Das Haus der blauen Mangos - David Davidar

  • Das Haus der blauen Mangos, David Davidar, übersetzt von Diane von Weltzien, Knaur Verlag, München, 2006,
    ISBN10: 3-426-62754-X, ISBN13: 978-3-426-62754-9, 9,95 €


    Klappentext:
    Indien 1899: Als junge Frau kommt Charity in das Haus ihres Mannes Solomon und bringt ein ganz besonderes Brautgeschenk mit - jene seltenen Mangobäume mit blauen Früchten, die zum Wahrzeichen ihres Heimes werden sollen. Und wie die Mangobäume schlägt auch sie selbst Wurzeln im Dorf Chevathar - und ist bereit für diese neue Heimat und für den Erhalt ihrer Familie zu kämpfen, die im Zuge der Unabhängigkeitsbestrebungen von ihren verfeindeten Söhnen auseinander gerissen zu werden droht...


    Autor:
    David Davidar wurde 1959 geboren und ist in einer Militärfamilie in Südindien aufgewachsen. Er hat in Madras und bei Harvard studiert und arbeitete danach als Journalist. Längere Zeit lebte er in Neu Delhi, wo er als Verlagsleiter von Penguin India arbeitete, bevor er 2004 zu Penguin Canada in Toronto wechselte.


    Links:
    - David Davidar spricht über Das Haus der blauen Mangos (englisch)


    Meine Meinung:
    Indische Familiensagas gibt es bereits einige, "Das Haus der blauen Mangos" gehört zu den wenigen, deren Handlung hauptsächlich in Südindien angesiedelt ist.


    1899, Chevathar, Indien. Der Dorfvorsteher Solomon Dorai hat sich seit vielen Jahren für ein friedliches Miteinander im südindischen christlich geprägten Chevathar eingesetzt und zwischen Kasten und Unterkasten sowie ansässigen Briten vermittelt. Doch die Unabhängigkeitsbestrebungen machen auch vor Chevathar nicht halt. Statt dass die Kasten zusammenhalten, brechen alte Feindschaften, Neid und Missgunst wieder auf und so kommt es zum Kampf zwischen den Kasten, der das Leben von Solomon Dorai, seiner Frau Charity und seiner beiden sehr unterschiedlichen Söhne verändert. Aber egal wohin es die Familienmitglieder der Dorais verschlägt, sind sie doch immer an ihre Heimat Chevathar gebunden...


    David Davidar erzählt die Geschichte der Dorais vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Unabhängigkeit Indiens 1947. Der Roman umfasst damit ereignisreiche Jahre der indischen Geschichte und das Leben von drei Generationen der Familie Dorai. Aufgrund der langen Zeitspanne, die der Autor dem Leser näher bringen will, schildert der Erzähler in weiten Teilen Episoden aus dem Leben der Familie Dorai, die wichtige politische Ereignisse, aber auch Familienereignisse wie Geburt, Hochzeit, Trauerfeier und das Alltagsleben der Familie inklusive des Zubereitens von Mahlzeiten enthalten. Dieser episodenhafte Stil hat mir den Einstieg in den Roman, der in drei große Abschnitte mit jeweils mehreren Unterkapiteln gegliedert ist, etwas schwer gemacht. Erst ab dem zweiten Abschnitt übte der Roman eine regelrechte Sogwirkung auf mich aus, die mich trotz der kurzen Kapitel, die Lesepausen normalerweise erleichtern, das Buch nicht mehr aus der Hand legen ließ. Im ersten Abschnitt empfand ich den auktorialen Erzählstil mit einem allwissenden Erzähler, der immer wieder kommentiert und Andeutungen auf späteres Geschehen macht, etwas störend. Da sich diese Kommentare im zweiten Abschnitt des Buches deutlich reduzieren, erlebte ich den Erzählstil dann flüssig und harmonisch. Da David Davidar viele Informationen zur indischen Politik, Kultur, Gesellschaft und Lebensstil einarbeitet, ist der Roman insbesondere für historisch interessierte Leser empfehlenswert. Wer lediglich an einer flüssig erzählten Familiensaga vor historischer Kulisse interessiert ist, wird sich an der Menge an Informationen, die der Autor mit viel Liebe zum Land und zum Detail verarbeitet hat, eher stören, da sie das Erzähltempo deutlich herabsetzen. Im Rahmen der Familiengeschichte thematisiert David Davidar vor allem das Verhältnis Vater - Sohn mit seinen unausweichlichen Konflikten über drei Generationen hinweg. Leider greift der Autor im dritten Teil zu viele Konfliktfelder auf, was dazu führt, dass keines abschließend aufgearbeitet wird und die Handlung schematisiert und vorhersehbar wirkt bzw. Handlungsweisen einzelner Charaktere gängigen Klischees entsprechen. David Davidar wechselt insbesondere in diesem Abschnitt gelegentlich zu einem personalisierten Erzählstil, was im Erzählfluß störend wirken kann. Des Weiteren wirken einige Passagen im letzten Abschnitt doch sehr lexikahaft. Insgesamt enthält der Roman dennoch viele interessante, nachdenklich machende und poetische Passagen.


    Der episodenhafte Erzählstil führt leider auch dazu, dass David Davidar die Charaktere nur eingeschränkt zeichnen kann. Interessante Aspekte von Beziehungen wie z. B. bei den Söhnen von Solomon Dorai, begründen auf Zeiten, über die Davidar gar nicht erzählt, werden also nicht vollständig ausgearbeitet. Dies führt bei einigen Charakteren sogar dazu, dass sie eher blass erscheinen. Insbesondere die weiblichen Charaktere sind typisiert dargestellt, was eventuell auf die Fokussierung auf die Vater - Sohn - Problematik in der Familiengeschichte zurückzuführen ist. Offensichtlich liegt der Fokus des Autors darauf, Landschaft, Leben, Kultur und Geschichte Südindiens auszuarbeiten. Zu vermeiden wäre diese Problematik lediglich gewesen, indem der Roman eine kürzere Zeitspanne umfasst hätte oder ca. 300 Seiten länger wäre.


    Sprachlich ist der Roman flüssig und leicht zu lesen und ist mit schönen Bildern und philosophischen Passagen durchsetzt.


    Dem Roman sind ein Stammbaum, eine Karte, ein nützliches Glossar, ein Quellenverzeichnis des Autors und Anmerkungen des Autors beigefügt.


    David Davidars Roman "Das Haus der blauen Mangos" ist eine historische Familiensaga, die die Bezeichnung "historisch" wirklich verdient und dem Leser die Ereignisse in Südindien bis zur indischen Unabhängigkeit und die Verbindung christlich geprägter Kultur und Kastenwesen näher bringt. Ein langsamer Roman, den ich trotz seiner Schwächen mit viel Spaß gelesen habe!


  • Zitat

    Original von Pelican
    Im Rahmen der Familiengeschichte thematisiert David Davidar vor allem das Verhältnis Vater - Sohn mit seinen unausweichlichen Konflikten über drei Generationen hinweg.


    :bruell Grisel - ein Buch für Dich! :grin


    Äh, so richtig begeistert scheinst Du mir aber nicht, Pelican. Ich glaub, ich lass das erst nochmal eine Weile auf meiner Wunschliste herumhängen.


    :wave

  • Sagen wir so: ich bin etwas gespalten. Zunächst habe ich 200 Seiten gebraucht, um wirklich richtig "drin" zu sein. Es las sich zwar gut, aber da war noch keine Faszination bei mir. Die nächsten 430 Seiten habe ich dann richtig eingesaugt und fand das Buch supertoll, so daß ich selbst bei starker Müdigkeit nicht davon lassen konnte - und die letzten 100 Seiten waren dann eher enttäuschend und ich bin nur noch darüber hinweggeflogen. Ich denke, Davidar wollte einfach zuviel unterbringen.


    Allerdings waren 630 Seiten wirklich gut, insofern bereue ich in keiner Weise, das Buch gelesen zu haben und ich werde es auf jeden Fall behalten.