Der Funke des Chronos, Thomas Finn, Piper Verlag GmbH, München 2006,
ISBN-13: 978-3-492-70128-0, ISBN-10: 3-492-70128-0, 19,90 €
Klappentext:
Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände gerät der Medizinstudent Tobias mit einer Zeitmaschine ins Hamburg des Jahres 1842. Dort erwarten ihn, statt der Idylle der biedermeierlichen Hansestadt, nur Chaos und Hysterie. Ein Serienmörder treibt sein Unwesen und versetzt die Bewohner in Angst und Schrecken. Der Zeitreisende gerät ins Visier der Polizei und wird selbst der Morde verdächtigt. Als Tobias dann auch noch in einen Strudel rätselhafter Freimaurerverschwörungen hineingezogen wirdm, scheint die Katastrophe perfekt - doch da kommt ihm plötzlich der berühmte Dichter Heinrich Heine zu Hilfe.
Ein phantastischer Thriller um eine Reise voller Intrigen, Verschwörungen und dunkler Geheimnisse, in deren Verlauf ein junger Zeitreisender um sein Leben und die Liebe kämpfen muß.
Zum Autor: lt. Klappentext
Thomas Finn wurde 1967 in Chicago geboren. Er war Chefredakteur eines großen Phantastik-Magazins sowie Lektor und Dramaturg in einem Drehbuch- und Theaterverlag. Bereits seit sechzehn Jahren lebt und arbeitet der preisgekrönte Roman-, Drehbuch- und Theaterautor in seiner Wahlheimat Hamburg, einer Stadt, die ihn aufgrund ihrer aufregenden Geschichte immer wieder aufs neue inspiriert.
Thomas Finn ist begeisterter Rollenspieler und einer der vier Autoren von »Magus Magellans Gezeitenwelt«.
Links:
- Interview mit dem Autor bei Buchwurm
- Homepage des Autors
Meine Rezension bei Amazon:
Thomas Finn hat mit "Der Funke des Chronos" einen Roman geschrieben, der nicht einfach einem Genre zuordenbar ist, da er Elemente des phantastischen und des historischen Romans wie auch Elemente des Krimis, des Thrillers und des Science Fiction in sich vereint. Genau diese Mischung ist es aber, die diesen Roman in seiner Ausgestaltung so interessant macht.
Tobias, ein Hamburger Student ohne Familie, erhält ein seltsames Weihnachtspaket, das ihn zu einer fremden Adresse führt. Dort überschlagen sich die Ereignisse und Tobias findet sich plötzlich im Hamburg des Jahres 1842 wieder - zu seinem Schrecken mitten im Tatgeschehen der Verbrechen eines Hamburger Serienmörders und einer Verschwörung. Schnell gerät er selbst unter Verdacht und versucht mit der Bürgerstochter Caroline und dem Dichter Heinrich Heine die Verbrechen zu klären. Kurz vor und während des Großen Brands spitzen sich die Ereignisse aber immer weiter zu...
Thomas Finn hat seinen Roman mit sehr interessanten Charakteren bestückt, wobei es insbesondere die Nebenfiguren sind, die in ihrer Ausgestaltung überzeugen. Da ist der vom Leben gebeutelte Polizeiaktuar Kettenburg, der in diesem Roman eine erstaunliche Entwicklung macht. Da ist der Nachwächter Borchert, ein echtes Original, der unfreiwillig das komische Element in der Geschichte darstellt. Da ist Salomon Heine, Onkel des Dichters Heinrich Heine, ein Charakter mit Ecken und Kanten und rauer Schale. Interessanterweise sind Thomas Finn die Nebenfiguren jedoch besser gelungen als die Hauptfiguren. Tobias, der Protagonist, ist ein intelligenter, agiler und gebildeter, im Waisenhaus aufgewachsener, junger Mann, der aufgrund seines Zukunftswissens deutliche Vorteile hat und der sich natürlich auch anachronistisch verhalten kann. Die weibliche Hauptfigur Caroline ist ein wenig modern geraten für die Biedermeierzeit. Leider ist der Dichter Heinrich Heine, obwohl er durchaus wesentlichen Anteil an der Handlung hat, eher farblos geraten.
Die eigentliche Hauptfigur des Romans ist aber nicht Tobias sondern die Kaufmannsstadt Hamburg um 1842. Thomas Finn beschreibt Hamburg so detailliert und liebevoll und lässt mit seinen nach intensiver Recherche entstandenen plastischen Beschreibungen das Hamburg vor dem Großen Brand, von dem heute noch nicht mal Teile besichtigt werden können, so vor unseren Augen entstehen, dass sein persönliches Interesse an der Stadt und dem Großen Brand nicht zu verleugnen ist. Dabei beleuchtet er nicht nur die Sonnenseiten wie Mode und Architektur sondern auch den Schmutz der Fleete und Straßen. Im Laufe des Romans zeigt er kontrastiv die Stadtwohnungen und Villen der Reichen, aber auch die damaligen Zustände im Gefängnis und das tragische Geschehen um den Großen Brand und dessen Opfer.
Die Handlung des Romans ist abwechslungsreich, enthält Zeitparadoxa und einige unerwartete Wendungen und ist im Grundsatz gut angelegt. Der Spannungsbogen wird vom Autor schön aufgebaut und die diversen Teilthemen des Romans sind sehr gut miteinander verwoben. Lediglich die Rettungsaktion der Bürgerstochter Caroline mit der Zeitreisemaschine wirkte auf mich etwas aufgesetzt. Dass der Autor ein wenig mit den Grundproblemen der phantastischen Elemente seines Romans zu kämpfen hat, wie z. B. dass sich die Charaktere aufgrund der Zeitebenen selbst begegnen, dass Gegenstände mehrfach erscheinen, wäre sicher auch anders lösbar gewesen, hat mich aber nicht gestört. Die Handlungsebene der Geheimbünde steht eher im Hintergrund, insofern wird der Lesegenuss auch nicht dadurch beeinträchtigt, dass diese Handlungsebene etwas vorhersehbar ist. Dezent bleibt die aufkeimende Beziehung zwischen Caroline und Tobias im Hintergrund, da sie nicht wesentlicher Gegenstand des Romans ist. Der Roman, bei dem das historische Element überwiegt, hätte meines Erachtens auch durchaus ohne die Zeitreise als historischer Krimi gestaltet werden können, da mit verbotenen Forschungen, Massenmorden und Geheimgesellschaften genug packende Themen enthalten sind.
Sprachlich ist "Der Funke des Chronos" flüssig, wenn auch eher schlicht geschrieben. Dass die Arbeiter und Mägde Hamburger Platt sprechen, Salomon Heine jiddisch spricht und die Kaufleute Hochdeutsch reden, habe ich als belebendes Element empfunden, obwohl dadurch der Lesefluss ein wenig gehemmt wird.
Der Piper Verlag hat das gebundene Buch mit Lesebändchen schön gestaltet und um zwei Karten von Hamburg 1842 und vom Großen Brand ergänzt. Alle Kapitel sind mit Überschriften versehen, sowie Ort, Datum und Zeit des Geschehens, so dass Wechsel in Ort und Zeit der Handlung dem Leser stets bewusst sind. Im Anhang findet der Leser ein Personenverzeichnis mit den historisch verbürgten Personen sowie ein Nachwort des Autors.
"Der Funke des Chronos" ist ein phantastischer Thriller, den ich guten Herzens allen Freunden historischer Romane aber auch spannender Unterhaltung empfehlen kann.