Philippe Djian: Betty Blue

  • Hmmmkay, hier mein erster Beitrag für dieses Forum, also seid gnädig zu mir.


    Philippe Djian: Betty Blue. 37,2 Grad am Morgen. Diogenes.


    Der Titel verrät die beiden Protagonisten des Romans - die ausgeflippte Betty Blue und ihren Freund, wie hieß er noch gleich, keine Ahnung? Kurios, aber wahr: Bis zum Ende des Romans erfährt man den Namen des aus der Ich-Perspektive berichtenden Erzählers nicht. Liebhaber der Geschichte wissen natürlich durch den ebenso sehenswerten gleichnamigen Film, dass der Typ "Zorc" heißt.


    Der Roman beschreibt weniger eine klare Handlung als ein Lebensgefühl und vor allem eine Liebesgeschichte, in der beide für den anderen ALLES geben, im wahrsten Sinn des Wortes. Die Geschichte spielt in Frankreich und zu Beginn begleiten wir den Lebenskünstler Zorc, der es sich als Hausmeister in einer Feriensiedlung am Meer hübsch eingerichtet hat. Ab und zu ein Chili kochen, zwei Fläschchen Bier trinken und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Bis Betty Blue auftaucht.


    Die kann einfach nicht verstehen, warum Zorc sein Leben so wegwirft und nicht mehr aus sich macht. Als sie eines Nachts ein altes von Zorc geschriebenes Manuskript entdeckt, ist ihre Leidenschaft endgültig entflammt: Zorc ist offensichtlich ein Genie! In der Folge reicht sie das Manuskript bei verschiedenen Verlagen ein, doch eine Absage nach der anderen flattert in den Briefkasten. Als Betty ein Schreiben als besonders unverschämt empfindet, sucht sie den Lektor auf und bringt ihm handgreiflich Manieren bei. Der geht zur Polizei, Zorc geht zu ihm, die Geschichte eskaliert.


    Unsere Protagonisten flüchten zu Freunden und übernehmen zeitweise deren Klavierhandlung. Wieder ist Zorc glücklich, der nur zwei Dinge in seinem Leben braucht - ein Leben, in dem niemand etwas von ihm will und Betty Blue, die er vergöttert. Doch sie hat ihre Mission nicht aufgegeben und mit ihrer schon fanatischen Zielstrebigkeit geht auch eine Veränderung ihrer Persönlichkeit einher, sie wird zu einer Gefahr.


    Was nichts an Zorcs Liebe zu ihr ändert, die am Ende auf unglaublichste Weise geprüft wird.


    Selten habe ich einen Roman gelesen, dessen Stil so lässig und elegant und zeitgemäß war. Djian erzählt unnachahmlich, man sieht förmlich wie die Kippe in seinem Mundwinkel tanzt und sich die Pupillen weiten, wenn er von Betty Blue schwärmt. Aber wichtiger noch: Es handelt sich um eine der mitreissendsten Liebesgeschichten, die ich je gelesen habe.

  • Apek :


    Ich habe in Deinem Beitrag mal die ISBN-Nr. ergänzt. Sonst wird Deine Rezi leider nicht in unserem Verzeichnis gelistet... Wie wir uns eine Rezi vorstellen, kannst Du hier nachlesen: klick :wave

    "Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig."

    - Ernst Reinhold Hauschka

    Zitat

  • Mann, das Buch schlug damals ein wie 'ne Bombe - war ja schon fast skandalös, sein Stil! :grin Ich habs '86 gelesen... :wow Mann, das sind 20 Jahre... Chili wurde damals fast zum Kultgericht!


    Und die Verfilmung ist gelungen, mit einer der erotischsten Zahnlücken der Welt :grin


    @ Apek
    Deine erste Rezi ist prima! Und ich kann es noch gar nicht fassen, daß wir Betty Blue hier noch gar nicht besprochen hatten... :wow

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Danke schön, Fritzi. Das Buch habe ich auch schon vor einer Weile gelesen, aber da die Suchfunktion keinen Treffer für eine Besprechung ergab...


    Der Film ist übrigens auch sehenswert und Beatrice Dalle eine Wucht.

  • Ich hab es vor Jahren gelesen und kriege keine gescheite Rezi mehr zusammen, jedenfalls hat es mir damals nicht sonderlich zugesagt ...
    Was mich ein bisschen wundert ist, dass Djian sich hier bei den Klassikern mit Flaubert, Austen, Dostojewski und Co. tummelt ...

  • Betty Blue... Es ist eine Sommergeschichte, denn es ist irgendwie immer heiß...
    Eine wunderschöne und leidenschaftliche Liebesgeschichte. Es tut mir so leid, dass ihre Krankheit nicht erkannt wurde, würde es heute spielen und nicht vor 25 Jahren, hatte man sie behandeln können und alles wäre gut gegangen :( Das Buch hat mich gefangen, ich fand es wunderbar!

    "Leben, lesen - lesen, leben - was ist der Unterschied? (...) Eigentlich doch nur ein kleiner Buchstabe, oder?"


    Walter Moers - Die Stadt der träumenden Bücher

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  • Eine Liebesgeschichte..... mein Gott, wie schöööön.. so a la Cartland, Pilcher und wie sie nicht noch alle heissen..... oder????
    Ich wage mich zunächst einmal an den Begriff LIEBE heran.
    Pizza zB liebe ich über alles. Ich liebe es auf der Kirmes in einem Karussell kopfüber aus 60 Meter zu fallen. Ich liebe Kinder und ich liebe eine Frau.
    Würde ich aber die Pizza ebenso lieben wie die Frau, hätte die Frau ein Problem wenn ich das nächste Mal Hunger verspüre. Würde ich ein Kind ebenso lieben wie eine Frau, würde mich das umgehen, zu Recht, hinter schwedische Gardinen bringen. Also Liebe ist nicht gleich Liebe.
    Ebenso in diesem Roman. Liebesgeschichte ist noch lange nicht Liebesgeschichte. Denn wer an Liebesschnulzen wie Pilcher und Konsorten denkt liegt sooo was von daneben, so weit kann man nicht aufs Meer schauen. Auch mit Sparks, dessen Geschichten ich sehr gerne lese, hat mit dieser Art von Liebesgeschichte nichts zu tun. Betty Blue ist einfach Betty Blue. Sie ist anders, ganz anders.
    Hier gibt es keinen Traumprinzen der auf einem weißen Schimmel heran geritten kommt, eher ist es die Traumprinzessin.
    Kein rosa Plüschsofa, sondern spartanisch eingerichtete Ferienbungalows.
    Kein nobler Bentley und abgehobene Dialekte, statt dessen 2CV und Zoffen wie einem das Maul gewachsen ist.
    Dieses ist die Geschichte eines total chaotischen Pärchens, die sich mit diesem und jenem über Wasser halten, die typische AussteigerMentalität leben, auf Werte und Normen sch....eißen und sich dabei lieben (nein, nicht poppen... ja, auch, ok) wie es zuvor noch nicht beschrieben wurde. Also eigentlich exakt dass, was wir uns alle im tiefsten Innern sehnlichst wünschen. Diese Geschichte ist "Sex Pistols Punk" unter den Liebesgeschichten.
    Es ist die schönste Liebesgeschichte die ich je gelesen habe und ich wollt ich wär dabei gewesen!!!
    10 von 10 Punkten

  • Zitat

    Original von Muckelfloh
    Es ist die schönste Liebesgeschichte die ich je gelesen habe und ich wollt ich wär dabei gewesen!!!
    10 von 10 Punkten


    Der Punktewertung schließe ich mich an - den Film habe ich hier ausnahmsweise zuerst gesehen, ein gutes Beispiel für eine sehr gelungene Verfilmung.

  • Ein lesenswertes Buch - aber ganz sicher kein "Klassiker". Die Einordnung im Bereich der zeitgenössischen Literatur würde hier eher passen. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Eine außergewöhnliche Liebesgeschichte, von einer solchen Intensität, dass es manchmal fast weh tut und man (jedenfalls ich) instinktiv einen Schritt zurück in die Distanz tut.


    Auch sprachlich fand ich es ungewöhnlich. Manchmal sehr schlicht, fast Unterschichtsprache mit dem inflationären Gebrauch von Schei...., dann wieder mit klugen, eloquenten Sequenzen.


    Es war nicht leicht zu lesen, manchmal musste ich mich zum Weiterlesen zwingen, doch es verströmte von Anfang an eine gewisse Faszination, die bis zum Ende hielt.


    Insgesamt würde ich sagen - lesenswert!

  • Tja, hier muss ich auch mal mit dem Buch abschließen, nach einer gelungenen Leserunde, wie ich finde.


    Ich kann mir gut vorstellen, dass dieses Buch in den 80ern so richtig Furore und Wirbel gemacht hat. Der laxe Umgang des namenlos gebliebenen Erzählers mit Gewalt anderen Menschen gegenüber, nur um seine Erwählte vermeintlich zu beschützen, hat sicher die meisten gleichzeitig fasziniert und abgestoßen.


    Für mich vereint der Erzähler in sich einen Proll mit Intelligenz, der fähig ist, ein Buch zu schreiben, aber gleichzeitig eine ungeheure Wut dem Leben und der Gesellschaft gegenüber in sich trägt.


    Der Schreibstil war gut, aber die Sprache hat mich öfter genervt.


    Alles in allem spannend zu lesen und für mich gute 8 Punkte wert.


    Und EDIT meint: Ich hätte eigentlich gern mehr über die Vergangenheit der Figuren erfahren. Aber das im Dunklen zu lassen, ist wohl ein Stilmittel. (?)

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

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  • Auf meiner Die-Besten-Liebesromane-Der-Welt-Liste befinden sich tatsächlich DREI Romane auf Platz 1:


    Philippe Djian - Betty Blue
    Nicholas Sparks - Wie ein einziger Tag
    Robert James Waller - Dir Brücken am Fluss


    Ich will keinen von denen auf Platz 2 setzen, denn sie alle sind so absolut traumhaft wunderschön. Und das sage ich als Mann :-)