Christian Kracht - Der gelbe Bleistift

  • ... lieber Christian, ich will diese Eindrücke, die Du in Deinem Buch erlebt hast auch selbst nachvollziehen können....


    ... dachte ich mir beim Lesen des Buches "Der gelbe Bleistift", eine Art Erzählungen, die man nicht beiseite legen kann, egal ob die Wohnung brennt oder das Badewasser überläuft - die Welt steht still und man selbst ist tief in einer anderen Dimension.


    Christina Kracht kannte ich als Autor bis vor kurzem (ca. 1/2 Jahr) noch nicht, bis ich durch Benjamin von Stuckrad Barre darauf aufmerksam gemacht worden bin - er sprach in einem seiner Bücher über ihn, so daß ich neugierig war und mir "Der gelbe Bleistift" in die Hände fiel. Kracht, ein 34-jähriger Schweizer, lebt in Bangkok und ist (wie ich denke) immer in Sachen Literaturinspiration in der Welt unterwegs. In seinem hier dargestellten Buch begab er sich nach Asien, dem Kontinent, auf dem die Zeit etwas anders geht als hier.


    Kulturell gesehen ist das "verwöhnte Europa" nicht mit der Lebenswelt auf der anderen Seite der Erde zu vergleichen, Armut und Fassunglosigkeit sind gepaart mit dem Reichtum weniger und der Faszination für das Neue, Unbekannte. Kracht entführt seine Leser in das Reich der Mitte per atemberaubend schöner Metaphorik.


    Er beschreibt Erlebtes in einer Art, die den Leser geradezu einlädt daran teilzunehmen. Falls auch Du Lust hast einen Trip zu wagen, hier ist schon mal ein kleiner Vorgeschmack:
    * Im Land des schwarzen Goldes (Baku 1998 )
    * Kill 'em all, let God sort 'em out (Phnom Penh 1999)
    * Danger who love (Laos 1999)
    * Der Besuch des Klempners (Bangkok 1999)
    * Das neue Licht von Myanmar (Burma 1999)
    * Der Islam ist eine grüne Wiese, auf der man sich ausruhen kann (Peshawar 1996)
    * Hello Kitty Goethe (Bankok 1999)
    * Mit meiner Mutter im Eastern & Orient Express (Bangkok - Singapur 1999)
    * Ein Jahr vor der Übergabe (Hong Kong 1996)
    * Après nous le déluge (Goa 1998 )
    * Auf der deutschen Botschaft (Bangkok 1999)
    * Disneyland mit Prügelstrafe (Singapur 1999)
    * Zu früh, zu früh (Vietnam 1992)
    * Zu spät, zu spät (Vietnam 1999)
    * Tristesse Royale (Berlin - Phnom Penh 1999)
    * Ko Samui (Ko Samui 1999)
    * Postminister Bötschs letzte Reise (Bangalore 1997)
    * Wie ich einmal sehr sportlich war (Bali - Sri Lanka 1997)
    * Lob des Schattens (Japan 1999)
    * Der Doktor, das Gift und Hector Barantes (Indonesische Molukken 1996)

    ... und falls es Dir immer noch gefällt, diese kleine Reise zu unternehmen, dann pack die Koffer und kommt mit....

    Lilli
    "The more you ignore me, the closer I get." [Morrissey]

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  • Zitat

    Original von Morgana
    *Morgana fragt sich warum die Wörtchen teilweise rot sind* :gruebel


    ..weil du über die "suchfunktion" gegangen bist? da habe ich es auch schon erlebt, daß die wörter rot sind :)

    Lilli
    "The more you ignore me, the closer I get." [Morrissey]

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  • Na, darauf hätte ich ja auch kommen können... :grin


    Dachte schon, dass wäre extra und hätte irgend einen tieferen Sinn... :lache

    "Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig."

    - Ernst Reinhold Hauschka

    Zitat

  • "Der gelbe Bleistift" - Christian Kracht


    ISBN: 3423129638


    Verlag: dtv


    Erscheinungsjahr: 2001 (als Taschenbuch)


    Seitenzahl: 192


    Über den Schriftsteller:
    Der Schweizer Christian Kracht wurde 1966 als Sohn des Verlegers Christian Kracht geboren und lebte in seiner Kindheit und Jugend in der Schweiz, in Kanada, den Vereinigten Staaten und Frankreich.
    Nach dem Besuch von Privatschulen begann er ein Volontariat, dem eine journalistische Laufbahn und Tätigkeiten für Spiegel, FAZ und Welt am Sonntag folgten, aber auch immer wieder Projekte mit Eckhart Nickel, wie z.B. acht Auflagen des Literaturmagazins "Der Freund", das Interviews mit bedeutenden Literaturgrößen enthielt und in der Szene einen Achtungserfolg erringen konnte.
    Von Christian Kracht erschienen u.a.: "Faserland", "Ferien für immer", "Tristesse Royale", "1979" und zuletzt der Spiegelbestseller "Imperium".


    Über den Inhalt:
    Während seines mehrjährigen Aufenthaltes in Bangkok berichtet Christian Kracht in losen Abständen aus den asiatischen Metropolen für die Welt am Sonntag.
    Zwanzig dieser Berichte, bei denen es sich um keine Berichte im herkömmlichen Sinne, sondern vielmehr um Momentaufnahmen und Eindrücke von asiatischen Großstädten handelt, sind erstmals im Jahr 2000 in gesammelter Form als Hardcover unter dem gleichnamigen Titel "Der gelbe Bleistift" erschienen.


    Meine Meinung:
    Christian Kracht, in jüngster Zeit durch seinen Bestsellerroman "Imperium" einem größeren Lesepublikum bekannt geworden, beschäftigt sich seit langer Zeit mit dem Thema Reisen.
    Schon früh zieht es den Verlegersohn nach Asien. Er lebt in Bangkok und darf für die Welt am Sonntag über die spannendsten Städte Asiens schreiben. Der Erfolg seiner Kolumnen, der sich aus scharfer Beobachtungsgabe, eloquenter
    Darlegung und Krachts dandyhaftem Stil zusammensetzt, gibt ihm und seiner Arbeit recht.
    Das Feuilleton lobt und empfielt seine Reisegeschichten.


    Gut zehn Jahre nach Erscheinen der Kolumnensammlung "Der gelbe Bleistift" mag man sich nun fragen, warum der Leser zu dieser Anthologie greifen sollte, die nicht nur vergriffen ist und und auf dem Gebrauchtmarkt Spitzenpreise erzielt (bei ebay kürzlich 28 Euro, bei Amazon Marketplace nähert man sich der Marke um 50 Euro), sondern auch über eine zwangsläufige zeitliche Überholung spekulieren darf.
    Das erste Problem konnte dank Universitätsbibliothek gelöst werden und bei genauer Betrachtung der aktuellen politischen Lage in Asien erscheinen die Momentaufnahmen Krachts zeitloser denn je, wenn Kracht aus Baku über die Korrelation von Öl- und Hotelzimmerpreisen spekuliert, wenn er in rauher Berglandschaft in den Genuss kommt, Handgranaten auszuprobieren oder
    sich mit der Kalaschnikow anfreundet oder an einen atomaren Störfall in Japan aus dem Jahr 1999 erinnert.
    Die Megastädte Asiens, aus denen Kracht zwischen 1992 und 1999 seine Eindrücke wiedergibt, mögen sich durch bauliche und politische
    Veränderungen auszeichnen und schnelllebiger geworden sein, die persönlichen Begegnungen und Einsichten jedoch bleiben.


    Der informierte Leser, der sofort erkennt, dass das lobenswerte Vorwort von Joachim Bessing nur von einem Freund des Autors stammen kann, wird bereits anfänglich gewarnt: Kracht ist dem Leser und Reisenden immer einen Schritt voraus, haut ab, wenn es ihm nicht mehr gefällt und bescheinigt dem Autor Dekadenz und Amoralität.
    Gewappnet mit diesen Versprechungen (und auch Drohungen) beginnt eine literarische Odyssee, die den Leser anspruchsvoll unterhält, ihm zu einer Auszeit im trostlosen Deutschland verhilft, neidisch macht, ihn zuweilen anwidert oder den Wunsch verspüren lässt, dem Bonvivant und Lebemann Kracht die Leviten zu lesen.
    Der Schweizer reist nicht wie ein durchschnittlicher Urlauber, lässt alles stehen und liegen, wenn das Wachstum seiner Pflanzen in der regenreichen Zeit Bangkoks ins Unermessliche steigt und fliegt nach Tokio ins feinste Hotel der Stadt, um eine Veränderung zu erfahren. Nur beiläufig erwähnt er, dass er dort einer Tätigkeit nachgeht.
    So wie Kracht den Leser missgünstig auf seine kostspielige Umtriebigkeit und Freiheit schielen lässt, so wenig großzügig geht er mit den Reisenden um, die es ihm gleichtun.
    Mit Neid schaut er auf die Touristen, die ebenso wie er in den Luxusabsteigen dieser Welt logieren und sich als Flaneure mit Hang zum Außergewöhnlichen zeigen. In den Momenten, in denen Kracht von der Herzlichkeit und dem Entgegenkommen der Asiaten erzählt, von Einladungen, die ihm eine neue Welt eröffnen, in diesen Momenten wird der Leser wieder versöhnlich gestimmt und kann über Krachts Ausreißer hinwegsehen.


    Dennoch hat Christian Kracht mit seinen Kolumnen unterhaltsame und lesenswerte Begegnungen beschrieben, die es wert sind entdeckt zu werden. Selten wird man mit dem Schweizer einer Meinung sein, doch sein untrügerischer Blick und sein professioneller Umgang mit Sprache verzeihen ihm die eine oder andere überhebliche europäische Sichtweise und lassen die Sammlung "Der gelbe Bleistift" mehr als zehn Jahre nach Erscheinen zurecht ein Geheimtipp bleiben.


    Edit: Fehler beseitigt.

  • Als mir eine liebe Freundin, meine Vorrednerin nämlich, vor geraumer Zeit den „Gelben Bleistift“ schenkte, kannte meine Vorfreude keine Grenzen. Christian Kracht, stilistisches Schwergewicht und Autor des von mir hochgeschätzten Romans „Imperium“, schreibt über Asien und das Reisen, zwei meiner größten Leidenschaften, bevorzugt in Verbindung miteinander. Was für eine gute Nachricht, was für ein Versprechen – das sich leider nicht erfüllte. Spätestens nach 50 Seiten wich meine Euphorie einer regelmäßig mit Wutausbrüchen gespickten Enttäuschung. Sie sollte mich, von wenigen versöhnlichen Momenten abgesehen, bis zur letzten Seite begleiten. Bestenfalls als Missverständnis interpretierbar, scheitert das Buch für mich grandios, vermutlich vor allem an meiner Erwartungshaltung.


    Der Leser erfährt in diesem Buch vieles über Christian Kracht und seine Sicht auf die Welt, aber herzlich wenig über Asien. Statt in das pralle Leben einzutauchen und den Blick für fremden Kulturen und Menschen zu schärfen, zieht es der Autor vor, an der Oberfläche zu verharren und sich selbstzufrieden darin widerzuspiegeln. Asien bleibt nahezu austauschbare Kulisse, die meisten Asiaten fungieren vornehmlich als Statisten in seinen fast durchweg um sich selbst kreisenden Geschichten. Kracht bietet gelegentlich Ansichten, nur selten Einsichten, berichtet stattdessen lieber von den Sandalen (Prada, natürlich) und frisch manikürten Fußnägeln seiner hochintelligenten, überaus charmanten Begleiterin :rolleyes, von Singapore Slings mit dem kroatischen Botschafter in der Bar des Oriental Hotels und ähnlichen Belanglosigkeiten. Bezüglich der asiatischen Kultur setzen sich seine Beobachtungen überwiegend aus Plattitüden, groben Vereinfachungen und der Bestätigung eigener Vorurteile zusammen, deren Erkenntniswert in der Summe kaum den Horizont eines 3-Wochen Pauschalurlaubers übersteigt (Ja, in Singapur ist Kaugummikauen tatsächlich verboten, Hongkong ist besessen vom Konsum, die burmesische Zeitung „New Light of Myanmar“ ist wie jedes Zentralorgan eines totalitären Regimes ein schlechtes Witzblatt, und verstopfte Toiletten besitzen die Eigenart, überzulaufen. Brauchte es wirklich Christian Kracht, um diese Binsenweisheiten nochmals zu übermitteln?). Kurzfristig war ich regelrecht erschüttert, wie wenig dieser intelligente Mensch mit jahrelanger Asienerfahrung von seiner Wahlheimat begriffen hat, vermutete hinter diesem Armutszeugnis gar die augenzwinkernde Absicht, mit seinem Wissen hinter dem Berg zu halten, bis mir klar wurde, worin die Ursache für diese Defizite lag: Der Mann ist seiner Selbsteinschätzung nach ein Bohemien (Ich würde ihn ganz banal einen Schnösel nennen) mit Hang zu Austern und Champagner, aber wenig Neigung, sich unter das gemeine Volk zu mischen. Was soll jemand über Asien berichten, der sich überwiegend Ausländer als Gesprächspartner sucht, der bevorzugt mit dem Flugzeug reist (oder sich ersatzweise von einem Chauffeur im Mietwagen herumkutschieren lässt), dessen Welt teure Bars und klimatisierte Hotels für hunderte Dollar die Nacht sind, wo er jedem Kontakt mit dem Einfachen, Ordinären aus dem Weg geht? Dazu müsste er sich auf das Niveau der Einheimischen herablassen, was Herrn Kracht schwer zu fallen scheint. Statt das Fremde zu akzeptieren, betrachtet er es von überlegener Warte herab, um es aus luftiger Höhe bequem in sein persönliches Wertesystem einzuordnen. Wenig überrascht es mich übrigens, dass „Der gelbe Bleistift“ vom Feuilleton abgefeiert wurde; wird doch in weiten Teilen des deutschen Bildungsbürgertum weiterhin die Grand Tour des 19. Jahrhunderts als Ideal des Reisens angesehen, natürlich bevorzugt im Lehnstuhl nachgelesen, ohne sich selbst den Unbilden der Fremde in Form von verschwitzter Unterwäsche, unsauberen Toiletten und patzigen Bediensteten stellen zu müssen, Gott bewahre.


    Um nicht nur Negatives anzuführen, will ich nicht unerwähnt lassen, dass die Geschichten wie erwartet brillant geschrieben sind, stilistisch ein Genuss, regelmäßig mit sprachlichen Perlen durchzogen, dazu gelegentlich mit amüsanten Boshaftigkeiten gepfeffert. Eine einzige Geschichte hat mir sogar ausgezeichnet gefallen: In Après Nous Le Déluge stellt sich Kracht einmal nicht selbst in den Mittelpunkt, sondern bezieht in Bezug auf den Tourismus in Goa polemisch und böse eine Position, mit der ich ausnahmsweise voll übereinstimme. Wobei ich sofort einschränken muss, dass sich auch diese Story in erster Linie wieder mit Ausländern und ihrem Verhalten in Asien beschäftigt, nicht mit Indern. Schlichtweg falsch, ob aus Unkenntnis oder als gezielte Verleumdung angelegt, ist allerdings die in dieser Geschichte aufgestellte Behauptung, dass Pluderbatikhosen von Kindern in Sweatshops in Malaysia hergestellt würden. Ein kleiner Fauxpas, möchte man denken, doch leider so bezeichnend, dass ich ihn hier stellvertretend für manch andere Ungenauigkeit nennen möchte.


    Mein Fazit:


    Wer es für sich selbst ausreichend findet, fremde Länder im Rahmen eines Urlaubs im Robinson Club, von der Realität des Gastlandes durch von Wächtern gesicherte Tore abgeschottet, kennenzulernen, mag seine kleine Freude an diesem Buch haben; wer dagegen mehr geistige Nahrung erwartet, wird hungrig zurückbleiben. Diesen Lesern empfehle ich die Bücher von Andreas Altmann, der offen und mit unverstellter Neugier eintaucht bis ins dreckige, liebenswerte Herz der bereisten Länder, zu den Menschen und ihren Geschichten, ohne sich dabei um sein Wohlbefinden in Form von gesichertem Champagnernachschub zu sorgen (Den ganz Hartgesottenen möchte ich an dieser Stelle die Werke des Kamikaze-Reisenden Nick Danziger ans Herz legen). Für mich persönlich ist „Der gelbe Bleistift“ wahlweise ein – wenn auch großartig geschriebenes – Ärgernis oder, wie schon oben angedeutet, einfach nur ein Missverständnis. Mein endgültiges Urteil steht noch aus.


    LG harimau :wave

    "Lieber losrennen und sich verirren. Lieber verglühen, lieber tausend Mal Angst haben, als sterben müssen nach einem aufgeräumten, lauwarmen Leben"

    Andreas Altmann

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