'Ulysses' - 09 Skylla und Charybdis - Bibliothek

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  • In diesem Abschnitt lesen wir über Stephen, George Russell, dem Quäker-Bibliothekar und John Eglinton sowie später hinzukommend Mr.Best und Buck Mulligan in der Bibliothek beim Gespräch über Shakespeare.
    Das erinnert doch sehr an unsere Leserunden! :lache


    Es gibt viele originelle Wortschöpfungen von Joyce:


    Eglintonaugen blicken scheufreudig auf.
    Der Quäker-Bibliothekar zehenspitzelte herein
    Lückiggezähnte Kathllen
    Er duzt und dichzt sie
    Glücksglänzend
    Stirnwanst
    Eifrigruhig

    usw.


    sowie tolle Vergleiche:
    Schnurriger Puritaner
    Zieh deine Dolch-Definitionen blank
    John Eklekktikon
    Dieser kinnlose Kinese Tschin Tschan Eg Lin Ton

    Herrlich! :-]

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Das erinnert doch sehr an unsere Leserunden! :lache


    :lache


    Da diskutiert Stephen also mit einigen anderen darüber, inwiefern Shakespeares Werke autobiographisch sind und ob die ein oder andere Figur daraus (Hamlet) nicht den großen Meister selbst darstellen soll.


    Interessanter Ansatz, nur leider kenne ich zu wenig Shakespeare-Stücke um da richtig folgen zu können. :-(


    Wenig beruhigend, dass der unsympathische Buck Mulligan ein noch größerer Literaturbanause zu sein scheint, oder sagen wir mal vorsichtig, eher desinteressiert an tiefgreifenden Diskussionen.

  • Puh, ich konnte eigentlich auch nur so der groben Handlung folgern. Und naja, man kennt so im Großen und Ganzen die Werke von Shakespeare und ihren Inhalt, aber hm, wirklich gelesen habe ich z.B. nur Macbeth. Um was genau geht es z.B. in Hamlet? Ich fürchte aber, selbst wenn man es gelesen hätte, könnte man hier nicht mehr folgen...
    Gut, ein paar Dinge, die mich begeistert/fasziniert/belustigt/erschüttert haben und ein paar Fragen:


    -->(S. 252)"Monsieur de la Palisse, höhnte Stephen, war fünfzehn Minuten vor seinem Tode noch am Leben." :grin Noja, wie so jeder Mensch eben, nicht wahr?
    --> Ich fands echt krass das Wort Konzentrationslager zu lesen (S. 256). Ist das nicht alles vor der Zeit?
    --> (S.264)In der Bibliothek: "Eingesargte Gedanken um mich herum, in Mumientruhen, einbalsamiert in Wortspezerei. (...) Sie sind still. Einst quicklebendig in Menschenhirnen. (...)" Irgendwie faszinierend, so Bücher zu beschreiben.
    --> Was mich sehr begeistert hat, einfach weil es sich voll schön anhört und was ich mehrmals gelesen habe, war die untere Hälfte auf S. 265 (ich weiß, wir haben unterschiedliche Ausgaben :-(), die zum Zitieren aber zu lang ist (von "Wie wir...bis....was ich dann bin").
    --> "Man kann einen Kuchen nicht essen, ohne dass er dann weg ist." :grin
    --> Okay, ich hab nicht viele Fragen, Fragen kann man nur, wenn man weiß, wonach man fragen soll...oje.


    Also, es geht hier um Shakespeare, es geht um Hamlet und ob Hamlet= Shakespeare ist, es geht um Väter und Brüder und wie immer auch um Religion und Irland. Hinter so manchen Abschnitt habe ich ein in Ohnmacht fallendes Strichmännchen gemalt, weil das am besten ausgedrückt hat, wie ich mich gefühlt hab. Sllt. Wie froh war ich dann, zu lesen: Stephen grüßte und folgte dann (...) aus der gewölbten Zelle hinaus in ein zerschmetterndes Tageslicht keiner Gedanken." Keine Gedanken sind gut Gedanken, lieber Stephen.

  • Zitat

    Original von Jeanne
    --> Ich fands echt krass das Wort Konzentrationslager zu lesen (S. 256). Ist das nicht alles vor der Zeit?


    Nein, die gibt und gab es schon vor dem Nationalsozialismus, nur seitdem haben sie eine andere, noch schlimmere Bedeutung als vorher :-(


    Wikipedia gibt hier einen guten Überblick.

  • Ah, danke milla .
    Das ist jetzt schon das zweite Mal, das ich denke Joyce könnte in die Zukunft schauen... :gruebel
    Aber ist ja schon irgendwie verständlich, dass wir mit einem komplett anderen Hintergund an das Buch herangehen, als Joyce es sich je erträumt hätte. Und da passiert eben sowas.

  • Ich muß gestehen, ich habe in diesem Abschnitt nichts verstanden, außer dass über Shakespeare und seine Werke gesprochen wurde.
    Ich hoffe, es wird wieder etwas leichter, sonst gebe ich doch noch auf :-(.

  • @ milla und Herr Palomar
    Danke, für die aufmunternden Worte.


    Ich will auch nicht wirklich aufgeben, sondern zu denen gehören, die das Buch gelesen und nicht nur im Regal stehen haben, auch wenn ich es nicht verstehe :lache
    Aber dieser Teil war wirklich extrem, da ich von Shakespeare eigentlich nur die Komödien kenne.


    P.S. Mein Bruder war am Wochenende da und erzählte er hätte Ulysses vor vielen Jahren im Urlaub in zwei Wochen durchgelesen und keine großen Schwierigkeiten gehabt :wow

  • buttercup
    Hm, dann lass doch deinen Bruder mal "große Schwierigkeiten" definieren. ;-) Ich glaube es gibt keinen Menschen, der dieses Buch auf Anhieb, ohne Komentare, vollstädnig erfassen kann. Die wesentliche Handlung allerdings, die ist ohne Probleme auszumachen...von daher ;-)
    Ich habe in diesem Kapitel übrigens auch nicht viel verstanden....macht nichts, nur weiter. Ich kann mich da meinen Vorredner nur voll anschließen!!


    Edit: ups :grin

  • Zitat

    Original von milla
    @ buttercup
    Dein Bruder ist ein :bruell AAAAAAAANGEBER :grin


    Oh, ich glaube, da habe ich mich etwas unklar ausgedrückt. Mein Bruder hatte keine Probleme beim Lesen. Mit dem Verständnis sah das schon ganz anders aus, obwohl ich sicher bin, dass es da bei ihm auch um vieles besser aussieht, als bei mir. Er hat auch Finnegans Wake, obwohl er da nur immer mal wieder reinschaut und es noch nicht durchgelesen hat. Er liest auch ab und zu Arno Schmidt.

  • Zitat

    Original von milla
    Oh verstehe....



    .oO(Wer ist Arno Schmidt???)


    Ein weitestgehend vergessener Autor im letzten Jahrhundert, der irgendwann selbst Joyce sein wollte und unterstützt von der Zigaretten-Industrie (Reemtsma) das Buch "Zettels Traum" tippte, das mit über 1.300 Seiten im Großformat lockere 7,6 kg auf die Waage bringt. Nun ja. Ein echtes Schwergewicht.

  • Ich habe vor Jahren mal eine Live-Lesung von Joachim Kersten, Bernd Rauschenbach und Jan Philipp Reemtsma aus Zettels Traum gesehen und habe, ehrlich gesagt, trotz hervorragender Leseleistung der Vorleser fast nichts von der Handlung verstanden.


    Da macht Ulysses für mich mehr Sinn!

  • Tatatata, wieder ein Kapitel geschafft. Sperrig ja, aber nicht unverständlich, bin ja mittlerweile gestählt. :lache


    Das die Handlung in der Bibliothek stattfindet habe ich gleich bemerkt, das Wort Bibliothekar hat eine belebende Wirkung auf mich. Wie mein Kollege allerdings dargestellt wird, weit weniger. Er ist nichts Besonderes, nicht unfreundlich, nicht freundlich, ein wenig kriecherisch, tänzelnd. Kein Klischeebibliotheksmitarbeiter, aber wenigstens ein Charakter. Er ist eindeutig am Gespräch der Herren interessiert, wenn er nicht gerade wichtige Leute mit noch wichtigerer Miene empfängt und dienert. Ich habe mir die Handlung spontan in die British Library hineingedacht, musste nach einigem Nachdenken aber feststellen: London is not Dublin. Schade, ich dachte, ich hätte zum ersten Mal selbst etwas festgestellt.


    Aber es geht um Shakespeares Privatleben, dass sich angeblich in seinen Werken manifestiert. Homosexualität, Promiskuität ... Ich denke, die Herren spekulieren hier. Mehr bleibt nach so langer Sicht auch nicht übrig, man kann nicht fragen. Einen wichtigen Satz fand ich dazu: wenn wir das Stück lesen, was schert uns das Leben des Autors (S. 258 ). Hat Joyce hier gegrinst, als er dies schrieb? Es passt zu seiner Unsterblichkeitsabsicht, die sich mit Ironie dem Literaturbetrieb gegenüber paart. Überhaupt finde ich, macht er sich hier im ganzen Kapitel über die Literaturbeflissenen lustig, die das Dichteriche Ich mit dem Autor ersetzen und in jedem Wort autobiographische Angaben suchen. Ich vermute hier eine kritische Haltung von Joyce. Ich stehe solchen Dingen jedenfalls skeptisch gegenüber. Das Privatleben Shakespeares interessiert mich ebensowenig wie das des James J. Ich bevorzuge es, deren Werke auch ohne ausführliche Kenntnisse in Bezug auf Sexualität und Familienstand zu lesen, das macht freier und unterbindet Spekulationen und Vorurteile, bei mir jedenfalls.


    Aber einen Homowitz habe ich doch herausgelesen: Moore als Hafer, Martyn der sticht (S. 263). Habe ich das recht verstanden? Bin jedenfalls ganz rot geworden.


    Ferner tritt Malachi Mulligan wieder auf, noch immer witzig, noch immer lästernd. Was hat er eigentlich die ganze Zeit gemacht? Gebadet? Stephen jedenfalls ist in diesem Kapitel deutlich sicherer, im Gebiet der Literatur scheint er sich auszukennen und ein wenig Witz legt er auch an den Tag, als er seine eigene Theorie als nicht glaubhaft bezeichnet (S. 291). Führt er die Herren an der Nase herum und dem Leser vor?


    Schöne Wendungen: die sich in die Vergangenheit stürzende Zukunft (S. 255). Sehr treffend! Dann das phantastisch kurzsichtige Volk (S. 256), was mich sehr stark an meine sächsischen Vorfahren erinnert, die sich auch immer auf die falsche Seite geschlagen haben. Aber mit den Sachsen hatte Joyce sicher weniger am Hut. Am ehesten noch mit den Angelsachsen. Das Konzentrationslager ist mir auch aufgefallen. Der verwickelte Glühwurm einer Lampe (S.260). Die eingesargten Gedanken (S. 264). Ein herausgezupftes Herz (S. 279).


    Was mir noch aufgefallen ist: Eliza Tudor, die von mir hoch verehrte Königin, wird als Halsabschneiderin bezeichnet. Frechheit!


    Fragen, die ich mir nach der Lektüre stelle:
    Was ist ein Geist (S. 257)?
    Ist der Körper, der täglich neu gewoben wird noch der Körper, in dem man geboren wurde (S. 265)?
    Kann man(n) ein Kind lieben, deren Mutter man nicht liebt (S. 267)?
    Was ist eigentlich Liebe, die nicht wagt, den eigenen Namen zu nennen (S. 276)?
    Was ist ein Name (S. 285)? Mag ich den meinen eigentlich wirklich?


    Erstaunlich, welch aktuelle Themen und Fragen sich aus dieser doch etwas älteren Lektüre ergeben können. Wirklich erstaunlich. Und wie schön Joyce es doch immer wieder schafft, meine Gedanken beim nachlesen ebenso wild wuchern zu lassen wie die seinen. Wäre ich ein Arno, ich würde langsam auch ein Buch in dem Stile schreiben wollen.


    Liesbett