Der Gang zum Psychologen/Psychiater - Ein Problem unserer Zeit?

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    Original von Nicole
    da hast Du wohl wirklich einen empfindlichen Nerv getroffen... :grin


    *hüstel* :grin


    Zitat

    (mir drängt sich aber trotzdem die Frage auf, WARUM es SO hitzig abgelaufen ist, und was Freud und Jung da rausanalysieren würden...


    klare Sache..bei den Frauen Penisneid, bei den Männern Ödipuskomplex..was sonst :grin


    Zitat

    (die mal bei allem Respekt für das Thema und Auch-Betroffenheit mal ein bissi Humor braucht)


    Damit lässt sich im Leben eh sehr, sehr viel meistern..mehr als mit Grübeleien und Betroffenheitgehabe

  • Zitat

    warum das denn??? :wow


    Beide Fälle haben körperliche Schmerzen ohne organische Ursache entwickelt (ähnlich rheumatischer Beschwerden in einem Fall, nachweisbare Herzattacken im anderen Fall). Über das ständige Reden über ihre Beschwerden versuchten sie Aufmerksamkeit, Mitleid und Zuwendung auf sich zu ziehen (trotz liebevoller Familien), d.h. jeder der mit Ihnen über die körperlichen Beschwerden gesprochen hat, gab ihrer psychischen Erkrankung praktisch "Nahrung" (ähnlich wie bei einem Alkoholiker). Daher galt gemäß der Therapeuten als Verhaltensweise, die die Betroffenen wirklich unterstützt, ihr Problem anzugehen, gar nicht nach den Beschwerden zu fragen und sobald der Betroffene von allein von den körperlichen Schmerzen anfängt, das Gespräch über die Schmerzen eher zu unterbinden. Über andere Themen durfte durchaus gesprochen werden, durchaus auch über Erfahrungen, die in Verbindung mit der Krankheit standen. D.h. wenn die Betroffenen mir "Lernerfolge" aus der Arbeit mit dem Therapeuten berichten wollten, war das durchaus i. O.. Im Rahmen der Aufarbeitung haben beide gelernt, wo bestimmte Verhaltensweisen, aber auch bestimmte Ängste etc. herrühren und sind schon seit einigen Jahren genesen.

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    Original von Pelican
    Als Vorgesetzte hätte ich mich übrigens in zwei Fällen auch vollkommen falsch verhalten.


    Die Erfahrung habe ich auch gemacht. Ich wollte in bester Absicht eine Mitarbeiterin aus dem Arbeitsumfeld herausholen, in dem sie krank geworden war, um ihr Abstand zu verschaffen - doch es stellte sich heraus, dass sie genau dieses vertraute, strukturierte Umfeld brauchte, um ihre Krankheit anzugehen. Das konnte ich mit meiner Laienpsychologie nicht ahnen, und ich fand es jeweils extrem hilfreich, in solchen Situationen den Rat von Profis einholen zu können. Gerade wenn von mir als Vorgesetzter ein wie auch immer geartetes Eingreifen erwartet wird.

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Ok, etwas spaet um in diese Diskussion einzusteigen. Moechte aber noch einen anderen Gedankengang anfuehren, der bisher nur sehr kurz angesprochen wurde.


    Es ist naemlich oft nicht "Der Gang zum Psychologen - ein Problem der heutigen Zeit" sondern das Nicht-Behandeln von psychischen Stoerungen, das zu weiterreichenden Problemen fuehrt.


    Psychosomatische Krankheiten wurden schon kurz angesprochen. Was die dem Gesundheitssystem kosten, ist nicht ohne! Und es sind wirklich keine eingebildeten Dinge sondern eindeutig organische Komplikationen von urspruenglich rein psychischen Stoerungen. Da werden letzlich nur Symptome eines komplexen Krankheitsbildes behandelt, oft aber nicht die Ursachen. Und Aerzte und Patienten wundern sich, warum die Behandlung nur schleppend Erfolge zeigt ...


    Wer denkt ans Umfeld der psychisch Kranken, Familie und Freunde, die unter dem veraenderten Verhalten leiden?


    Die Maenner, die aus dem 2. Weltkrieg nach Hause kamen wurden nicht wegen Post-Traumatischen-Stress behandelt, aber es half auch laengst nicht immer zu wissen, dass es einer ganzen Generation genauso ging. Oft waren es dann die Kinder, die leiden mussten, weil sie zu den Vaetern kaum eine emotionale Bindung erstellen konnten, unter Aggressivitaet, Schlaegen etc. zu leiden hatten.


    Kinder einer depressivern Mutter, die unter depressionsbedingten Schlafstoerungen leidet, werden vernachlaessigt, weil die Mutter keine Kraft mehr hat sich wie eigentlich gewuenscht um die Kinder zu kuemmern.


    Oder die Scheidungswaisen, die unter der Trennung der Eltern leiden, weil der Gang zum Ehetherapeuten gescheut wurde? Nicht, dass jede Ehetherapie eine Scheidung verhindern koennte, aber oft koennte sie verhaertete Fronten abmildern, die das elende Tauziehen um die Kinder verursachen, die zum Spielball frustrierter Ex-Partner werden.


    Ich koennte zu all den o.g. Punkten konkrete Faelle nennen, mach es aber nicht um die Privatsphaere der Betroffenen zu schuetzen. Es gibt sie aber zu tausenden!

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Zitat

    Original von Alexx61
    Ei Pelican...dass man solche Jammerein ignoriert, hätte auch ich dir sagen können......jaa. ich geh ja bald auf die Couch...auf meine Gemütliche


    So doof sind Psychosomatiker nicht, daß das einfach als Jammereien daher kommt, das läuft viel, viel subtiler. :grin

  • Zitat

    Original von MaryRead
    dass sie genau dieses vertraute, strukturierte Umfeld brauchte, um ihre Krankheit anzugehen.


    :write


    Das ist bei sehr vielen Psychosomatikern so! Häufig kommt auch die Erkrankung erst richtig zum Tragen, wenn sich die Lebensumstände so ändern, daß das strukturierte Umfeld verloren geht. Die Familie ist dann häufig vollkommen überrascht, weil sie vorher gar nichts gemerkt haben.


    Ich bin meiner Firma sehr dankbar, daß ich sogar ein Seminar über psychische und psychosomatische Erkrankungen besuchen durfte, das in Zusammenarbeit mit Ärzten einer Klinik und Betroffenen gestaltet wurde.


    Ich sehe heute diesbezüglich vieles anders als früher.

  • Pelican - nur zur Klarstellung: Bei meiner Mitarbeiterin war es keine psychosomatische Erkrankung, sondern eine andere psychische Störung. Aber eben - wie damit umzugehen ist, das muss man erst mal wissen.

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Interessantes Thema, und für mcih kein Wunder, dass es zu einer hitzigen Diskussion kam, denn die Standpunkte sind wirklich sehr unterschiedlich.


    Ich kann nur aus meiner Erfahrung sagen, dass es immer noch häufig auf Unverständnis stößt, wenn jemand sich professionelle Hilfe holt, bzw. Betroffene den Gang nicht wagen, weil sie nicht als "verrückt" angesehen werden wollen.


    Dadurch, dass jemand aus meinem Umfeld nicht zur Therapie gegangen ist, ergeben sich nun weitere Probleme. Zu Anfang war es Angst, undefinierbar. Dann Schwindel. Ohne organische Ursache. Dann Probleme beim Treppen steigen, Auto fahren, ungewohnten Abläufen. Derjenige schränkt sich selbst ein, geht aber nicht zu einer Beratungsstelle. Und ich als Laie stehe hilflos daneben. Ich kann derjenigen nicht helfen. Klar kann ich zuhören, Denkanstöße geben, aber ich kann nicht lösen. Und in so einem Fall wäre ich froh, wenn diejenige endlich den Schritt wagen würde und das ganze nicht unter den Teppich kehren würde. Aber dank der Einstellung der Gesellschaft wagt sie es wohl nicht.

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Ich persönlich möchte mich nicht auf den Richtstuhl schwingen und irgendwen als Langeweile-Therapie-Nutzer abstempeln, denn niemand weiß, was derjenige eventuell zu verarbeiten hat.
    Die Therapie ist leider noch nicht so gesellschaftsfähig, wie sie es sein sollte und dein Topic impliziert etwas total anderes.


    Sehr gut, Babyjane.


    Eigentlich hatte ich ja die Hoffnung, dass psychische Erkrankungen oder die Inanspruchnahme von psychologischer Hilfe heutzutage endlich aus der "Beklopptenecke" heraus sind, aber wenn ich hier z.B. von "Psychofritze" lesen muss, dann bin ich doch wieder sehr ins Zweifeln geraten.


    Ich glaube auch nicht, dass sehr viele Menschen aus "Langeweile" zum Psychologen gehen.
    Das mag vielleicht in Hollywood so sein, aber auch dazu wage ich mir kein Urteil zu bilden.


    Ich denke, der allergrößte Anteil an Patienten hat diese Hilfe auch wirklich nötig und für viele ist es schon eine Leistung das überhaupt zu erkennen und sich auf diesem Weg durchzubeißen.
    Eine fundierte Psychotherapie ist mitnichten eine nette Freizeitbeschäftigung, sondern echte Arbeit, die den Patienten mitunter an die Grenzen seiner Belastbarkeit führt.
    Ich ziehe den Hut vor Menschen, die sich dem stellen.
    Und die Notwendigkeit einer Therapie kann nur derjenige selbst beantworten, ich erlaube mir da kein Urteil.

    Frei ist, wer nicht das tun muss, was er nicht tun will.

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  • Zitat

    Original von geli73
    Dadurch, dass jemand aus meinem Umfeld nicht zur Therapie gegangen ist, ergeben sich nun weitere Probleme. Zu Anfang war es Angst, undefinierbar. Dann Schwindel. Ohne organische Ursache. Dann Probleme beim Treppen steigen, Auto fahren, ungewohnten Abläufen. Derjenige schränkt sich selbst ein, geht aber nicht zu einer Beratungsstelle. Und ich als Laie stehe hilflos daneben. Ich kann derjenigen nicht helfen. Klar kann ich zuhören, Denkanstöße geben, aber ich kann nicht lösen. Und in so einem Fall wäre ich froh, wenn diejenige endlich den Schritt wagen würde und das ganze nicht unter den Teppich kehren würde. Aber dank der Einstellung der Gesellschaft wagt sie es wohl nicht.


    Bei einem Fall mußte ich erleben, daß sich das steigerte bis zur vollkommenen Unfähigkeit überhaupt noch aus dem Haus zu gehen (noch nicht mal der Garten war möglich!) und in einem anderen Fall zu Panikzuständen auch im Haushalt. Die Dame hatte in der Hochphase dann sogar Angst ein Elektrogerät zu benutzen, weil sie Ängste hatte, daß es explodieren würde (kein Witz!).

  • Jetzt mal Klartext: Wer von denen, die sich hier verständnisvoll, aber offenbar aus großer Distanz über dieses Thema unterhalten, hat denn selbst schon mal eine Therapie gemacht?



    Ich.
    Ca. 1 Jahr lang, wegen Depressionen und einer beginnenden Aggressionsneigung.
    Ich habe mir selbst diese Maßnahme verordnet, weil mir klar war, daß ich meine Lebensumstände ändern mußte, aber dafür Unterstützung benötigte. Jemanden, der mich dazu bringt, mich wirklich mit mir selbst, meiner tw. unersprießlichen Jugendzeit und meinen verpufften Zukunftsvorstellungen auseinanderzusetzen.


    Am Ende des Ganzen war mein -- unser! Leben völlig umgekrempelt. Ich hatte mein erstes Manuskript geschrieben, rundgeschickt und bin an den Formablehnungen nicht zerbrochen. Ich bin ins Studium eingestiegen und habe die Ärmel hochgekrempelt.


    Ich war beim "Psychokritzen", "Psychoklempner". Ich war in der Tat "von der Rolle", "jämmerlich" etc. wenn man so will. Selbstverständlich war ich bekloppt! Ich hatte schließlich Ideen, Vorstellungen, die mich selbst zutiefst befremdeten!
    Meine damalige Hausärztin nannte es "Hausfrauenmelancholie". Das hat mich im ersten Moment tief getroffen -- und es hat mir den Tritt verpaßt, den ich brauchte, um mein Leben anzunehmen und zu formen. Ich bin ihr dankbar, daß sie dieses Problem behandelte wie sie mit anderen Wehwehchen und Leiden umging: freundlich, wohlwollend, mit mildem Spott, denn schließlich liegen die Ursachen jeder Störung und Erkrankung zumindest tw. auch im Patienten begründet.
    Das ist keine Schuldzuweisung, aber wie Völlerei zu Zivilisationskrankheiten führt, so ist auch ein von psychischen Störung Betroffener nicht immer ausschließlich Opfer irgendwelcher chemischer Ungleichgewichte. Zuviel Mitgefühl und Rücksichnahme können solche Probleme verfestigen und damit "Therapieresistenz" produzieren!


    Von der Gazehandschuhmethode, Sprachhygiene zu betreiben, um diejenigen, die Probleme auf psychischer Ebene haben oder unter psychosomatischen, neurotischen, ja sogar psychotischen Störungen leiden, halte ich überhaupt nichts! Sprachhygiene ist Mist. Ganz großer Mist! Sie betont die Anomalität der Betroffenen, die nicht mehr "normal" behandelt werden. Sie isoliert und verpaßt vielen Betroffenen das Gefühl, diskriminiert zu werden, und sorgt so für Unsicherheit, für noch mehr Ängste.


    Ich bin sicherlich kein Freund davon -- wie es heutzutage tatsächlich passiert -- prophylaktisch in Therapien einzusteigen, in Vergangenheiten zu suhlen oder gar (wie in den USA und Australien) freigebig pharmazeutische Aufheller zu verschreiben (in den USA betrug 2004 allein der werbetechnisch stark vorangetriebene Umsatz des nicht unumstrittenen Sertralin-Psychopharmakon Zoloft™ 3 Milliarden US$!). Man sollte auch aufpassen, wo der Teufel mit dem Belzebub ausgetrieben wird. Die meisten Therapien bei Kindern würden sich erübrigen, wenn statt dessen eine körperliche Aktivität verordnet würde. 90 min Sport pro Woche sind weitaus sinnvoller als einen lethargisch werdenden Jugendlichen einmal pro Woche zum Therapeuten und zurück zu karren. Aber das ist eine andere Baustelle.


    Es wäre wünschenswert, wenn wir "Normalen" (was soll das eigentlich sein???) es schaffen könnten, Ängste und Probleme ernst zu nehmen und zugleich als Teil von Normalität anzuerkennen, anstatt durch Maßnahmen der Sprachhygiene eine systematische Ausgrenzung zu betreiben, die den Betroffenen den Weg aus ihrer Sackgasse noch mehr erschwert.

  • Zitat

    Original von Iris
    Zuviel Mitgefühl und Rücksichnahme können solche Probleme verfestigen und damit "Therapieresistenz" produzieren!


    Kann ich nur unterstreichen.
    Ich war mit 14-16 magersüchtig, so mit allem, was dazu gehört, Bulimie, Sportwahn, Depressionen mit unschönen Gedanken und einem halbjährigen Klinikaufenthalt. Den ersten Schritt habe ich damals selbst gemacht, indem ich mir gesagt habe, ich will wieder gesund werden, und in der Klinik mit aller Macht an mir gearbeitet habe. Den zweiten Schritt habe ich aber meiner Mutter zu verdanken, die mir einen gehörigen Tritt in den Hintern (verbal) verpasst hat, als ich nach dem Klinikaufenthalt wieder begann, Mitleid heischen zu wollen. Sie wies mich darauf hin, dass ich auf eigenen Beinen stehen müsse und verdammt noch mal lernen müsse, mit meinen Problemen umzugehen. Natürlich war ich erst einmal beleidigt und verletzt, aber letztendlich war es das, was mir über viele Jahre hinweg geholfen hat, das Problem langfristig zu überwinden. Und ich kenne einige, denen ein solcher Tritt in den Hintern auch deutlich besser täte als dauernde Rücksichtsnahme (aber das deckt sich in weiten Teilen mit dem, was Pelican schon geschrieben hat).
    Ein offener und unverkrampfter/ "normaler" Umgang sowohl mit den Problemen als auch mit dem "Kranken" ist m.E.n. der beste Weg, damit umzugehen.


    Viele Grüße :wave
    Heike

    Der Bernsteinbund - Historischer Roman - Juni 2010 im Aufbau-Verlag
    Die Tote im Nebel - Historischer Kriminalroman - März 2013 im Gmeiner-Verlag

    Rabenerbe/ Rabenbund - DSA-Fantasyromane - 2017/2018 bei Ulisses

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  • Zitat

    Original von Iris
    Jetzt mal Klartext: Wer von denen, die sich hier verständnisvoll, aber offenbar aus großer Distanz über dieses Thema unterhalten, hat denn selbst schon mal eine Therapie gemacht?


    Wohl mehr Leute als man denkt. Erst wenn man selber offen wird, sagen dann auch andere was mit ihnen los war und dass sie ebenfalls Behandlung brauchten. Sonst trauen sie sich nicht - nicht weil sie mit zu viel Verstaendnis und Gazehandschuhen angefasst wuerden, sondern weil immer noch zu viel Unverstaendnis herrscht.


    Zitat

    Ich bin ihr dankbar, daß sie dieses Problem behandelte wie sie mit anderen Wehwehchen und Leiden umging: freundlich, wohlwollend, mit mildem Spott, denn schließlich liegen die Ursachen jeder Störung und Erkrankung zumindest tw. auch im Patienten begründet.


    Ich denke mal 90% aller Gesundheitsprobleme, organisch oder psychisch, liegen z.T. im Verhalten des Patienten begruendet. Obs das Rauchen war, riskantes Skifahren, das zum Beinbruch fuehrt, oder falsche Entscheidungen im Leben, die zu Depressionen fuehren ... Letztlich darf der Arzt aber dann nicht zum Richter werden. Und wenn der Patient Angst vor Spott oder Verniedlichung seiner Symptome hat auf dem Weg zum Arzt, wird er den notwendigen Gang verschieben, oft bis es zu spaet ist fuer effektive Behandlung.



    Zitat

    Von der Gazehandschuhmethode, Sprachhygiene zu betreiben, um diejenigen, die Probleme auf psychischer Ebene haben oder unter psychosomatischen, neurotischen, ja sogar psychotischen Störungen leiden, halte ich überhaupt nichts! Sprachhygiene ist Mist. Ganz großer Mist! Sie betont die Anomalität der Betroffenen, die nicht mehr "normal" behandelt werden. Sie isoliert und verpaßt vielen Betroffenen das Gefühl, diskriminiert zu werden, und sorgt so für Unsicherheit, für noch mehr Ängste.


    Versteh ich nicht. Wer psychisch krank ist, ist nicht "normal" und bedarf Behandlung UND Verstaendnis. Genauso wie ein Diabetiker nicht normal ist, Behandlung braucht und Verstaendnis, dass ihm bei Besuchen in deinem Haus nicht lauter Suesses vorgesetzt wird. Verstaendnis hat nichts mit Gazehandschuhen zu tun, es geht darum, dass unsere Gesellschaft immer noch nicht das Klima hat, in dem die Ueberweisung zum Psychater genauso selbstverstaendlich und ohne Spott angesehen wird wie die Ueberweisung zum Internisten oder Orthopaeden.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Beatrix...ursprünglich ging die Frage in die Richtung....ist es ein gesellschafltiches Problem, dass man heute wegen jedes Problemchens..zu Therapeuten rennen muss.
    Es wird hier niemand bestreiten, dass es Fälle von psychischen Erkrankungen gibt, die die Hilfe eines Psychiaters/Psychotherapeuten, benötigen.


    Es stellt sich nunmal die Frage, ob die Menschen nicht doch zuviel Zeit haben..jede kleine eigenartige Charaktereigenschaft bedarf einer Behandlung??


    Ja, nehmen wir z.B. mal Depressionen..nehmen wir das nicht mehr moderne Wort endogene Depression...da hilft dir kein Psychiater, ausser mit Medikamenten, aber das Problem an sich bekommt er nicht weg, auch nicht durch tausend Sitzungen...früher nannte man diese Menschen "melancholisch" ja...man hat es hingenommen.


    Es gibt auch andere Depressionen, die einen Auslöser haben, die kann man gut behandeln


    Auch viele andere massive psychischen Probleme, wie Psychosen u.s.w. werden ausschließlich medikamtös behandelt...und da ist man auch oft nicht sicher, ob und wie das wirkt.....


    Warum leben denn soviele Menschen in geschlossenen Abteilungen??
    oder in betreuten Wohnanlagen....da sind zwar Psychologen u.s.w vor Ort, aber großartig machen, können die auch nix.


    So und dann haben wir eben die Problemchen, was das Leben an sich betreffen....ja was macht ein Psychotherapeut, ein Analytiker??
    Er spricht mit dir, er gibt dir die Antworten, die du eh schon in dir hast..mehr ist es nicht.
    Und oft, hilft, wie Iris schon sagte, mal ein Tritt in den Hintern oder eben ignorieren....wenn z. B. jemand psychosomatische Erkrankungen zeigt.


    So, zum gesellschaftlichen Problem...was ist mit Bulimie und Co...gabs das schon immer?? und so gehäuft, nee, da hat Heaven recht, wenn sie sagt, es herrscht zur Zeit ein ungeheurer Druck auf jedem, Normgerecht zu sein.
    Was ist die Norm??
    Aber letztendlich hilft da auch keine Therapie, oder?

  • Zitat

    Original von Alexx61
    Beatrix...ursprünglich ging die Frage in die Richtung....ist es ein gesellschafltiches Problem, dass man heute wegen jedes Problemchens..zu Therapeuten rennen muss.


    Und die Frage wollte ich doch auch beantworten. Ich denke naemlich immer noch, dass die Zahl der Leute, die einfach wegen eines kleinen "Problemchens" zum Therapeuten rennen, verschwindend gering ist, vor allem verglichen mit den Leuten, die es eigentlich noetig haetten, sich aber nicht trauen, weil die Gesellschaft immer noch den Gang zum "Seelenklempner" mit einem Makel belegt und nicht so normal sieht wie z.B. den Gang zum Internisten. Und entsprechend leidet unsere Gesellschaft viel mehr an den Folgen unbehandelter psychischer Probleme als an "eingebildeten Problemchen".

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich