'Ulysses' - 10 Irrfelsen - Straßen

  • Aaaah - ausgerechnet das Kapitel "Irrfelsen" hat mir bisher mit Abstand am besten gefallen.


    Diese Momentaufnahme von einem Kaleidoskop aus Dubliner Einwohnern, was sie alle zu einer bestimmten Uhrzeit tun, wie sich Wege kreuzen oder auch nicht, Handlungen überschneiden, Blickwinkel ändern, toll! Das große Dublin wird zum Mikrokosmos unter der Lupe :anbet

  • Zitat

    Original von milla
    Diese Momentaufnahme von einem Kaleidoskop aus Dubliner Einwohnern,


    Das hat mir auch besonders gut gefallen.


    Außerdem gefällt mir, dass auch mal Stephens Familie eine größere Rolle spielt: sein Vater Simon und seine Schwestern Dilly, Katey, Boody und Maggy.
    Ganz schön frech, wie Dilly ihren Vater ums Geld erleichtert. :grin


    Stephen selbst begegnet nur seiner Schwester Dilly. Immerhin, denn sonst kommt er mir geistig immer so abgehoben vor, als wäre er alleine auf der Welt.

  • Ja, stimmt, dieses Kapitel hat mir auch gut gefallen!
    Allerdings muss ich sagen, dass ich mit den ganzen Personennamen immernoch nicht so zurechtkomme...
    Besonders gut gefallen haben mir die Beschreibungen rund um Bucks und Haines Tee trinken. Essen beschreiben gehört zu Joyce großen Stärken :grin


    Dieser Abschnitt erscheint mir so als eine Art Ruhe vor dem Sturm. Oder wirkte er nur so erholsam, weil der vorige Abschnitt so schwierig war?


    [SIZE=7]Irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir die anderen abgehängt haben... ;-)[/SIZE]

  • Zitat

    Original von Jeanne
    Dieser Abschnitt erscheint mir so als eine Art Ruhe vor dem Sturm. Oder wirkte er nur so erholsam, weil der vorige Abschnitt so schwierig war?


    Nachdem ich die erste Seite des nächsten Teil schon gelesen habe, denke ich eher Ruhe vor dem Sturm :cry


    Dieser Teil war, wie milla schon beim Mutmachen schrieb wirklich der bisher schönste. Ich habe mich richtig gewundert, wie geradlinig Joyce hier geschrieben hat. Ein Sammelsurium kleiner Geschichten und Eindrücke einer bestimmten Stunde eines bestimmten Tages in Dublin.
    Ich meine, der kam schon mal vor aber, dieser Name ist doch wirklich die Krönung


    Cashel Boyle O´Connor Fitzmaurice Tisdall Farrell :lache


    Auch die immer wieder auftauchenden H.E.L.Y.´S. gefallen mir.

  • Ja, dieses Kapitel ist sehr verständlich. So verständlich, das ich tatsächlich Probleme hatte, hinein zu kommen, so sehr suche ich schon nach Stoplersätzen, Wortfetzen, undeutlichen Bedeutungen ... :grin


    Die Dubliner haben mit gut gefallen, aber vor allem die Art, wie Joyce alle miteinander verknüpft, wie in diesen ganz speziellen Filmen, wo alles zusammen hängt und sich diese Verbindungen erst nach und nach zeigen. Ich las den Vizekönig im letzten Abschnitt als verbindendes Element, eine Aufzählung aller anwesenden Leute mit gleichzeitiger Beschreibung ihrer Taten und Gedanken in genau jenem Moment, als der Herr vorbei fuhr. Ein eleganter und runder Abschluss des gesamten Kapitels.


    Und, wie immer, die Details und kleinen humoristischen Spitzen: ein mit Sonne statt mit Almosen segnender Pater (S. 297), den Bürgersteig entlangsegelnde Personen (S. 299), halbe Beichte bei halben Sünden (s. 303) ... Am eindrücklichsten fand ich den Satz, in dem es um den Waffengang geht, der die Frauen zu Mädchen, Weib und Witwe an einem Tag macht (S. 302). Wie immer: lapidar aber wahr.


    Ansonsten, die Personen gewinnen in diesem Kapitel sämtlich an Charakter: der spitzbübische Blazes Boylan, ein Schwerenöter, wie mir scheint. Molly, die manchmal etwas zu viel trinkt und sich dann von Fremden befummeln lässt und den armen Bloom bloßstellt. Und ja, Dilly, die ihren Vater sehr gut kennt, den ich im übrigen sehr ironisch und irgendwie sympatisch finde. Sie ist ebenfalls ein wenig spitzbübisch und weiß, wie sie ihren Vater herumbekommt. Ein wenig wie die kleinen Mädels, wenn sie ihren Vätern mit treuen Blicken und klimpernden Wimpern und einem "Bittööö" sämtliche Versprechen abnötigen. Und auch ich hatte den Eindruck, dass Stephen anders als seine Geschwister ist. Verkopfter, nicht ganz so simpel und laut wie seine Schwestern. Er denkt an mehr als nur an Geld und Essen. Und ich hatte den Eindruck, dass er sich ein wenig um Dilly sorgt und sie mag, bzw, dass sie ihm leid tut. Vielleicht ist sie ihm ähnlicher wie die Anderen. Vielleicht lese ich da aber nur etwas hinein.


    Joyce hat hier auch den Trick, innerhalb eines Kapitelabschnitts mit einer allgemeinen Beschreibung einer Person anzufangen und diese im Laufe des Textes immer mehr in die gedankliche Ich-Position zu verwandeln. Bei Patrick Dignam war das der Fall. Machte er das früher schon und ich bin jetzt erst darauf gestossen? Oder war es einfach nur besonders deutlich? Der Abschnitt hat mir jedenfalls gut gefallen. Das Unentschiedene zwischen dem Verstehen, dass der Vater tod ist, Trauer und Erleichterung und Freude darüber, nicht in die Schule zu müssen.


    Auffällig war auch das immer wieder betonte Grüßen des Paters im ersten Abschnitt, das Wiedergegrüßt werden, das zurückgrüßen, hin und her. Macht sich Joyce hier lustig? Wenn ja, worüber? Über die Praxis der Anerkennung des Geistlichen? Und was sind eigentlich H.E.L.Y.'S?


    Witzig: DBC. Dublins beschissenste Conditoreiwaren. :lache


    Es macht tatsächlich Spaß.


    Liesbett

  • Zitat

    Original von Liesbett
    Und was sind eigentlich H.E.L.Y.'S?


    Ich glaube, die H.E.L.Y.S. sind 5 Männer mit weißen Hemden und Zylindern, auf denen je einer dieser 5 Buchstaben in Scharlachrot steht und die vermutlich als lebende Litfaßsäulen Werbung für eine Firma Namens "Wisdom Helys" machen.


    Schon in Laistrygonen begegnet Bloom diesen Helys und da war es Y., der etwas nachschwänzte.
    Da hieß es dann wohl H.E.L.S. Y. :lache

  • Die fünf Männer haben sich zu Werbezwecken immer in eine Reihe aufgestellt und so das Wort HELYS gebildet.


    Wenn aber der Mann mit dem Buchstaben Y aus der Reihe tanzt, verändert sich das Wort.


    H.E.L.S.Y. ist zwar kein Wort, aber ich fand es phonetisch irgendwie witzig!

  • Okay. Ich sah auch eine Schar weißbehüteter Männer vor mir, mit roten Nasen und einem etwas Kleineren, der hinterher stolpert. :grin
    Darünerhinaus habe ich gedacht, Helsy hat vielleich noch eine tiefergehende, vermutlich zutiefst ironische Bedeutung, aber mein Wörterbuch (30x15 cm) gibt leider nichts her.