, zugespitzt auf Geschlechtsteil, gekrönt vom letzten Satz, wo alles im heißen Dampf verschwimmt und doch vorhanden ist:
    the limp father of thousands, a languid floating flower


    was wiederum auf den Anfang verweist, sein geplantes Verhältnis mit Martha und auf die weitere Geschichte, 'Vater' sein.


    Für mich das Kapitel, in dem die Konzentration auf bestimmte Motive, das Spiel mit Assoziationen, der Einsatz von Variationen am besten gelungen ist.


    Vielleicht liegt es auch nur daran, das es eines war, das ich beim ersten Lesen vor vielen Jahren gleich kapiert habe :grin

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus