Oblomow - Iwan Gontscharow

  • Zum Buch:


    Oblomow ist als Sohn Landadliger in Trägheit, Überfluss und Wohlbehütetheit aufgewachsen. Arbeit war Aufgabe der leibeigenen Bauern, die "Herrschaft" lebt gleichmütig in den Tag hinein. Jegliche Tendenzen Oblomows zur Selbständigkeit werden bereits im Keim erstickt.


    Auch als Erwachsener sieht Oblomow keinen Sinn in körperlicher Tätigkeit. Er ist faul, hat keine Ziele, liegt rum, lässt sich von seinem Bediensteten Sachar sogar die Strümpfe anziehen usw.


    Den absoluten Gegensatz zu Oblomow stellt sein Freund Stolz dar. Arbeitsam, tatkräftig, Geschäftsmann und voller Ziele im Leben. Stolz versucht immer wieder, seinem Freund "ins Leben" zu helfen.


    Als er ihn mit Olga bekannt macht, werden tatsächlich Oblomows Lebensgeister geweckt: er schläft nicht mehr, blüht auf, wird handlungsbereit und liest sogar Bücher :grin


    Ob die Liebe zwischen den beiden Oblomow "rettet"?



    Zum Autor:


    Iwan Aleksandrowitsch Gontscharow wurde am 18.6.1812 in Simbirsk als Sohn eines Kaufmanns geboren. Nach dem Studium der Literatur war er einige Jahre im Staatsdienst tätig. Seine Karriere als gefeierter Romancier des russischen Realismus begann 1847 mit dem ersten Roman "Eine alltägliche Geschichte" und erreicht ihren Höhepunkt in "Oblomow" (1859). Gontscharow starb am 27.9.1891 in St. Petersburg.


    Meine Meinung:


    Zuerst war ich einfach neugierig darauf, wie man ein Buch über eine absolut gelangweilte, träge Person schreiben kann und über 600 Seiten spannend mit dieser Thematik gestalten kann. Aber es funktioniert. Die Beschreibungen Gontscharows sind sehr detailliert, zudem beinhaltet es viele lebendige Dialoge. Anfangs erinnert es an ein Bühnenstück:


    Kaum zu glauben, aber Gontscharow beschreibt auf etwa zweihundert Seiten den Versuch seines Helden, am Samstag, den 1. Mai 1843, aus dem Bett zu steigen. Sieben Personen erscheinen im Laufe des Vormittags und bemühen sich jede auf ihre Weise, Oblomow zum Aufstehen zu bewegen. Und es ist tatsächlich spannend :grin


    Der mittlere Teil ist der Beziehung O.s zu Olga gewidmet. Hier entwickelt sich eine Romanze, mit der sich Gontscharow ausgiebig auseinandersetzt. Für meinen Geschmack etwas zu viel.


    Am Ende kristallisiert sich das raus, was ich schon befürchtet hatte: Oblomow verfällt wieder in seine Lethargie.


    Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Ein Anti-Held, über den man sich einerseits aufregt aufgrund seiner Trägheit, andererseits Empathie entwickelt. Es liest sich in einem weg. Nicht zuletzt hat Gontscharow hier eine gesellschaftskritische Abhandlung erschaffen. Die Parteien sind klar umrissen in den Figuren Oblomow und Stolz. Deren Charaktere sind so deutlich und übertrieben gegensätzlich, dass sie Platzhalter für gesellschaftliche Tendenzen in der damaligen Zeit in Russland darstellen: einerseits der Landadel im Überfluss und sinnentlehrt, andererseits die aufsteigende wirtschaftliche Entwicklung, der Fortschritt und die Industrialisierung.


    Ich kanns auf jeden Fall empfehlen. Der mittlere Teil und die Geschichte um Olga ist mir persönlich zwar etwas zuuu kitschig ausgefallen, verstehe aber, dass dies vonnöten war, um die Gefühlstiefe und aufsteigende Lebendigkeit Oblomows klar aufzuzeigen.

  • Mina,
    so allmählich beschleicht mich der Verdacht, daß Du Dich heimlich an meinem Bücherregal bedienst!
    :lache


    Ist verrückt, das Buch, gell? Ich mag es ziemlich gern.


    :wave
    magali, in sonntäglicher Oblomow-Stimmung, aber immerhin bereits in Strümpfen :lache

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • *grins* magali, das kann gut sein, hast schonmal geschaut, ob nicht einige Bücher bei Dir fehlen?? :-]


    Hoffe, die Strümpfe hast Dir selbst angezogen und nicht vom "hauseigenen Bediensteten" :lache

  • Hab grad geguckt, alles noch da, uff! :lache
    Aber auffällig ist es schon. :gruebel


    Ja, anziehen mußte ich mich selber, der hauseigene Bediente, der btw der eigentliche Besitzer 'unseres' Oblomow ist ;-), räumt nämlich die Spülmaschine aus.
    ;-)


    Meine (ähem) Ausgabe ist eine alte Buchgemeinschaft 'Weltliteratur-Ausgabe', in blauem Kunstleder mit silbernen Schmuckbändern draufgeprägt.
    Übersetzt ist es von einem Reinhold Walter. Ein Nachwort hat es auch, von Alfons Paquet.


    :wave

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Dem Urteil der Rezensentin schließe ich mich an. Kleine Geschichte am Rande:
    Ein Bekannter erzählte mir einmal, er habe vor seinem Examen mit Kollegen eine "Oblomowiade" veranstaltet: Wer zuerst anfängt, etwas für die Prtüfung zu tun, fliegt raus.
    Kann es sein, dass solche Oblomowiaden klammheimlich in manchen Amtsstuben veranstaltet werden?

    "Hebt eure Prinzipien für die wenigen Augenblicke im Leben auf, in denen es auf Prinzipien ankommt. Für das meiste genügt ein wenig Barmherzigkeit."
    (Albert Camus)

  • Ich habe das Buch nun auch gelesen und alles in allem hat es mir gut gefallen. Insbesondere im Mittelteil hat es ein paar Längen, aber abgesehen davon liest es sich flüssig und zaubert bei manchem Leser sicherlich ein Grinsen -ob der Trägheit von Oblomow- auf's Gesicht. Wie mina schon schrieb, schildert Gontscharow im ersten Drittel des Buches im Wesentlichen den Versuch Oblomow's aus dem Bett zu kommen :grin


    Etwas ärgerlich fand ich, dass bei meiner Ausgabe (vom Insel Verlag) in der Inhaltsangabe gleich die gesamte Handlung verraten wurde - da stellt sich die Frage, ob Oblomow es schafft, sich zurück ins Leben zu werfen, dann nicht mehr.


    Von mir gibt's 7 Punkte.

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

  • Dieses Buch habe ich letztes Wochenende von meiner 85-jährigen Tante geschenkt bekommen. Da sie nur noch schlecht lesen kann und ihre Klassiker bei mir in guten Händen vermutet, hat sie es mir überlassen.


    Von allen zehn Büchern hat sie mir dieses als besonders gut ans Herz gelegt, mal sehn, wann ich es lese :gruebel vorgenommen habe ich es mir für den Herbst :-]