Muttiküsser, Schattenparker und andere zart Besaitete sollten nicht weiterlesen. Das Buch hält, was der Titel verspricht und wenn man die vergleichsweise kurze Geschichte mit ihren 155 Seiten in einem Rutsch durchgelesen hat, muss man erstmal auf den Balkon, eine rauchen, und sich vergewissern, dass Berlin nicht nur aus dieser Hölle besteht, die im Buch beschrieben wird.
Die Geschichte wird aus der Sicht des Jugendlichen Michael Polischka erzählt. Er lebt mit seiner Mutter bei einem Arzt im Berliner Edelbezirk Zehlendorf. Der ist so sympathisch wie ein Loch im Kopf und als sich Polischkas Mutter 10 Kilogramm Kummerspeck anfuttert, schmeißt ihr Lebensgefährte die beiden raus. Als Polischka sich von Klaus verabschiedet, drückt der ihm einen Zwanziger in die Hand und meint: "Ich würde es begrüßen, wenn Du mich ab sofort wieder Doktor Petersen nennst."
Die beiden landen auf der anderen Seite des Mondes - nämlich im harten Berliner Kiez von Neukölln. In der Schule wird Polischka von Erol gemobbt, dem Anführer einer Jugendgang, er wird verprügelt und abgezogen. Seine einzigen beiden Freunde sind ein Geschwisterpaar zweier Jungs, deren Vater wochenlang auf Lkw-Tour ist - in dieser Zeit saufen sie dessen Biervorräte leer und wenn die Kohle ausgeht, wird auf Einbruchstour gegangen. Die drei brechen dabei als Akt von Polischkas Rache auch bei Doktor Petersen ein.
Das größte Problem bleibt Erol, der Polischka terrorisiert. Als die Situation eskaliert und sich Polischka ein einziges Mal wehren möchte, wird ihm plötzlich geholfen - von älteren Typen, die den Jungs aus Erols Bande ein paar Ohrfeigen verpasst.
Was Polischka nicht ahnt - er ist soeben vom Regen in die Traufe gelatscht und in die Fänge einer libanesischen Drogengang geraten, für die er nun Kurierdienste leistet und dafür deren Schutz genießt.
DAS war erst der Anfang, tatsächlich nimmt die Geschichte immer weiter Fahrt auf bis zum dramatischen Ende.
Das Buch besticht vor allem durch seine schnörkellose, zeitgemäße Sprache, die Dialoge scheinen geradewegs aus Neukölln oder dem Wedding in das Buch gesprungen zu sein. Jede Zeile wirkt authentisch, manchmal atemlos, oft bitter, manchmal hoffnungslos und bei aller Dramatik schimmert immer der schwarze Humor der Protagonisten durch.
Für mich ein Stoff voller Wucht und Tragik, wie eine U-Bahnfahrt im Zeitraffer erscheint die Geschichte von Michael Polischka.
Der gleichnamige Film von Detlef Buck wurde kongenial umgesetzt und ist ebenso sehens- wie das Buch lesenswert. Für mich das "Christiane F." Buch unserer Zeit.
Gregor Tessnow lebt auch in Berlin, schlug sich recht erfolglos in diversen Jobs durch und arbeitete acht Jahre lang als Taxifahrer, bis er den Durchbruch mit "Knallhart" genießen konnte.