Himmelblau und Birnbaumgrün. Mein Sommer mit Camilla - Wolfgang Kirschner [ab ca. 11 Jahre]

  • Himmelblau und Birnbaumgrün läuft in der Sparte Jugendbuch. Ist aber ein Buch auch und vielleicht gerade für Erwachsene, die gerne träumen. Es erzählt von einem Jungen, seinen Träumen. Und von einem Mädchen, das holterdipolter in diese Träume platzt.
    Das ist der Klappentext:
    "Das Leben könnte so schön sein für Wolf - wenn da nicht Camilla wäre und ihr angeblich fliegender Hamster. Denn dann könnte Wolf gemütlich unter dem Birnbaum liegen und davon träumen, auf den Wolken in ferne Länder zu reisen. Aber nein! Die irre und furchtbar aufdringliche Camilla lässt ihm keine Ruhe. Das Mädchen aus dem Nachbarhaus will ihm unbedingt beweisen, dass ihr Hamster fliegen kann. Doch das ist längst nicht alles, was Wolf bald um die Ohren fliegt. Schließlich ist da noch Camillas Vater. Und um den rankt sich ein dunkles Geheimnis, das die beiden einen ganzen Sommer lang auf Trab hält ..."
    Ich kenne den Autoren persönlich, sonst hätte ich dieses Buch wohl nie gelesen. Und schwer was verpasst. Denn Wolfgang Kirschner nimmt seine - jungen? - Leser ernst. Gesteht ihnen zu, Poesie zu erkennen und zaubert eine wunderbare Geschichte, die zum Träumen anregt. Das Buch liest sich leicht und flüssig und ist am besten unter einem Baum zu lesen, über sich den blauen Himmel und das Herz frei für ein paar schöne Gedanken und Träume...
    Natürlich ist Camilla eine rotzfreche Göre. Und natürlich scheint anfangs die Suche nach Camillas Vater wie eine absehbare Geschichte - Camilla behauptet, der Vater sei ein Schwarzer, weshalb sie sich selbst von Kopf bis Fuß mit Schuhcreme einschmiert. Bei vielen Jugendbücher wüsste man nun, was als nächstes kommt. Und bei den meisten wäre klar, wie platt die Geschichte weiter- und ausgeht. Aber der Sommer mit Camilla hält auch für "erwachsene" Leser so viel Poesie und wunderbare Ideen bereit, dass man das Buch in einem Rutsch lesen kann und sich danach ein wenig jünger und vor allem rundum gut fühlt.
    Ich bin gespannt auf das nächste Projekt von Wolfgang Kirschner. Das soll ein Buch für Erwachsene sein. Und ich bin sicher, dass er auch da mit einer Schreibe wie John Fante die Leser einfängt.
    Zum Autor: Wolfgang Kirschner ist Jahrgang 1953 und lebt mit seiner Frau in Tübingen. Seine "Geschichte von Liebe und Täuschung" hat den 2. Preis beim Literaturwettbewerb des Little PEN / Herzer-Holzschnittmuseums gewonnen. "Himmelblau und Birnbaumgrün" ist sein erster Roman.
    Viel Spaß beim Lesen wünscht Euch
    Silke :wave

  • Auf diesen kleinen roman bin ich kürzlich erst gestoßen.


    Meine Gefühle nach der Lektüre sind entschieden gemischt.


    Es ist poetisch. Ganz sicher und wirklich schön.
    Es erzählt von den Träumen eines zehnjährigen Jungen und eines elfjährigen Mädchens.


    Es nennt sich: Jugendbuch, aber die Perspektive ist eher die von Erwachsenen.
    Für einen Erwachsenen-Roman ist es aber viel zu wenig komplex. Poesie allein reicht bei weitem nicht.


    Der Funke sprang letztlich nicht über. Camilla wie auch Wolf blieben blaß für mich. Es ist Sommer und die beiden prallen (im Wortsinn, :grin) aufeinander.
    Und dann ... :gruebel


    Ich habe an keiner Stelle verstanden, warum Camilla sich ausgerechnet auf Wolf konzentriert. Ich habe auch nur ansatzweise verstanden, warum sie sich so merkwürdig gebärdet. Es gab immer wieder Szenen, die mit dem Sombrero z.B., da hatte ich den Verdacht, daß die Kinderfigur tut, was sie tut, weil ein Erwachsener glaubt, daß ein Kind sich so verhält.


    Die Sache mit dem Hamster wollte mir auch nicht recht schmecken. Ist das Liebe, wenn man ein Tier ständig mit sich herumschleppt? Experimente mit ihm anstellt?
    Das wird an keiner Stelle hinterfragt. Ist der eine Hamster futsch, kommt der nächste. So ist es. Und daß man dann noch ins Fernsehen kommt, ist die Belohnung. Autsch.


    Auch Wolfs Verhältnis zu Camilla wurde nicht deutlich. Ein wenig erste Liebe, ein wenig Einsamkeit, dennoch ...
    Kinder können sehr heftig reagieren, wenn sie jemanden wirklich nicht mögen.
    Und warum sollte ihm Camilla zusagen?


    Die Verwicklung mit dem Obdachlosen und wahrscheinlich Alkoholiker Frenschi und Camillas Mutter ist einfach unglaubwürdig. Plötzlich zieht er einen Anzug an (wie kann er sich den leisten, wenn er nicht mal eine ordentliche Unterkunft hat?) und dann heiraten sie auch noch??
    Ich hab's nicht verstanden.


    Brauchen wir wieder versöhnliche Jugendbücher, rosa-romantisch?


    NB.: es hat wunderbare Szenen darin, ganz bestimmt die Wolkengeschichte, hervorrragende Beobachtungen wie z.B. die Balkonszene mit Camilla und ihrer Mutter oder die Blicke Wolfs auf seine Familie.


    Ich würde zu gern mal Kinder zu diesem Buch hören.


    Ich fand es nicht recht befriedigend.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Hallo magali!
    Das mit der Diskrepanz zwischen aufgedruckter Altersangabe und Leserschaft ist mir nicht aufgefallen. Ich habe das Buch für mich genossen, aus meiner Warte gelesen.
    Ich weiß aber, dass es Schulen in Baden-Württemberg gibt, in denen das Buch im Unterricht gelesen wird. Soll ich mal nachhaken wegen Reaktionen?
    Lieber Knuddelgruß,
    Silke

  • keinkomma


    das Buch wird in der Schule gelesen? Das finde ich wirklich spannend.
    Danke für das Angebot, ja, würde mich wirklich interessieren, sowohl das Lesealter, das angesetzt wird als auch Wortmeldungen.


    Auch wenn ich im Ganzen nicht zufrieden war, wollte ich die Beschreibung der Wolken, des Himmels und des Birnbaums als Anker nicht mehr missen.
    Das sind wirklich herausragende Stellen.


    Wer hier aus der geneigten Eulenschaft neugierig geworden ist: laßt Euch nicht abhalten, bloß weil ich wieder mal maule.
    :grin

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus