Die Norwegerin Karin Fossum ist hierzulande als Autorin recht anspruchsvoller Kriminalromane bekannt. Ihre schriftstellerische Karriere begann sie Mitte der 1970er Jahre mit zwei Gedichtbänden und Erzählungen. Dazwischen lag eine lange Schreibpause. Erst seit 1992 schreibt sie wieder, nun vor allem Bücher, in denen eine Krimihandlung im Vordergrund steht. Mit ‚Also von mir aus’, der Geschichte von Jonas und Lillian, kehrt sie wieder zu ihren Anfängen zurück. Kriminalistisches enthält das Buch aber auch. Es geht um die Aufdeckung des schleichenden Sterbens von Liebe und Zuneigung. Es geht um Schuld oder Unschuld im weiten Bereich von Gleichgültigkeit, Desinteresse und Beziehungsunfähigkeit. Es geht um Unglück. Am Ende gibt es auch eine richtige Leiche.
Erzählt wird die Geschichte aus der Ich-Perspektive von der männlichen Hauptfigur, Jonas Eckel. Sein Name ist auch der Titel des norwegischen Originals, das ist eigentlich schlüssig. Für den deutschen Titel wurde interessanterweise der Schlüsselsatz der weiblichen Hauptfigur Lillian gewählt und ich frage mich seither, ob das die Lektüre beeinflußt.
Doch zurück zu Jonas. Er spielt gern mit seinem Namen, wenn er sich vorstellt, schließlich klingt es wie ‚Ekel’. Er beobachtet geradezu gierig die Reaktion der anderen darauf. Überhaupt beobachtet er die anderen, denn er findet, daß er etwas Besonderes ist und das sollen sie merken. Zugleich ist er völlig durchschnittlich und angepaßt, ein unauffälliger Mann. Seinen Lebensunterhalt verdient er als Lagerverwalter in Norwegens größten Fachgeschäft für Bürobedarf, das längst auch Supermarktfunktion angenommen hat. Im Lager lernt er die Kaffeeverkäuferin Lillian kennen, die als Kundin auf der Suche nach Kerzen ins Lager kommt und es als Ehekandidatin von Jonas wieder verlässt. Sie ahnt nichts davon, er aber macht sich mit ungewohntem Schwung auf, die Traumfrau zu erobern. Es gelingt ihm, wenn auch Lillians Antwort auf den Antrag: also, von mir aus, nicht enthusiastisch klingt.
So beginnt die Ehe zweier höchst unterschiedlicher Charaktere. Es geht schief, die Beziehung scheitert an falschen Träumen, falschen Erwartungen, der Banalität des Daseins.
Das Thema ist interessant, die Geschichte gut erzählt, vermeintlich sachlich, die Emotionalität des Ganzen ist streng gezügelt. Dabei entwickelt sich eine innere Spannung, die die Neugier auf die beiden Hauptpersonen wach hält bis zum bösen Ende. Es gibt einige überragend gute Szenen, traurige, schöne, verrückte, manche ziehen sich über Seiten, andere sind nur zwei, drei Sätze lang. Die Sache mit dem Kaninchenfellmantel z.B., Lillians Kaffee, Jonas’ Kollegen, der Abend, an dem Lillian nicht nur sich Likör einschenkt, sondern auch Jonas Cognac bringt, der Goldenen Mann, jene lebende Skulptur am Urlaubsort. Es ist eine Geschichte voller Überraschungen, ungeahnter Einblicke und Einsichten.
Auf der anderen Seite entsteht eine Distanz zu den Personen, zunächst vor allem zu Lillian, da wir sie ja nur aus Jonas’ Augen zu sehen bekommen. Aber auch Jonas ist nicht wirklich faßbar, er hat zuviel Raum sich zu heroisieren. Die Brüche, die Schwindeleien, Lügen und Selbsttäuschungen sind eingebaut, kommen aber zu spät zum Tragen. Was auch fehlt, sind Hinweise auf die Zeit, die vergeht. Spielt das alles in wenigen Monaten, in wenigen Jahren oder ist es eine Entwicklung über viele Jahre? Man muß vieles, was da an Entwicklung geschildert wird, als Gegeben hinnehmen, dem Ablauf des Räderwerks mit Blicken folgen, ohne daß man genau wüßte, was da abläuft. Fragen bleiben offen, zuviele vielleicht.
Eine nicht unbedingt schlüssige, aber gut geschriebene und gut erzählte merkwürdige Ehe-Geschichte.