'Ulysses' - 16 Eumaios - Kutscherkneipe

  • Dieses Kapitel hat nach den Anstrengungen des letzten Kapitels eine erholsam verständliche Sprache, das gerade deswegen Spass macht.


    In der Kutscherkneipe herrscht eine ganz besondere Atmosphäre: hölzernes Bauwerk, diskrete Ecken, eine Gesellschaft von Strolchen und Vagabunden.


    Bloom bestellt mit charakteristischen sangfroid (lt. Kommentar frz. kühles Blut): Tolles Wort, kannte ich bisher noch nicht.


    Stephen und Bloom diskutieren auf hohen Niveau, z.B. über Sprache und Klänge. Überraschend, Stephens negative Einstellung: Klänge sind reiner Betrug. Genau wie Namen!


    Dann werden Stephen und Bloom in ein obskures Gespräch mit dem aufschneiderischen Matrosen Murphy verwickelt, der tolle Stories über Buffallo Bill, von Menschenfressern und Chinesen mit Wunderpillen sowie einem Mord in Triest erzählt.
    Nach dem ganzen Semannsgarn wird aufgrund Murphys Unkenntnis über den Felsen von Gibraltar über seinen Beruf, seine Glaubwürdigkeit und sein Geisteszustand angezweifelt. Zu Recht, denke ich, obwohl schon in Kap. 3 ein Schiff auftaucht, auf dem Murphy gewesen sein könnte. :gruebel


    Bei einen folgenden Hinweis auf Knastinsassen und deren Diziplinierung durch Tretmühlen musste ich an unsere Leserunde Miss Emily Paxton von Peter Prange denken. Dort musste der Protagonist genau in so einer Tretmühle im Gefängnis leiden.


    Es gibt laut Kommentar Anspielungen auf Joseph Conrad und tatsächlich erinnert mich dieses Kapitel stilistisch an manche Romane von Joseph Conrad, den ich sehr gerne lese und dessen Bücher oft auf Schiffen und von Seemännern handeln.


    Bei den langen, etwas langweiligen Abschnitten über den Politiker Parnell und dessen Affäre frage ich mich, ob das wirklich so ausführlich geschildert werden musste. Wieso hat das so eine große Bedeutung für Stephen und Bloom.


    Insgesamt ist das Kapitel aber sehr stark, vor allem weil Stephen und Bloom im Duo für mich die Grundlage des Romans bilden.

  • Ich kann dir nur zustimmen, das war ein tolles Kapitel, so schön rational und verständlich im Vergleich zum vorhergehenden. Manche Sätze waren dann aber so lang geraten, dass ich am Ende nicht mehr wusste, was am Anfang stand und alles nochmal gelesen hab. Auch nicht schlimm.
    Bloom ist weiterhin sehr fürsorglich und macht sich viele Gedanken über Stephen. Es macht ihn schon ziemlich sympathisch, aber andererseits...ist es für Stephen nicht auch ein bisschen nervig, so einen "alten Knacker" an seiner Seite zu haben, einen Aufpasser? Aber naja, in seinem Zustand ist ihm wohl alles egal.
    Ich musste bei der Erwähnung der Tretmühlen auch gleich an Miss Emily Paxton denken. Das war dort schon sehr eindrücklich beschrieben.


    Zitat

    Insgesamt ist das Kapitel aber sehr stark, vor allem weil Stephen und Bloom im Duo für mich die Grundlage des Romans bilden.


    :write :write :write
    Ich finde er hat die Beziehung der beiden, vorallem in den letzten paar Kapiteln, sehr schön beschrieben. Es gibt dem Buch irgendwie nocheinmal eine andere Grundstimmung, eine andere Tiefe...

  • Zitat

    Original von Jeanne
    Bloom ist weiterhin sehr fürsorglich und macht sich viele Gedanken über Stephen. Es macht ihn schon ziemlich sympathisch, aber andererseits...ist es für Stephen nicht auch ein bisschen nervig, so einen "alten Knacker" an seiner Seite zu haben, einen Aufpasser? Aber naja, in seinem Zustand ist ihm wohl alles egal.


    Der greise Bloom im biblischen Alter von 38 Jahren :grin nimmt jetzt noch sozusagen Vaterrolle bei Stephen (22) ein, aber wie das nächste Kapitel zeigen wird, in dem Stephen und Bloom miteinander reden, besteht die große Möglichkeit, dass eine echte Freundschaft zwischen den beiden entstehen kann, dass sie sich wiedertreffen und von ihrer Freundschaft profitieren werden. :-]

  • Jaja, 38 ist nicht alt, aber wenn ich mir vorstelle, ich (selbes Alter wie Stephen :grin) würde mit jemand 38jährigem abends weggehen...seltsame Vorstellung. Nichts gegen 38jährige... :lache
    Aber ja, ich hoffe doch, dass sie sich richtig anfreunden, bis jetzt finde ich das nächste Kapitel höchst amüsant. Könnte mir aber vorstellen, dass mir die Schreibweise bald auf die Nerven geht. Aber das gehört ja nicht hierhin.

  • Achtung, es geht nicht um Freundschaft, das ist zu modern gedacht.
    Es geht um Vatersuche und Sohn-Suche.


    Darum geht es auch in der Odyssee. Das ist eines der Grundthemen und es ist wichtig.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ein angenehm zu lesendes Kapitel, in dem sich Bloom mit dem betrunkenen Stephen in eine Kutscherkneipe begibt und dort so gut es geht philosphiert. Bloom bemüht sich um Stephen, möchte seine Meinung zu allen möglichen Themen hören, man bekommt den Eindruck, er betrachte ihn wohlwollend (wie den Sohn, den er zu früh verloren hat). Stephen scheint der Umgang etwas unangenehm oder zumindest ist er nicht ganz so euphorisch. Dennoch nimmt er Blooms Angebot an, bei ihm zu übernachten. Für mich ein schönes Kapitel, nicht zuletzt wegen der skurrilen Figuren, die hier wieder auftauchen, allen voran der alte Seemann, der die dollsten Geschichten erzählt und der Atmosphäre in der Kutscherkneipe, die absolut realistisch vor meinem inneren Auge auferstanden ist.


    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Bei den langen, etwas langweiligen Abschnitten über den Politiker Parnell und dessen Affäre frage ich mich, ob das wirklich so ausführlich geschildert werden musste. Wieso hat das so eine große Bedeutung für Stephen und Bloom.


    Also für Bloom ganz sicher, schließlich kennt er Affären ja nur zu gut aus seiner eigenen Ehe...

  • Zitat

    Original von Jeanne
    Herr Palomar
    Gerade etwas gesehen: Täusche ich mich, oder bist zufällig gerade 38? :lache Was für ein Zufall. :grin :grin


    :lache



    Zitat

    Original von magali
    Achtung, es geht nicht um Freundschaft, das ist zu modern gedacht.
    Es geht um Vatersuche und Sohn-Suche.
    .


    Da stimme ich hundertprozentig zu, aber da Bloom und Stephen ihre Rollen ja freiwillig ausfüllen, denke ich, dass auch gewisse freundschaftliche Gefühle dabei sind. Ich glaube für Buck Mulligan hätte sich Bloom nicht so eingesetzt wie für Stephen.
    Bloom sagt zu Stephen auch seine Meinung über Buck Mulligan:
    "Ich persönlich würde diesem Zechkumpan von Ihnen, den Doktor Mulligan, weder als Führer noch als Philosophen, noch als Freund besonders viel Vertrauen schenken, wenn ich in Ihren Schuhen steckte. Der weiß genau, auf welcher Seite sein Brot gebuttert ist, obwohl er aller Wahrscheinlichkeit nach niemals am eigenen Leibe erfahren hat, was es heißt, ohne regelmäßige Mahlzeiten zu sein."



    Zitat

    Original von milla
    Das hört sich doch gut an (auch wenn ich nur überflogen habe, denn) morgen begebe ich mich auch in die Kutscherkneipe! :wave


    Milla, lass dich aber nicht von Matrosen anquatschen! :lache :lache

  • Wenn ich gewusst hätte, dass sich dieser Teil soviel einfacher lesen lässt, dann hätte ich das Buch nicht so lange liegen lassen. Aber das Kapitel im Bordell hatte mich echt fertig gemacht.
    Die Geschichten von Murphy halte ich auch für Seemannsgarn. Die Story mit der Tätowierung habe ich schon mal so ähnlich gehört/gelesen/gesehen, irgendwie klingelt da was ganz weit hinten im Kopf.
    Ich fand die Abschnitte über Parnell besonders interessant und werde gleich mal bei Wiki nachschauen. Ich war ja schon ein mehrfach in Dublin und kann mich gut an die Statue auf der O`Conell Street erinnern.

  • Danke, milla :kiss
    den letzten Teil habe ich mir für nächstes Wochenende vorgenommen. Ich freue mich schon darauf, ich habe ihn ja schon einmal gelesen, das ist aber laaange her.