Der Gang zum Psychologen/Psychiater - Ein Problem unserer Zeit?

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    Original von Alexx61
    Ja, nehmen wir z.B. mal Depressionen..nehmen wir das nicht mehr moderne Wort endogene Depression...da hilft dir kein Psychiater, ausser mit Medikamenten, aber das Problem an sich bekommt er nicht weg, auch nicht durch tausend Sitzungen...früher nannte man diese Menschen "melancholisch" ja...man hat es hingenommen.


    Und man lie´den "Melancholiker" links liegen, war eh zu nix zu gebrauchen, bis er dem Elend selbst ein Ende machte oder in den "Turm" abgeschoben werden konnte.



    Zitat

    So und dann haben wir eben die Problemchen, was das Leben an sich betreffen....ja was macht ein Psychotherapeut, ein Analytiker??
    Er spricht mit dir, er gibt dir die Antworten, die du eh schon in dir hast..mehr ist es nicht.
    Und oft, hilft, wie Iris schon sagte, mal ein Tritt in den Hintern oder eben ignorieren....wenn z. B. jemand psychosomatische Erkrankungen zeigt.


    Wenn es wirklich so wäre, brächten wir keine Therapeuten.


    Allerdings hat ein guter Therapeut mehrere groß Pluspunkte:


    Er hört nicht nur zu, sondern beobachtet auch.
    Er gibt keine Antworten, sondern stellt Fragen.
    Er hat keine emotionale Bindung an sein Gegenüber
    Er kann Reaktion provozieren ohne sich davon treffen zu lassen.
    Er nimmt sich eine festgelegte Zeit ausschließlich für sein Gegenüber.


    All dies kann kein Familienmitglied/Freund usw., denn wer von diesen kann behaupten, sich ganz zurücknehmen und in eine neutrale Rolle versetzen zu können. Die allerwenigsten, denn es besteht immer ein meist unbekanntes Beziehungsgeflecht.


    Zitat

    So, zum gesellschaftlichen Problem...was ist mit Bulimie und Co...gabs das schon immer?? und so gehäuft, nee, da hat Heaven recht, wenn sie sagt, es herrscht zur Zeit ein ungeheurer Druck auf jedem, Normgerecht zu sein.
    Was ist die Norm??
    Aber letztendlich hilft da auch keine Therapie, oder?


    Die ganzen Problem gab es IMHO schon immer, mal hießen die Therapeuten Schamanen, Medizinmänner, mal Priester und dann gab es die Zeit, in der Leiden für den Menschen im Leben danach das Paradies bedeutete.
    Oder die Probleme wurden ignoriert, soll doch der Betroffene sehen, wie er zu recht kommt,. Schließlich hat jeder sein Päckchen zu tragen, oder??
    Auch sollte man bei der Frage "gabs das schon immer?? " bedenken, seit wann wir wirklich nachfragen, ob etwas so sein muß, wie es ist. Und was ist mit der Lebenserwartung?? Wenn Menschen nur 30 - 40 Jahre alt werden, ist die Entwicklung auch anders. Oder gab es schon immer bis zum 14 Lebensjahr für Kinder die Möglichkeit Kinder zu sein??


    Nur weil wir heute Probleme beim Namen nennen und teilweise Hilfen bei der Lösung haben, heißt nicht, das es die Probleme nicht schon immer gibt, aber nciht mit den besten Lösungen.


    Dass es auch hier, wie auf vielen Gebieten Modetherapeuten und -Therapien gibt bestreitet wohl niemand. Nur sollte man die 10 % nicht überbewerten und als Maßstab für alles nehmen.


    Wenn Menschen sich professionelle Hilfe bei Lebensproblemen holen und das auch noch zugeben , scheint das ein geselslchaftliches Problem zu sein?? Warum eigentlich. Kein Mensch hinterfragt, ob Deo's sinnvoll sind oder Slipeinlagen, ob elektrische Küchenmesser oder Spülmaschinen, wie sich regelmäßige Kinobesuche oder künstliches Licht auf den Menschen auswirken.


    LG Dyke - der für sich erkannt hat, das er vieles, aber nicht alles kann und das, was er kann oft nur stümperhaft, da er sich nciht für alles die notwenige Zeit nehmen kann.
    Ich kann Haare schneiden, bin aber kein Firsör
    Ich kann kochen,m bin aber kein Koch
    Ich kann einen Waschbeckenabflußrohr ersetzen, bin aber kein Klempner.
    Ich kann zuhören und Rat"SCHLÄGE" geben, bin aber kein Psychotherapeut

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Sind Heike und ich eigentlich die einzigen, die aus persönlicher Erfahrung sprechen? Haben wir Psychologen, Psychotherapeuten oder Psychiater unter uns? <ruft nach Delphin> Trauen sich andere nur nicht zu sagen, daß sie schon mal einen Psychologen, Psychotherapeuten oder Psychiater zu Rate gezogen haben? Oder sind das alles Meinungen, zu denen es weder persönliche noch berufliche Erfahrungen gibt, sondern nur, was man so hört, sieht und liest?


    Die Frage ist ernst gemeint! Denn die Meinungen der bislang einzigen beiden Personen mit persönlichen Erfahrungen auf diesem Gebiet wurden schlicht und einfach vom Tisch gewischt.

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    Original von dyke


    Dass es auch hier, wie auf vielen Gebieten Modetherapeuten und -Therapien gibt bestreitet wohl niemand. Nur sollte man die 10 % nicht überbewerten und als Maßstab für alles nehmen.


    um hauptsächlich die ging es aber im Ausgangsfred...und eine Depression, die z.B, durch den Tod eines Angehörigen ausgelöst wird, zähle ich dazu...eben weil es heute nicht mehr IN ist, zu trauern...man muss das therapeutisch abarbeiten (Ist überspitzt gesagt.)


    Zitat

    Kein Mensch hinterfragt, ob Deo's sinnvoll sind oder Slipeinlagen, ob elektrische Küchenmesser


    und ob das hinterfragt wird...nur wirst du eben als hinterwäldlerisch abgestempelt, wenn du das hinterfragst, bzw. nicht mitmachst.


    Und Ratschläge, gibt kein Therapeut..das wissen wir alle...er stellt Fragen. spiegelt, geht u.U. auf Konfontation..hat eben seine Tricks..alles Mögliche wie du ja schon anmerktest...und der Betroffene git sich selbst die Antworten...


    Und dennoch, ist doch schön mal darüber geredet zu haben.
    Und die Eingangsfrage ist schon berechtigt, wie ich finde...denn nicht alles, was gerade IN ist, muss auch unbedingt ein MUSS sein.

  • @ Ines: BJ ist auch Betroffene, kann daher aus eigener Erfahrung sprechen.


    Ich selbst habe bisher nie eine Therapie benötigt, hatte aber eine Zeitlang jemanden, der diese Reflexion übernommen hat, der selbst Laie ist. In der Zeit habe ich genau das gebraucht und war froh, dass er für mich in dieser Art und Weise da war.


    Ich bin mir sicher, dass ich die professionelle Hilfe in Anspruch nehmen würde, wenn ich es für erforderlich hielte.


    Ich schiebe mein Auto ja auch nicht, nur weil ich selbst die Reparatur nicht hinkriege, es aber benutzen muss.


    @ Pelican: Ja, so ging es der Person auch, von der ich sprach. Zwar nicht so schlimm, dass sie das Haus nicht mehr verlassen konnte, aber alles außerhalb der Routine war beängstigend für sie.

  • Hallo, Iris,


    wenn es dich interessiert...



    Ich bin mit *rechne* 15 Jahren in einem Jugendheim 1-2 Wochen lang von mehreren Psychologen "untersucht" worden. Allerdings fand ich mich damals nicht krank, und die Psychologen anmaßend. Mit der einen habe ich mich auch mehr über ihren Beruf unterhalten. "Was glauben Sie eigentlich, was ich Ihnen erzählen werde? Für Sie bin ich doch nur eine Nummer, wenn Sie Nach Hause gehen, haben Sie mich eh vergessen." Darüber haben wir uns dann unterhalten. Genauso wollte ich klarmachen, dass ich kein Muster BIN. Habe ich sogar geschafft, meine Erfahrungen entsprachen nicht meinen Einstellungen.


    Ein Jahr später habe ich die Sache schon anders gesehen. Meine Mutter hat mir verraten, dass meine Gehirnströme schon als Kind nicht "normal" waren, sondern an einer Grenze und dass sie befürchtet, damals die falsche Entscheidung getroffen zu haben. Mein Freund hat mich monatelang bearbeitet zu erkennen, dass bestimmte Verhaltensweisen von mir einfach zu extrem sind. Dasselbe sagten auch wieder meine Eltern. Den letzten Anstoß hat mir ein Freund gegeben, er hat mir Symptome eines Krankheitsbildes gegeben... ich war zutiefst erschrocken. Ein Satz bewahrheitet sich immer wieder: Erstes Symptom einer Erkrankung ist meistens, resolut abzustreiten, dass man krank ist.


    Kurz darauf hatte ich extreme Angst vor mir selbst, davor, dass ich mir etwas antue [das ist kein Witz und keine Dramatik]. Ich bin 6 monatelang zu x Psychologen und psychatrischen Anstalten gelaufen, auch zu Beratungsstellen. Ich wollte Hilfe. Und die Ironie? Dass ich von mir aus Hilfe wollte, kam den Leuten zu normal vor. Ich bin mit allem abgewimmelt worden, von "Sie sind nicht unser Einzeugsgebiet" bis "Momentan habe ich keinen Platz mehr für weitere Patienten". In einem Fall hat die Frau sogar aufgelegt, sie habe keine Zeit, ich soll später wieder anrufen. DAS hat mich wirklich verletzt. Ich hab dann schießlich herausgeschrien, ob ich mir erst die Pulsadern aufschneiden müsste, damit mir jemand glaubt. Damit habe ich aber auch nur die Menschen in meinem Umfeld schockiert und das natürlich nicht getan. Meine Mutter hat mitgesucht, ein Freund von mir auch... Nach 6 Monaten habe ich es aufgegeben.


    Bis heute wäre es mir lieber gewesen, die Dinge aufzuarbeiten. Aber ich habe es geschafft, damit klarzukommen, indem ich mir Verhaltensmuster bewusst machte. Und einiges unter "akzeptieren" verbuchte. Eigentlich lebe ich auch damit gut, nur zuviel Alkohol darf ich nicht trinken, was dann nämlich hoch kommt, ist alles andere als lustig.

  • Ich hatte auch mit 15 eine Psychologin bei mir, die aufgrund eines Hinweises der Schule bei uns auftauchte und mich mit einem IQ-Test für Erwachsene 6 Stunden unterhielt (ich durfte Wissensfragen beantworten und nette Bildchen malen). Als ich dann mit Puppen eine Familienszene darstellen sollte, weigerte ich mich allerdings mit dem Kommentar, dass mit Puppen zu spielen viel zu kindisch sei. Das hat sie wohl etwas schockiert, aber das Gutachten war wohl doch ganz positiv für die Familie.
    Das Apfelbaumbild hat sie allerdings behalten.

  • Zitat

    Original von Iris
    Sind Heike und ich eigentlich die einzigen, die aus persönlicher Erfahrung sprechen? Haben wir Psychologen, Psychotherapeuten oder Psychiater unter uns? <ruft nach Delphin> Trauen sich andere nur nicht zu sagen, daß sie schon mal einen Psychologen, Psychotherapeuten oder Psychiater zu Rate gezogen haben? Oder sind das alles Meinungen, zu denen es weder persönliche noch berufliche Erfahrungen gibt, sondern nur, was man so hört, sieht und liest?


    Ich lese nur mit, weil ich an meiner Diplomarbeit schreibe und wenn ich hier einmal anfange, dann höre ich so schnell nicht wieder auf. :lache

  • Ich wollte mal Patientin werden, weil ich massive Störungen des Vegitativen Nervensystems hatte...Hyperventiliert, Panikattacken...
    Die Psychotherapeutin riet mir zum Jobwechsel (ich war selbstständig) - und he, ich sags euch mal : das wusste ich vorher schon, dass das daran lag! Da war ich 22 Jahre alt.
    Ausserdem kenn ich das von meiner Mutter - leider suhlt sie sich in ihrem - vermeintlichen - Elend zu gerne, als dass sie irgendeinen Nutzen aus der Therapie ziehen konnte.

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    Sind Heike und ich eigentlich die einzigen, die aus persönlicher Erfahrung sprechen?


    ICH hab mich ja wohl zu erst geoutet.... muffelig aus dem Fred verschwindet. :fetch

  • Zitat

    Original von Babyjane


    ICH hab mich ja wohl zu erst geoutet.... muffelig aus dem Fred verschwindet. :fetch


    :knuddel BJ laß Dich mal drücken, ich fand das sehr hilfreich, daß Du so engagiert in den Fred reingegangen bist. Ich bin zwar nicht sauer über das, was ich zum Teil an Ignoranz lesen mußte, aber ziemlich schockiert. :knuddel

  • Ich glaube allerdings, dass es auf den Menschen und die Situation ankommt. Meiner Freundin konnte nach einem Selbstmordversuch, verbunden mit einer Tablettensucht, ein Therapeut helfen. Denn hier ist die phsychiatrische Hilfe schnell zur Stelle, wenn sie gebraucht wird und der Patient diese Hilfe auch annehmen will. Es hat bei ihr etwa ein Jahr gedauert, bis sie das eigentliche Problem erkannte und sich dem auch wirklich gestellt hat. Aber sie ist heute gesund.


    Ich habe damals einfach nur zugehört. Die professionelle Hilfe hätte sie von mir niemals bekommen können, weil ich eben diese Ausbildung nicht habe. Diese Mischung tat ihr gut und für mich ist die Tatsache, dass sie wieder gesund wurde, einfach nur schön.


    Es gibt Dinge im Leben eines Menschen, da braucht man jemanden zum Reden, aber auch jemanden der einem den Weg aufzeigt, den er begehen kann.


    Den zweiten Weltkrieg und seine Auswirkungen muss man etwas anders sehen. Damals gab es nicht genügend professionelle Hilfe, die auch bezahlbar war. Meine Mutter, die den Krieg als junge Frau und Mutter kleiner Kinder erlebt hat (ihr erster Mann fiel in Russland), sagte einmal zu mir: es ist gut, dass ich später deinen Vater kennengelernt habe. Wir beide haben uns gegenseitig sehr geholfen. Beide hatten ihre schrecklichen Erlebnisse, die sie aber miteinander teilen konnten. Beide konnten sowohl zuhören, als auch trösten.


    Und ich glaube auch, dass Vergewaltigungsopfer und Menschen, die einer Gewalttat ausgesetzt wurden, professionelle Hilfestellung brauchen, damit sie wieder ins Leben zurückfinden können.

  • ich bin gerade in der ausbildung zur kinder- und jugendlichenpsychotherapeutin.


    um ehrlich zu sein, schleiche ich schon seit einigen stunden um diesen fred rum, schreibe etwas, verwerfe es wieder, will auf zig sachen, die angesprochen worden, eingehen und schaffe es dann aber nicht wirklich, das komplex irgendwie zum audruck zu bringen, was ich sagen will.
    ich bin sehr geschockt über einige ansichten hier und kann gerade jetzt nicht fassen, dass jemand, der beruflich damit zu tun hat, etwas "vom tritt in den arsch" schreibt bei psychosomatischen erkrankungen und depressionen als melancholie abtut. ich hoffe, alexx, du bist nicht psychologe :-( . das meine ich übrigens ernst, eine solch unsensible und herabsetzende einstellung kann solche verheerenden auswirkungen bei betroffenen haben, dass ich gar nicht daran denken mag.
    ich kann babyjanes entrüstung gut machvollziehen und teile im wesentlichen beatrix auffassung.


    lg inga