Die Gleichgültigen von Alberto Moravia

  • Kurzbeschreibung
    Moravias provozierender, weltberühmter Erstlingsroman über den erotischen Reigen einer Familie: Während sich die Witwe Mariagrazia wundert, dass sich ihr Liebhaber immer mehr von ihr abwendet, hat es dieser längst auf ihre 24-jährige Tochter Carla abgesehen. Und Mariagrazias beste Freundin trifft sich heimlich mit Carlas Bruder Michele. Als Michele von den erotischen Verstrickungen seiner Schwester erfährt, sieht er nur noch in einem gewalttätigen Akt einen Ausweg … Moravia schrieb den Roman mit 22 Jahren und wurde damit über Nacht berühmt. „Die Gleichgültigen“ ist eine psychologische Charakterstudie einer gesamten Epoche – und hat bis heute nichts von seiner Aktualität eingebüßt.


    über den Autor
    Alberto Moravia (1907-1990) gehört mittlerweile zu den Klassikern des Zwanzigsten Jahrhunderts. Als Sohn einer wohlhabenden Familie in Rom geboren, begann er nach schwerer Krankheit 1925 zu schreiben. Seine Romane, darunter Meisterwerke wie „Agostino“, „Die Römerin“ und „Cesira. La Ciociara“ wurden in dreißig Sprachen übersetzt und vielfach verfilmt.


    meine Meinung
    Das Buch zählt zu den Klassikern italienischer Literatur. Die Gleichgültigen hat Moravia mit 22 Jahren geschrieben und es ist ihm in eindrucksvoller Weise gelungen, ein Gesellschaftsbild des beginnenden 20. Jahrhunderts zu zeichnen. Seine Protagonisten gewinnen bei der detaillierten Beschreibung an Charakter und Tiefe und wenn man sich eingelesen hat, zieht einen das Buch trotz einiger Längen in seinen Bann. Obwohl ich an einigen Stellen zu kämpfen hatte, gibt es im letzten Viertel wieder einen Spannungsbogen und man wird neugierig, wie sich die Geschichte auflöst.
    Wer einen spannenden Roman mit einem erotischen touch erwartet, wird allerdings enttäuscht sein, das Buch fesselt vielmehr durch seine treffende Beschreibung der Protagonisten und die teils detailgetreue Beschreibung der einzelnen Szenen. Nur die Sexszenen nimmt der Autor da ausdrücklich aus; die reißt er bestenfalls an, bzw. die Handlungsstränge reißen ab, bevor es ernst wird. :grinTrotzdem lesenswerte 340 Seiten.

  • Ach Idgie, was erwartest du von einem Roman aus den späten 20er Jahren des letzten Jahrhunderts in punkto Sexszenen? :grin


    Das Buch habe ich mal vor Urzeiten gelesen. Kann mich zwar nicht mehr genau an Einzelheiten erinnern, aber ich weiß noch, daß ich es damals ein sehr gelungenes Werk fand, in dem Moravia die doppelte Moral und Korruption der bürgerlichen Gesellschaft anprangert und sich somit auch gegen den aufkommenden Faschismus in Italien stellt.


    Falls du allerdings Pornographie hautnah gesucht hast, warst du wohl im verkehrten Buch.
    Was heißt hier übrigens "die Handlungsstränge reißen ab, bevor es ernst wird"? Wozu meinst du, hat Gott uns am 8. Schöpfungstag die Phantasie gegeben? :-]


    Groetjes,
    Wilma :wave

  • Was mich bei Alberto Moravia immer am meisten fasziniert hat, ist das er sich als Künstlernamen den selben Nachnamen ausgesucht hat, den ich von Geburt an trage (klar bei ihm in italienischer Schreibweise). Wie ist er bloss auf den Namen gekommen frage ich mich?


    Hatte er irgendwelche Vorfahren aus Mähren? Oder wurde er von moravischen Missionaren im Dschungel gefunden und großgezogen :wow... eher nicht...

  • :grin


    Moravia war der Nachname seiner Großmutter väterlicherseits.


    Schon Albertos Vater (der Architekt), findet sich gelegentlich unter dem Namen: Carlo Pincherle Moravia.
    Es kann natürlich sein, daß ein Zweig der Familie irgendwann aus dem Mährischen eingewandert ist ...


    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Titel: Die Gleichgültigen
    OT erschienen 1929: Gli indifferenti
    Autor: Alberto Moravia
    Übersetzt aus dem Italienischen von: Tobias Eisermann
    Verlag: Luchterhand
    Erscheinen dieser Ausgabe: März 2010
    Seitenzahl: 352
    ISBN-10: 3630621813
    ISBN-13: 978-3630621814
    Preis: 10.00 EUR


    Alberto Moravia gilt nicht zu Unrecht als einer der „Klassiker“ der zeitgenössischen italienischen Literatur. Klar in der Sprache, hat er immer wieder seine Finger in die offene Wunde einer an sich selbst leidenden Gesellschaft gelegt.

    So auch in diesem Buch.


    Fünf Personen sind es, um die sich das Geschehen in diesem Buch dreht. Das ist zum einen die Witwe Mariagrazia die nicht bereit ist, die Realitäten zur Kenntnis zu nehmen. Ihr Geliebter, der aalglatte Makler Leo, hat nämlich längst seine Fühler nach der Tochter von Mariagrazzia, der vierundzwanzigjährigen Carla ausgestreckt. Und dann sind da auch noch Carlas Bruder Michele, der überhaupt nicht weiß was er mit sich und dem Leben anfangen soll – dem alles gleichgültig zu sein scheint und der die Avancen der vollschlanken Freundin von Mariagrazia, der von ihrem Ehemann verlassenen Lisa, mehr oder weniger angewidert über sich ergehen lässt.


    Diese Geschichte handelt von Menschen, die ziellos in den Tag hineinleben, immer auf der Sache nach dem vermeintlich Besonderen, die dabei aber nicht merken, dass sie von Tag zu Tag immer mehr abstumpfen, immer gleichgültiger werden. Obwohl sie sich eigentlich alle mehr oder weniger auf die Nerven gehen, Streitereien und überflüssige Diskussionen sind an der Tagesordnung, machen sie trotzdem weiter in ihrem Trott. Und als Carla sich Leo hingibt, da scheint eine Katastrophe unausweichlich.


    Alberto Moravias Roman, der 1929 erschien, hat bis heute nichts von seiner Aktualität verloren. Eine satte oder vielmehr übersättigte Gesellschaft gefangen in einer rastlosen wenn auch vergeblichen Suche nach der nächsten, nach der besonderen Zerstreuung. Doch das Neue wird nicht gefunden oder erlebt, immer wieder bewegt man sich in ausgetretenen Pfaden ohne dabei recht zu merken, dass das eigene Dasein eigentlich nur armselig ist. Die Gleichgültigkeit feiert Triumphe und kann so auch verhindern, dass die Sinnfrage gestellt wird.


    Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG meinte zu diesem Buch, das „…bei Moravia Diagnosen zur latenten Kulturkrankheit der Moderne gestellt werden….“ – und trifft es damit eigentlich ganz gut.


    Hervorzuheben ist, dass Alberto Moravia in einer klaren Sprache schreibt, er nennt die Dinge beim Namen, verklausuliert nichts, umschreibt und vernebelt nichts was auch klar ausgedrückt werden kann.


    Fazit: Ein lesenswerter Klassiker, der nichts von seiner Aktualität verloren hat.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.