Identifizierungsprobleme mit weiblichen/männlichen Charakteren

  • [ich hab das Wort "Identifizierung" jetzt so oft hin und her im Kopf gewälzt, dass ich mich schon Frage, ob es das richtige Wort ist. Je öfter man es sagt, um so seltsamer klingt es]


    Hallo, Eulen, :wave


    Durch Mondkinds Aussage "Mein Lyrisches Ich ist männlich" frage ich mich nun, wie es den anderen Eulen in Bezug auf darauf geht.


    Habt ihr Probleme, euch mit weiblichen/männlichen Hauptcharakteren auseinanderzusetzen? Lehnt ihr eines von beidem ab? Kommt ihr besser damit zurecht, wenn der Hauptcharakter eurem Geschlecht entspringt?



    JAss :keks

  • Würde sagen, nicht wirklich.. Es kommt immer auf die Person an, wie gut ich ihre Gefühle nachvollziehen kann, da ist es gleich, wie alt sie ist ober ob sie nun männlich oder weiblich ist.


    Was mir schon manchmal auffällt, dass ich bei männlichen Figuren eher "Zuneigung" empfinde, ihnen die ganze Zeit das Happy End wünsche und mich für sie freue, wenn sie es bekommen:gruebel


    Hineinfinden kann ich mich generell in Protagonisten beider Geschlechter.

  • Definitiv NEIN. Bei mir hängt es immer davon ab, wie gut der Charakter beschrieben wird.


    Bleibt er blass und konturlos, unglaubwürdig oder einfach nur lächerlich in der
    Beschreibung kann ich nichts damit anfangen egal ob es sich um einen
    männlichen oder weiblichen Charakter handelt.


    Für das Gegenteil gilt das natürlich auch. Da kann ich mich sowohl mit männlichen als auch weiblichen Figuren
    identifizieren ( :grin)


    von der Sonne verstrahlte Grüße von Elbereth

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

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  • Für mich spielt es auch überhaupt keine Rolle, ob der Protagonist nun männlich oder weiblich ist. Es kommt aufs Buch an, ob ich es zu Ende lese oder nicht :gruebel
    Außerdem lese ich die Bücher in etwa abwechselnd, da ich nur eine Sorte immer schrecklich ermüdend finde. Genauso wie ich auch die Schriftsteller wechsel m/w.

  • Geht es hier um die "Identifikation" des Lesers mit Figuren oder um die "Identifikation" des Autors mit seinen Figuren???


    Erstens halte ich den Begriff "Identifikation" in diesem Zusammenhang für ausgemachten Blödsinn (Wer hat das eigentlich in die Welt gesetzt???) -- als Leser verschmilzt man doch nicht mit den Figuren. Zumal nicht, wenn es sich, wie in der Unterhaltungsbelletristik üblich, um allwissende Perspektiven handelt! Man interessiert sich für Figuren, empfindet unterschiedlich intensive Sympathien oder Antipathien. Aber von einer Einswerdung kann ja wohl keine Rede sein!


    Als Autor einer Geschichte wird man auch nicht eins mit einer Figur, sondern man schlüpft, soweit das möglich ist, in die Rollen seiner Figuren. Das ist allerdings keine Identifikation. Auch Schauspieler identifizieren sich ja nicht mit der Figur, die sie spielen, sondern sie interpretieren sie und füllen sie mit (ihrem) Leben.

  • Zitat

    Original von Iris
    Erstens halte ich den Begriff "Identifikation" in diesem Zusammenhang für ausgemachten Blödsinn (Wer hat das eigentlich in die Welt gesetzt???) -- als Leser verschmilzt man doch nicht mit den Figuren. Zumal nicht, wenn es sich, wie in der Unterhaltungsbelletristik üblich, um allwissende Perspektiven handelt! Man interessiert sich für Figuren, empfindet unterschiedlich intensive Sympathien oder Antipathien. Aber von einer Einswerdung kann ja wohl keine Rede sein!


    ich würde das nicht pauschalisieren. Es gibt durchaus Figuren mit denen ich mich identifiziere, weil sie gewisse Eigenschaften haben die ich auch habe, mir in einer gewissen hinsicht ähnlich sind, oder ich mir einbilde ich sei ihnen ähnlich.
    Freilich ist das nicht bei allen Charakteren so, sondern nur bei bestimmten, für den rest empfindet man dann eben nur Empathie, wobei auch das schon sehr viel wert ist :)


    zum eigentlichen Topic, ich kann beinahe ausschließlich mit männlichen Figuren mitfühlen, es fällt mir schwer mich in Frauen hineinzudenken, und den charakter einfach so anzunehmen wie ich ihn vorfinde ohne über seine Tiefen nachzudenken, das will ich garnicht erst.

  • Och mönsch, Iris. Jass hatte doch geschrieben, dass sie mit dem Wort "Identifizierung" nicht ganz glücklich war. Die eigentliche Fragestellung war:


    Zitat

    Habt ihr Probleme, euch mit weiblichen/männlichen Hauptcharakteren auseinanderzusetzen? Lehnt ihr eines von beidem ab? Kommt ihr besser damit zurecht, wenn der Hauptcharakter eurem Geschlecht entspringt?


    Aber in die Rolle der Figuren schlüpfe ich auch mal als Leserin, das geht nicht nur Autoren so.


    :wave

  • Ich tue mir mit männlichen Figuren weitaus leichter, als mit weiblichen. Woran es liegt weiß ich selber nicht so genau, kann ich nur vermuten.
    Zunächst, Frau bin ich selbst, vielleicht sind mir deshalb Männer lieber?
    Andererseits gefallen mir weibliche Figuren oft einfach nicht, weil sie sich hölzern und unecht anfühlen. Fast in allen Ausnahmefällen, wo ich eine weibliche Figur großartig finde oder wo das Geschlecht egal wird, stelle ich fest, daß ich ein Buch einer Autorin lese. Mag Zufall sein, oder auch nicht.

  • Zitat

    Original von Delphin
    Aber in die Rolle der Figuren schlüpfe ich auch mal als Leserin, das geht nicht nur Autoren so.


    :wave


    Na klar, auf jeden Fall! Deswegen LESE ich ja! Ich will doch mit den Protagonisten (und manchmal auch den Antagonisten) mitfühlen und nicht nur von außen sehen, was die so machen.


    @ Iris
    Als Autor kann man während des Schreibens sehr wohl mal zu der jeweiligen Figur "werden" oder wie du sagst mit ihr "verschmelzen" - ist ja auch der Reiz an der Sache. Natürlich sollte man nicht vergessen, wieder man selbst zu sein, wenn man den PC ausschaltet... :lache :lache


    Und zum Topic: Als Leserin kann ich mich in jede Figur hineinversetzen, wenn sie lebendig rüberkommt, egal ob Mann oder Frau. Als Autorin - ich hatte noch nie eine männliche Hauptfigur, und bin mir nicht sicher, ob mir das sooo gut gelänge. Wär vielleicht mal einen Versuch wert! :grin

  • Als Leser moechte ich schon gerne in die Figuren "reinschluepfen" koennen, mit ihnen mitfuehlen. Zu viel Distanz mag ich gar nicht, und das fuehrt bei mir fast immer zu einer Abwertung des Buches. Dabei muss die Figur mir nicht aehnlich sein. So gesehen ist es mir auch egal ob sie weiblich oder maennlich ist. Aber bei sehr anderen Charakteren muss der Autor schon gut schreiben koennen, um sie mir nahe zu bringen und die Distanz aufzuheben.


    Vielleicht hab ich daher oft Probleme mit Krimis. Die les ich nur selten, weil da meist der Fall im Vordergrund steht und der Detektiv, meist maennlich, alleinstehend, versoffen, hat mir meinem Leben so gar nichts zu tun und kommt meist etwas zu kurz in der Charakterentwicklung. Die Krimis, in denen auch der Detektiv selber eine wichtige Rolle spielt und gut beschrieben wird, die les ich gerne. Wie die Selb Reihe von Bernhard Schlink, bei der die Hauptfigur ueber 60 und maennlich ist, verwitwet, kinderlos ... und mir sicher gar nicht aehnelt. Aber sie wird vom Autoren sehr gut dargestellt.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Sorry, das macht vielleicht mein Philostudium. "Identifikation" ist eine vollständige Einswerdung, d.h. man ist die Person, die da beschrieben ist, mit Haut und Haar. Man wird identisch, selbig mit ihr.


    Und das geht nun einmal nicht.


    Was ihr meint, ist Empathie, nicht Identifikation.
    In einem empathischen Prozeß verschmilzt man mit der Rolle der beschriebenen Person so stark, daß man deren Erlebnisse zu erleben glaubt. Allerdings bleiben beide Personen (die fiktive Figur als Geschöpf des Autors und der Leser) dabei zwei getrennte Wesen. :-)


    Deshalb fühlt Jass sich ja so unwohl mit dem Begriff, weil er umgangssprachlich schlichtweg falsch angewendet wird. Als würde es sich plötzlich einbürgern, anstelle des Begriffs "Auto" für motorbetriebene, frei lenkbare Fahrzeuge den Begriff "Bahn" zu verwenden.


    Allerdings kommt so was leider öfters vor: Die Verballhornung des Begriffs "Substanz" (anstelle von Substrat") in der frühen Chemie hat zu einer Umkehrung der Bedeutung im allgemeinen Sprachgebrauch geführt. :-(

  • Ich hab kein Problem mit männlichen Charakteren. Nicht nur beim Lesen, auch beim Schreiben.
    In Grenouille kann ich mich nicht besser oder schlechter hineinversetzen als in Tony Noble.


    LG,
    Rava

    Ich, ohne Bücher, bin nicht ich.


    Bücher sind lebensnotwendig. Ohne Bücher existiere ich. Aber ich lebe nicht.

  • Zitat

    Original von Iris
    Geht es hier um die "Identifikation" des Lesers mit Figuren oder um die "Identifikation" des Autors mit seinen Figuren???


    Erstens halte ich den Begriff "Identifikation" in diesem Zusammenhang für ausgemachten Blödsinn (Wer hat das eigentlich in die Welt gesetzt???) -- als Leser verschmilzt man doch nicht mit den Figuren. Zumal nicht, wenn es sich, wie in der Unterhaltungsbelletristik üblich, um allwissende Perspektiven handelt! Man interessiert sich für Figuren, empfindet unterschiedlich intensive Sympathien oder Antipathien. Aber von einer Einswerdung kann ja wohl keine Rede sein!


    Als Autor einer Geschichte wird man auch nicht eins mit einer Figur, sondern man schlüpft, soweit das möglich ist, in die Rollen seiner Figuren. Das ist allerdings keine Identifikation. Auch Schauspieler identifizieren sich ja nicht mit der Figur, die sie spielen, sondern sie interpretieren sie und füllen sie mit (ihrem) Leben.


    Ursprünglich stammt der Begriff Identifikation aus der Schauspieltheorie von Konstantin S. Stanislawski (gest. 1938 ).
    Als Vertreter des Realismus bestand er darauf, daß SchaupsielerInnen mit ihrer Rolle verschmelzen sollen, eine Einheit sein. Es ist trotz spätlateinischer Wurzeln also ein Kunstbegriff mit einer bestimmten Bedeutung.


    In Psychologie, Psychiatrie und Soziologie breitete sich der Begriff dann aus, ich schätze so etwa ab 1. Weltkrieg, und veränderte sich in Richtung auf das, was man heute eher unter 'Empathie' versteht.


    Empathie wiederum ist ein künstliche geschaffener Begriff aus den 1960er Jahren aus Psychologie, Soziologie und Pädagogik.


    Klar unterscheiden kann man heute eigentlich nur Identifizierung = Bestimmung einer Person bzw. eines Objekts


    und Identifikation. Unter letzteres fällt so ziemlich alles zwischen Wesenseinheit und Mitfühlen.


    Just FYI


    :wave

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Auf das Geschlecht der Hauptperson kommt es eigentlich weniger an. Außer wir reden jetzt wirklich von einem hineinversetzen können in die Figur, dass kommt aber bei mir relativ selten vor - eigentlich kaum jemals. Zumindest könnte ich mich jetzt an kein Buch erinnern, bei welchem das der Fall gewessen wäre.


    Bei einem guten Buch muss es vielmehr sein, dass mich das Schicksal der Person, die handelt, zu interessieren beginnt. Das es mir nicht mehr egal ist, ob die jetzt auf der nächsten Seite um die Hausecke geht und Tod umfallt oder ob sie noch weiter handeln soll. Kann übrigens auch durchaus sein, dass ich mir wünsch, dass die betreffende Person um die Hausecke geht und Tod umfallt.
    Auch ein böser Charackter kann dieses Interesse an seinem Schicksal wecken.

  • Ich habe keine Probleme - weder mit männlichen noch mit weiblichen Charakteren.


    Wie schon gesagt, kommt es mehr darauf an wie der Autor den Protagonist darstellt, sodass ich mit dem Protagonisten mitfühle oder auch nicht. Auch ob ich Sympathie oder Antipathie für einen Charakter empfinde hängt allein von der Beschreibung dessen ab.

  • Ob nun begrifflich mit Empathie oder Identifikation umschrieben... wenn es um das nachfühlen, hineinversetzen in Romanfiguren geht... Doch, da muß ich sagen, kann ich das als Leserin bei weiblichen Figuren meistens besser.
    Nicht bei jeder weiblichen Figur gelingt mir das, es hängt sehr von der Qualität des Autors ab. Aber bei den männlichen Figuren gelingt mir das meistens eher selten.
    Was nicht heißt, daß ich Bücher mit männlichen Romanfiguren nicht gerne lese. Man muß sich ja nicht immer mit der Hauptfigur identifizieren... äh empathisch hineinversetzen... oder wie auch immer. :grin

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

  • Zitat

    Original von JASS
    Habt ihr Probleme, euch mit weiblichen/männlichen Hauptcharakteren auseinanderzusetzen? Lehnt ihr eines von beidem ab? Kommt ihr besser damit zurecht, wenn der Hauptcharakter eurem Geschlecht entspringt?


    Das sind ja gleich drei Fragen auf einmal. :-)


    Zu Frage 1:
    Nein. In der Rolle des Autors will/muss mich ja mit ihnen auseinandersetzen um ihre jeweilige Geschichte erzählen zu können. Dabei spielt es keine Rolle ob männlich oder weiblich. Wenn der Autor seine Sache gut gemacht, sollte der Leser mit den Figuren mitfühlen. Der Leser soll ja entsetzt, traurig, wütend, erleichert sein. Das passiert nur, wenn man als Leser das Gefühl hat, dass einem die Figuren nahegehen, sozusagen "ans Herz gewachsen" sind. Ergo fühle ich in der Rolle des Lesers sowohl mit weiblichen, als auch männlichen Helden (ob nun echter Held oder richtiger Schurke).


    Zu Frage 2:
    Nein. Warum auch? Das jeweils andere Geschlecht gehört nun mal zu unserem täglichen Umgang miteinander. Um die Unterschiede und die Spannungen, die sich dadurch ergeben drehen sich bestimmt 80 Prozent aller Romane und Geschichten, die jemals gedruckt wurden. Nur um mal eine völlig aus der Luft gegriffene Zahl in den Raum zu werfen.


    Zu Frage 3:
    Naturgemäß sollte man meinen, das dem so ist. Meiner persönlichen Erfahrung nach aber ein klares Nein. Meine Theorie dazu ist, dass dieses "Zurechtkommen" mit Protagonisten des anderen Geschlechts eine Frage der Lebenserfahrung ist. Wenn man mal mit ausreichend Männern/Frauen tagtäglich (oder auch in Beziehungen) zu tun hat/hatte, dann entwickelt sich einfach ein Gespür dafür wie das andere Geschlecht manchmal tickt. Man beobachtet wie einige Klischees bestätigt werden, während man sich von anderen nach und nach verabschieden muss. Ich wage zu behaupten, dass der Leser kaum bemerken wird, ob ein Mann oder eine Frau der Autor einer Geschichte ist, WENN der Autor seine Sache richtig gut gemacht hat. Ist ja auch immer wieder mal bei der Herzschmerz-Belletristik übliche Vermarktungsmasche, einem eigentlichen männlichen Autor ein Frauenpseudonym zu verpassen.



    Gruss,


    Doc

  • Ohne mich in Wortklaubereien zu verlieren ;-): Eine Figur muss für mich verständlich dargestellt sein, damit ein Roman für mich funktioniert. Auf Anhieb fällt mir nur eine einzige weibliche Hauptdarstellerin ein, die mich nachhaltig beeindruckt und über ein ziemlich dickes Buch bei der Stange gehalten hat. Ansonsten sind es immer die männlichen Figuren (können auch Nebendarsteller sein), an denen ich mich festbeiße und die mich durch die Geschichte ziehen.


    Viele Grüße
    Kalypso