Erschienen Dezember 2005, Sprache: Englisch
Von Tim Pratt habe ich schon einige gute Kurzgeschichten in Anthologien oder im Internet gelesen. Daher habe ich mir auch seinen ersten Roman zu Gemüte geführt, der eine wirklich ausgeflippte Story hat:
Es handelt sich um Marzi, die nachts ein Kaffeehaus in Santa Cruz, Kalifornien führt, aber tagsüber auch Comics schreibt. Aktuell schreibt sie an einer Comicserie über "The strange adventures of Rangergirl", ein "cowpunk neo wester yarn".
Doch plötzlich greift die Fantasie in die Realität ein. Als eine versteckte Tür im Lagerraum des Kaffeehauses geöffnet wird, entkommt eine dunkle Macht. Marzi muss diese Gefahr, die in ihre Welt gelangt, stoppen. Marzi beginnt die Welt mit den Augen von Rangergirl zu sehen. Inklusive ihren Gegenspieler OUTLAW. Zusammen mit ihrer Freundin Lindsay ist sie zu einem Showdown gegen die feindliche Supermacht in der Comicwelt bereit, um ihren Freund Jonathan und Santa Cruz zu retten.
Meine Meinung:
Der Roman ist schwer zu kategorisieren: Fantasy, Horror, Speculative Fiction.
Für mich ein unterhaltsamer, intelligenter und sehr amerikanischer Urban Fantasyroman, mit Western- und Tor-zu-anderen-Welten-Motiven.
Einflüsse von Louis L´Amour und C.S.Lewis prägen Story und Klischees, aber nicht den Stil. Da wurde ich eher an Sean Stewart oder Jonathan Carroll erinnert.
Der Roman ist weniger pulpig als das Cover und Titel suggeriert, sondern richtig gut geschrieben. Er hat ein langsames Tempo, lässt sich aber flüssig lesen, ist vielschichtig und hat realistische Dialoge.
Marzipan (kurz Marzi, sie hatte Hippie-Eltern, daher der ungewöhnliche Name) ist eine
sympathische Hauptfigur. Sie ist sensibel und klug, hat aber auch eine schwierige Vergangenheit. Sie hatte einen Nervenzusammenbruch, leidete an Angstattacken, brach das Studium ab, ihre Mutter hatte Brustkrebs. Trotzdem kommt sie inzwischen gut zurecht, Sie führt das Kaffee nachts und tagsüber arbeitet sie als Künstlerin, indem sie ihre Comics schreibt und illustriert. Tim Pratt beschreibt sehr interessant die Empfindungen und die Arbeit einer Künstlerin.
Anfangs ist Marzi, abgesehen von ihrer Freundin Lindsay etwas einsam, aber dann entwickelt sich eine Romanze zwischen ihr und Jonathan, der neu in die Stadt gezogen ist.
Die Nebenfiguren sind Tim Pratt wirklich gelungen, insbesondere Marzis ironische Freundin Lindsay, der Kaffeehausbesitzer Hendrix, der neurotische Bildhauer Denis, die Schlammfrau Jane, The Outlaw und die Durchgeknallten Künstler Beej und Garamond Ray.
Wird die Handlung anfangs langsam entwickelt, schließlich gelangt Marzi erst nach Seite 200 durch das Tor in die fremde Welt, so interessant wird dann das Finale geschildert.
Es bilden sich zwei Gruppen die zum Showdown gegeneinander antreten.
Die philosophische Grundidee hat mich fasziniert. Erschafft ein Autor seine Figuren oder sind sie schon immer in ihm und werden durch das Schreiben befreit? Und was, wenn die Figur sich dann gegen seinen Schöpfer wendet?
Witzig ist auch die Covergestaltung: Das klischeehafte Western-Showdown-Motiv ist mit Rissen und angedeuteten Knicken versehen, so dass der Eindruck entsteht, es handelt sich um einen zerlesenen Western-Schmöker. Dies ist aber nicht der Fall. Hier kommen Fantasyfans zum Zuge, nicht Westernfans.
Ich gebe dem Roman 9 von 10 Punkten.
Anbei ein kurzer Ausschnitt aus Kapitel 1:
http://www.randomhouse.com/bantamdell/ca...86&view=excerpt
Zum Autor:
Tim Pratt wurde für den Nebula-Award und den Campbell Best new writer award nominiert. Seine Geschichten erschienen in Best American Short Storys und The Years Best Fantasy and Horror. Sein erstes Kurzgeschichtenband erschien 2003 unter den Namen "Little Gods".
2005 gewann er den Rhysling Award für sein Gedicht Soul Searching. Er lebt in Oakland, Kalifornien, wo er zusammen mit seiner Frau Heather Shaw ein literarisches Magazin „Flytrap“ herausgibt.
Tim Pratt hat eine Homepage: http://www.sff.net/people/timpratt/