Historische Informationen

  • Achtung, das wird hier nun sehr spoilerisch, wenn man den Ablauf des 7. Kreuzzugs nicht kennt!


    Kapitel 3


    Die Schilderung des Kreuzzugs und speziell Mansurahs deckt sich ziemlich genau mit denen des historischen Joinville, natürlich ohne schwarze Sänfte. Aber auch Joinville erzählt, daß Robert von Artois, vom Hafer gestochen, Guy de Plessis beleidigt hat woraufhin der sich bemüßigt gefühlt hat, zu entgegnen, daß er kein Feigling ist – und das Ergebnis war das gleiche.
    Joinville berichtet tatsächlich, daß de Sonnac vor der Stadt erst einen Pfeil in das eine Auge bekommen hat, was er noch überlebt hat, aber dann später noch einen ins andere, was sein Ende war. Teuflisches Pech nenne ich sowas.


    Kapitel 4


    Non nobis
    „Non nobis domine, non nobis sed nomine tuo da Gloriam“ (Nichts für uns, Herr, nichts für uns, sondern alles zu Ehren Deines Namens) war der Leitspruch der Templer, deshalb bezeichnet Joinville das hier als eine Hommage an sie und ihre Opfer.
    Tja, das zum Thema, ob es sich für de Sonnac gelohnt hat, dem Kreuzzug das Scheitern zu wünschen.

  • Spoilerwarnung gilt weiterhin. Hier kommt jetzt der Rest, aufgeteilt nach den verbleibenden Leseabschnitten.


    Kapitel 5


    Die Lösegeldverhandlungen und Ordensburgen
    Das dürfte ebenfalls ziemlich detailliert aus Joinvilles Chronik stammen.
    Was die Bemerkung betrifft, den Ritterorden wäre es verboten, ihre Burgen gegen Gefangene zu tauschen, so stimmt das. Überhaupt war es gegen die Regel, ihre Ritter freizukaufen, weshalb ein gefangener Templer oder Johanniter mit dem Tod oder lebenslanger Gefangenschaft rechnen mußte.
    (Ob das auch für die Deutschordensritter galt, weiß ich nicht. Anzunehmen, da sie sich an den anderen beiden orientierten.)
    Als Bsp. für dies gilt der Templergroßmeister Odo de St. Amand, der gegen einen Verwandten Saladins hätte getauscht werden sollen, was er selbst abgelehnt haben soll. Er ist also in Gefangenschaft gestorben. Als Gegenbsp. Großmeister Gerard de Ridefort, der sich später, nach Hattin, sehr wohl hat austauschen lassen, und das gegen Übergabe einer Templerburg. Angeblich sogar drei. Die Regel hatte schon ihren Sinn. Männer, auch Großmeister, waren ersetzbar, Festungen nicht so einfach.


    Königin Marguerite
    Nach Joinville hat sie ihren Sohn tatsächlich in Gesellschaft eines „alten Ritters“ geboren. Somit ist auch unser Sigbert eine historische Fußnote. Auch die Worte, daß er sie eher töten würde, als sie in Gefangenschaft geraten zu lassen, stammen von Joinville.
    Ihrem hier geborenen Sohn Jean-Tristan sollten Kreuzzüge zum Schicksal werden. Er wurde gezeugt und geboren während des 7. und ist nur 20 Jahre später während des 8. gestorben.


    Turanshahs Tod
    Hier nun also berichtet der historische Joinville, daß ein Mameluck namens Faressedrin Oktay dem ermordeten Sultan das Herz aus der Brust geschnitten hat. Schöne Ironie, daß Berling daraus den einzigen gemacht hat, der ihn eigentlich nicht töten wollte und daß er diese barbarische Tat hier nur deshalb begeht, um so zu tun, als würde er den Mord gutheißen, um Madulain und die Kinder schützen zu können.


    Kapitel 6


    ... wer ohne Not übers Meer zieht ...
    Entstammt auch der Chronik. Geschickt, wie Berling das hier zu einem Schlüsselerlebnis im Thronstreit macht.

  • Buch 3


    Kapitel 1


    Die Templer und das Lösegeld
    Das ist eine sehr interessante Begebenheit. Der historische Joinville berichtet sie fast genauso: Der Komtur d’Otricourt verweigert die Herausgabe des Geldes, das dem Tempel von Klienten anvertraut worden ist, woraufhin Vichiers vorschlägt, Joinville soll es sich mit Gewalt nehmen. Sobald der zur Axt greift, läßt er ihm die Schlüssel auch schon aushändigen.
    Der einzige Unterschied (von Williams Anwesenheit abgesehen) ist, daß d’Otricourt im Roman die Übergabe verweigert, weil der Orden kein Geld für Lösegeld zahlt. Was, wie Roman-Joinville bemerkt, etwas unsinnig ist. Der historische Grund, daß sie das Geld nicht hergeben können, weil es ihnen nur anvertraut wurde, gibt schon mehr Sinn. Daher findet Vichiers, in beiden Versionen, eine wahrlich salomonische Lösung, um alle zufriedenzustellen.
    Erstaunlicherweise wird diese Geschichte oft zitiert, um den Templern Geldgier vorzuwerfen. Ich sehe nicht, wo d’Otricourt oder Vichiers unkorrekt gehandelt haben, der eine streng nach den Vorschriften seines Ordens, der andere, der die Macht dazu hatte, diplomatischer. Wobei es natürlich sein kann, daß Joinville Vichiers die salomonischen Worte in den Mund gelegt hat, da er ihn mehrere Male ausdrücklich als Freund bezeichnet.


    Kapitel 2


    Henri de Ronay
    Ich bin verwirrt, ich dachte Jean de Ronay wäre der stellvertretende Johanniter-Großmeister. Und hier lebt er ja noch. Riley-Smith schreibt nämlich, er wäre 1250 auf dem Kreuzzug gestorben. Vielleicht wird er hier mit einem anderen hohen Würdenträger namens de Ronay verwechselt.


    (Bei dem Kapitel paßt sowieso was nicht ganz im Anhang. Wieso werden uns An-Nasir und Ingolinde noch mal vorgestellt?)


    Würfelspiel der königlichen Brüder
    Auch das berichtet Joinville, nur daß Alphonse und Charles bei ihm auf einem Schiff spielen. Ludwig ist empört darüber, daß sie sich solchen Zerstreuungen hingeben, wo noch so viele im Kerker schmachten.


    Templer und exkommunizierte Ritter
    Wenn Gavin davon spricht, daß es für Yves’ Bitte in den Orden aufgenommen zu werden, sogar noch gut wäre, wenn er exkommuniziert wäre, spricht er damit eine interessante Frage an. Grundsätzlich heißt es in der Templerregel von 1128 nämlich, daß sie Exkommunizierte meiden sollten. Gleich im nächsten Paragraphen heißt es aber, daß sie „Verdorbene“ nach einer Probezeit aufnehmen könnten. Sie hatten also durchaus eine Funktion im Sinne von „Sozialhygiene“, vom Weg abgekommenen, reuigen eine Möglichkeit zu bieten, ihr Leben Gott zu widmen, wobei damit natürlich nicht zwangsläufig die Exkommunizierten gemeint sein müssen. Was in einem Ritterorden sicher für manche Sünder eine bessere Gelegenheit war, als in einem gewöhnlichen Mönchsorden.
    Die Frage der Exkommunizierten ist eine Streitfrage, denn in einem späteren Absatz, über das Reisen heißt es: „Wo sie aber hören, daß sich nicht exkommunizierte Ritter versammeln, dorthin heißen wir sie, nicht so sehr den zeitlichen Nutzen, sondern deren ewiges Seelenheil im Auge habend, sich aufmachen.“ Der gleiche Satz existiert in einer anderen Ausgabe der Regel auch ohne „nicht“, was dann zwar ein Widerspruch zu oben wäre, aber im Satz selbst mehr Sinn geben würde.
    Nun, klügere Köpfe als meiner haben sich darüber schon den Kopf zerbrochen. Jedenfalls ist es diese Kontroverse, die Berling durch Gavin hier anspricht.


    Wobei sich mir sowieso die Frage stellt, warum Yves nicht auf die Ritterschaft verzichtet und stattdessen als Dienender Bruder um Aufnahme ersucht, denn die Ordensritter waren ja nur ein Teil der Templer. Adelig mußte man nur sein, um Tempelritter zu werden, aber nicht Bruder des Templerordens. Aber, das ist Yves wohl zu minder und der Orden will ihn sowieso nicht haben.


    Kapitel 3


    Tod Kaiser Friedrichs II
    Normalerweise schätze ich übersinnliches in historischen Romanen wenig, aber hier finde ich Johns Vision recht geschickt gemacht. Friedrichs Tod hat ja nicht nur für seine Untertanen und Anhänger Bedeutung, sondern verändert das gesamte Machtgefüge.
    Noch halten sich die Capets zurück, da mit Konrad IV ein rechtmäßiger Erbe da ist. Als aber Manfred nicht wirklich rechtmäßig über Sizilien herrscht, erlaubt Ludwig Charles d'Anjou nach Sizilien zu greifen. Daß es mit Konradin noch einen sehr wohl rechtmäßigen gab, muß er übersehen haben.

  • Kapitel 4


    Gesandtschaft der Assassinen
    Auch das wird vom historischen Joinville ziemlich genauso berichtet.


    Templer und Damaskus
    Die Templer haben sich immer eher an Syrien und Damaskus orientiert, und die Johanniter an Ägypten und Kairo. Hier läßt Berling eine sehr interessante von Joinville geschilderte Begebenheit aus. Der Tempel hat, hinter dem Rücken Ludwigs, eigene Verhandlungen mit An-Nasir geführt. Als Ludwig davon hörte, zwang er Vichiers, sich mit all seinen Rittern öffentlich vor ihm zu demütigen und ihn um Vergebung zu bitten. Erstaunlich, da der Tempel eigentlich nur dem Papst Rechenschaft schuldig war. Es dürfte aber das Verhältnis von Vichiers und Ludwig nicht getrübt haben. Doch vielleicht das des Großmeisters zu seinem Orden. Es wird vermutet, daß Vichiers nicht bis zu seinem Tod als Großmeister geherrscht hat, sondern vorzeitig zum Abtritt und Rückzug ins Kloster gezwungen wurde und bereits vor 1256 durch Thomas de Berard abgelöst wurde. Und zwar gerade weil er den Tempel in Verlegenheit gebracht hat und sich zu sehr von Ludwig gängeln ließ. Das ist aber nicht gesichert.


    Kapitel 5


    Königin Marguerite
    Sie wird hier als eifersüchtige Mordlüsterne extrem negativ dargestellt, was wir unter schriftstellerischer Freiheit verbuchen können. Das Bild Joinvilles zeigt eher eine freundliche junge Frau, die sehr unter der „Heiligkeit“ ihres königlichen Gatten und ihrer starken, eifersüchtigen und fordernden Schwiegermutter Blanca von Kastilien gelitten hat. Doch Intrigen waren auch Marguerite nicht fremd. Sie hat zB Zeit ihres Lebens gegen Charles d’Anjou intrigiert, da sie es sehr übel genommen hat, daß er als Mann ihrer jüngsten Schwester Beatrice das Erbe ihres Vaters, die Provence bekommen hat.


    Kapitel 6


    Manfred und Konrad IV
    Interessanterweise sehen Berling und ich die kaiserlichen Söhne sehr unterschiedlich. Ich halte Manfred nicht für einen „blendenden, fähigen Herrscher“. Er war ein beeindruckender Mann, doch ist es nicht zuletzt seine eigene Schuld, daß er sein Königreich (und sein Leben) an d’Anjou verloren hat, da er die Verteidigung Siziliens vernachlässigt hat.
    Was an Konrad nach Berlings Urteil „schwach“ gewesen sein soll, weiß ich auch nicht. Zwar mußte er Deutschland nach dem Tod seines kaiserlichen Vaters vorerst auf Eis legen – oder zumindest in die Hände seines Schwiegervaters Otto II von Wittelsbach -, aber er war alles andere als schwach, als er sich sein Königreich Sizilien gesichert hat, auch gegen seinen ihm etwas suspekten Halbbruder Manfred. Er hat Innozenz IV jedenfalls heftige Kopfschmerzen bereitet, weshalb dieser während Konrads kurzer Regierung stark um d’Anjou gebuhlt hat, was er immer dann getan hat, wenn er keine Chance gesehen hat, sich der Staufer ohne fremde Hilfe zu entledigen.
    Aber die Beurteilung der Kaisersöhne ist immer sehr unterschiedlich in der Literatur.


    Schwager Lazarus
    Das steht in der Tradition von Lincoln/Baigent/Leigh („Der heilige Gral und seine Erben“), dem Prieuré de Sion und sang réal-Buch schlechthin. Dort wird argumentiert, daß Maria von Magdala eine der beiden Frauen ist, deren toten Bruder Lazarus Jesus erweckt.


    Kapitel 7


    Die Chronik
    Nun darf Berlings Joinville sie also schreiben, die zensurierte Fassung. Der Kreis schließt sich, denn in seiner Lebensbeschreibung ganz oben heißt es, daß er sie erst viel später tatsächlich geschrieben hat, im Zuge der Bemühungen um die Kanonisierung Ludwigs IX des Heiligen. Aber vielleicht hatte er ja Notizen ...


    Finis

  • Zitat

    Original von Pelican
    Es ist und bleibt ein Privileg mit Grisel Berling zu lesen :anbet :anbet


    Wenn ich könnte, würde ich Dir ein Date mit diesem Mann organisieren. Kann ich aber leider nicht. :-(


    Danke schön!
    Ist vielleicht besser so, ich wäre wohl komplett wortlos und er vielleicht nicht so angetan von mir und meinen Äußerungen. Immerhin :anbet ich ihn nicht nur, ich entzaubere und kritisiere ihn sogar. :wow

  • Zitat

    Original von Grisel
    ...
    Ob der historische Jean de Joinville tatsächlich ab einem gewissen Zeitpunkt impotent war, weiß ich nicht. Es ist mir bislang nicht gelungen herauszufinden, ob er danach noch Kinder hatte. Auch weiß ich nicht, ob er je an Friedrichs II Hof war, ob unfreiwillig oder nicht.
    ...


    Ob Joinville je impotent war weiß ich nicht allerdings hatte mindestens 5 Kinder.
    Um die Jahre 1244/45 heiratete er Adelaide de Grandpré mit der er einen Sohn namens Jean hatte.
    1261 heiratete er ein zweites Mal. Alix de Reynel war die Glückliche, die ihm die Söhne Anseau (welcher der Stammhalter sein wird) und André, sowie die Töchter Margarethe und Alix (Adelaide).


    Auch ob Joinville je am Hof Friedrichs II. von Hohenstaufen war weiß ich nicht. Dafür aber waren sie verwandt. Herzog Friedrich II. von Schwaben ist ihr gemeinsamer Vorfahr.


    Friedrich II. "der Einäugige"
    (Herzog von Schwaben)
    |
    Bertha von Hohenstaufen
    (Schwester Friedrichs I. "Barbarossa", Großtante Friedrichs II.)
    (Ehefrau Herzog Matthäus I. von Lothringen)
    |
    Judith von Lothringen
    (Ehefrau von Graf Stephan II. von Auxonne)
    |
    Stephan III.
    (Graf von Auxonne)
    |
    Beatrix
    (Ehefrau von Simon de Joinville)
    |
    Jean de Joinville


    Hier ein bisserl was über die Joinvilles:
    http://de.wikipedia.org/wiki/L…%BCrsten%29_von_Joinville

  • Schön, daß dieser Thread hier noch ausgegraben wird. Danke für die Zusatzinfo, Paule! Die Frage der Impotenz scheint mit den Kindern aus der zweiten Ehe nun geklärt. Und auch danke für den Stammbaum, ich konnte die Verbindung nicht herstellen. Sehr hilfreich, dankeschön!!!

  • Zitat

    Original von Grisel
    Eh nicht, aber ich habe ganz andersrum die Befürchtung, Euch hier mit etwas zwangszubeglücken, was Ihr vielleicht nicht wollt und das hier als Spielwiese meines Egos zu mißbrauchen.


    Das ist große Klasse Grisel ... schade bloß, dass ich von Deiner Existenz noch nichts wußte, als ich vor Jahren den Berling das erste Mal gelesen habe. Ich hätte mich aufrund meiner großen Lücken, was das Historische angeht, gerne zwangsbeglücken lassen *g.
    Meine im Vergleich dazu stümperhaft zusammengesuchten Info's habe ich gerade verschämt gelöscht und führe mir nun Deine ausführlichen nachträglich zu Gemüte.


    Begeisterte Grüße :anbet
    Shirat

    Viele Grüße
    Shirat


    Ich habe eiserne Prinzipien. Wenn sie Ihnen nicht gefallen, habe ich auch noch andere. (Groucho Marx)

  • Zitat

    Original von Grisel
    ...
    :lache Mit der Schwester klingt das gleich noch komischer. Was er wohl meint, ist daß Parsifal offenbar auch eine Schwester namens Esclarmunda hatte, obwohl ich mich nicht erinnern kann, daß mir die bei Eschenbach untergekommen ist. Aber ich habe nur eine gekürzte Fassung gelesen und das ist ewig her. Vielleicht bezieht er sich auch auf eine andere Parsifal-Variation.
    Allerdings ist Esclarmunde de Foix lt. dem Stammbaum in "Die Ketzerin" RR II Trencavels Cousine, da ihre Mutter eine Halbschwester seines Vaters war. Allerdings hat ihr Sohn eine andere Cousine von ihm, von den Tolosanern, geheiratet. Äh, wie auch immer. Ich liebe es, Stammbäume zu lesen und zu entschlüsseln.


    Hallo alle miteinand :wave


    Die Sache mit Bruder = Schwester hab ich so verstanden das es Wolfram von Eschenbach war der in den historischen Persönlichkeiten Ramon Roger Trencavel und Escarmonde von Foix die Vorbilder für seinen Parsifal und dessen Schwester Herzeloide sah.


    Die von Berling angegebenen realen verwandtschaftlichen Verhältnisse sind übrigens korrekt.
    Ramon Rogers Tante Cécilie, Halbschwester seines Vaters Roger II., war mit Graf Roger Bernard I. von Foix, gen. "der Fette", verheiratet. Ihre Tochter war besagte Esclarmonde. Diese war mit Jourdain III. de l'Isle-Jourdain verheiratet mit dem sie einen Sohn namens Bernard II. hatte, der wiederum mit India von Toulouse (Ramon Rogers Cousine) verheiratet war.


    Ramon Roger war übrigens in zweifacher Hinsicht der Cousin von Indira.
    Zum einen war seine Mutter (Adelaide von Toulouse) die Tante Indiras. Zum anderen war Ramon Rogers Tante, Beatrix Trencavel, die Mutter Indiras.


    Ja, auch ich liebe es Stammbäume zu durchforsten. :lache

  • Zitat

    Original von Grisel
    Templer und Damaskus
    Die Templer haben sich immer eher an Syrien und Damaskus orientiert, und die Johanniter an Ägypten und Kairo. Hier läßt Berling eine sehr interessante von Joinville geschilderte Begebenheit aus. Der Tempel hat, hinter dem Rücken Ludwigs, eigene Verhandlungen mit An-Nasir geführt. Als Ludwig davon hörte, zwang er Vichiers, sich mit all seinen Rittern öffentlich vor ihm zu demütigen und ihn um Vergebung zu bitten. Erstaunlich, da der Tempel eigentlich nur dem Papst Rechenschaft schuldig war. Es dürfte aber das Verhältnis von Vichiers und Ludwig nicht getrübt haben. Doch vielleicht das des Großmeisters zu seinem Orden. Es wird vermutet, daß Vichiers nicht bis zu seinem Tod als Großmeister geherrscht hat, sondern vorzeitig zum Abtritt und Rückzug ins Kloster gezwungen wurde und bereits vor 1256 durch Thomas de Berard abgelöst wurde. Und zwar gerade weil er den Tempel in Verlegenheit gebracht hat und sich zu sehr von Ludwig gängeln ließ. Das ist aber nicht gesichert.



    Das hast Du einmal mehr sehr schön zusammengefasst. Nur ein paar Anmerkungen von mir.


    Getrübt hat es das Verhältnis zwischen Ludwig und Ihm wirklich nicht. Renaud wurde späterhin sogar Pate (!) des königlichen Prinzen, dem Herzog von Alencon, der sogar auf der Templerburg Atlit geboren wurde. Das finde ich, wie überhaupt diese ganze Geschichte mit der Verhandlung und Unterwerfung mehr als erstaunlich, durfte ein Templer doch gemäß §71 OR nicht Pate stehen. Ein Großmeister offenkundig schon.


    Mich hat die von Dir beschriebene vorzeitige Ablösung eines Großmeisters etwas stutzig gemacht. Marie Luise Bulst-Thiele berichtet davon in ihrem Artikel über ihn nichts. Sie schreibt über das Ende seiner Amtszeit: Die Templer hätten von Jaffa aus einen Zug nach Süden unternommen, der ihnen zahlreiche Gefangene und viel Beute einbrachte. Dabei sei Renaud am 20. Januar 1256 gestorben. Folgt man ihr, ist er also keineswegs "unehrenhaft entlassen" worden. Mir waren bisher ohnehin nur zwei Großmeister bekannt, die ihr Amt nicht bis zum Tode innehatten: Eberhard von Barres und Philipp von Nablus.


    Vielleicht ist Deine Quelle aber aktueller? Weißt Du noch woher Du die Info hast? Die gute Bulst-Thiele hat ja schon ein paar Jahre auf dem Buckel.


    Würde mich interessieren wie es denn nun wirklich war. Das ganze scheint zwar eine Marginalie zu sein, hat aber weit reichende Folgen, glaube ich, da die anderen beiden freiwillig gegangen sind. Wenn es so war wie Du sagst, wurde Renaud ja gegangen... Spannend!

    Im Verhältnis zur Musik ist alle Mitteilung durch Worte von schamloser Art.
    Friedrich Nietzsche

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  • Ich habe mal geguckt, was ich zu dem Thema aufgeschrieben habe. Leider besitze ich die liebe Bulst-Thiele ja nicht. Schreibt sie was darüber, wann Bérard zum ersten Mal als GM genannt wird?


    Das hier habe ich gefunden, nicht wirklich befriedigend:


    Hauf/Der Mythos der Templer


    Zitat

    Ich habe auch eine ganz interessante Stelle über Renaud de Vichier gefunden, …. Zur Zeit als Ludwig IX in Outremer regierte hatten die Templer unter Vichier heimlich ein Abkommen mit Damaskus geschlossen, was Ludwig nicht gefiel. Er demütigte Vichier und die übrigen Templer und zwang ihn, das Abkommen zu lösen und seinen Marschall, Hugues de Jouy, aus Outremer auszuweisen. In diesem Zusammenhang schreibt Hauf: „Es gibt Hinweise darauf, daß die Templer ihrem Großmeister das Eingehen auf die Bedingungen Ludwigs nicht verziehen haben: Laut dem ... Chronisten ... starb Renaud de Vichier im Jahre 1257. Bereits 1252 war jedoch ein Nachfolger als Großmeister im Amt, Thomas Béraud. Wurde Renaud de Vichier, der aufgrund von Ludwigs Einfluß Großmeister geworden war, als Speichellecker gebrandmarkt und zum Abdanken gezwungen?“
    Das ist eigenartig. Laut Bulst-Thiele, der ich irgendwie mehr vertraue, war Vichier bis 1256 Großmeister. Außerdem war er unter Guillaume de Sonnac Marschall, und es war meistens der Marschall, der Nachfolger des Großmeisters wurde. Ich muß heftig bezweifeln, daß die Templer sich bei der Wahl ihres Großmeisters von irgendjemandem, sei es Papst oder französischer König, beeinflussen ließen. Auch hier ist es selbstverständlich möglich, daß das Führungsgremium des Ordens mit seinem Großmeister unzufrieden war, und ihn vielleicht sogar abgesetzt hat, aber, wie es scheint, doch erst 1256.
    Ich will ja nicht behaupten, daß ich mehr weiß als Hauf. Sie hatte weitaus mehr Möglichkeiten zur Forschung und Zugang zu Quellen, auch wenn Bulst-Thiele offenbar nicht dazu zählt. Aber dann sollte sie vielleicht genauer auf diese Unstimmigkeiten eingehen, und sie nicht als gegebene Tatsachen hinstellen.


    Wobei ich dazu sagen muß, daß ich mit Hauf ohnehin nicht grenzenlos glücklich war. Aber, die Frage scheint wieder aufgekommen zu sein:


    Demurger/Der letzte Templer


    Demurger bezieht sich hier aber interessanterweise auf B-T, S. 225-226, S. 232


    Ich brauche dieses Buch!!!


    Joinville

    Zitat

    Ludwig muß zu dieser Zeit einen ziemlichen Einfluß auf die Templer gehabt haben, auch da erwähnt wird, er habe Vichiers’ Wahl zum Großmeister unterstützt. Das ist doch recht ungewöhnlich.


    Irgendwann ist die Frage offenbar bei mir aufgetaucht und hat sich festgesetzt. Auch wenn das hier jetzt nicht wirklich befriedigend ist.

  • Liebe Grisel,


    das finde ich aber toll, wie Du Dir detaillierte Aufzeichnungen zum Gelesenen machst. Sollte ich auch tun, dann wüsste ich sicher mehr von dem was ich bisher so alles gelesen habe. Hast Du da eine bestimmte Technik? Was wird festgehalten, was nicht? Macht Du Dir während des lesens schon Notizen?


    Zitat

    Original von Grisel
    Ich habe mal geguckt, was ich zu dem Thema aufgeschrieben habe. Leider besitze ich die liebe Bulst-Thiele ja nicht. Schreibt sie was darüber, wann Bérard zum ersten Mal als GM genannt wird?.


    Zu Thomas Berard(i):
    Bulst-Thiele schreibt, es sei über ihn vor seiner Wahl nichts bekannt. Sie beginnt dann aber sehr spannend seine Herkunft geographisch und urkundlich zu verorten.

    Quintessenz:
    - Er kam sicher nicht aus Frankreich.
    - England oder Italien sind wahrscheinlicher.
    - Für England spricht: Er nennt Heinrich den III. einen „besonderen Freund“ und „lieben Herren“ / Er hielt sich dauerhaft in der Nähe von Prinz Edward auf, als dieser im Heiligen Land weilte / Er rette sogar sein Leben, als zwei Muslime ihn mit einem vergifteten Dolch verwundeten / Sein Name erscheint auf einer Liste der englischen Meister von 1442.
    - Für Italien spricht: Sein italienischer Name / Er war der einzige Großmeister der in die Verwaltung der italienischen Templerhäuser eingegriffen hat. / Auch als Italiener könnte Berardi an den englischen Hof gekommen sein.


    Zitat

    Bereits 1252 war jedoch ein Nachfolger als Großmeister im Amt, Thomas Béraud


    Zu Vichiers:
    Die Annahme der Frau Hauf, er sei bereits 1252 abgelöst wurden, dürfte wohl falsch sein. Bulst-Thiele erwähnt nicht einmal Zweifel über den Zeitpunkt seines Todes oder seiner Ablösung. Hier irrt dann wohl Hauf oder ihr Chronist (wer auch immer das ist).


    Über die Verhandlung selbst: Es ging wohl tatsächlich um nichts Staatstragendes, sondern um „ein großes Stück Land“, einen Weideplatz, den der Sultan mit den Templern teilen sollte.


    Zitat

    Ich brauche dieses Buch!!!


    Ich glaube, ich habe das schon mal erzählt: Ich habe mir die Bulst-Thiele in der UB ausgeliehen, kopiert und binden lassen. Ist nicht schön, aber zweckmäßig. Die Chance das Buch antiquarisch aufzutreiben geht gegen Null.

    Im Verhältnis zur Musik ist alle Mitteilung durch Worte von schamloser Art.
    Friedrich Nietzsche

  • Zitat

    Original von Siorac
    das finde ich aber toll, wie Du Dir detaillierte Aufzeichnungen zum Gelesenen machst. Sollte ich auch tun, dann wüsste ich sicher mehr von dem was ich bisher so alles gelesen habe. Hast Du da eine bestimmte Technik? Was wird festgehalten, was nicht? Macht Du Dir während des lesens schon Notizen?


    Technik habe ich gar keine. Ich habe in der ersten Begeisterung und aus heftigem Mitteilungsbedürfnis angefangen, einfach alles was mir eingefallen ist aufzuschreiben aus meinen mittelalterlichen Büchern, ohne Struktur. Als es etwas zu viel geworden ist, um noch irgendwas zu finden, habe ich angefangen, es parallel zu führen. Einerseits weiterhin direkt in einer Wurst (ist eine Tradition, die ich nicht aufgeben möchte) und gleichzeitig in Extradateien nach Themen sortiert. Einfach nur Word.


    Bei Vichiers zB habe ich jetzt einfach meine Templer-Aufzeichnungen durchforstet. Das Problem ist nur, dass nicht zwangsläufig alles dort ist, wo es hingehört. Wenn ich jetzt zB in einem als „Kreuzzug“ eingeordneten Buch was über die Templer aufgeschrieben habe, steht es unter „Kreuzzug“ und nicht unter „Templer“. Es hilft also sehr zu wissen, was ich aus welchem Buch habe. Und das ist aber nicht immer so einfach.
    Manchmal weiß ich genau, dass ich was aufgeschrieben habe, finde es aber nicht mehr. Ich nenne das den "Fluch des Baphomet", der heimlich meine Dateien teilweise gelöscht hat. Das scheint mit Vichiers auch passiert zu sein, da ich dachte, ich hätte mehr über das Thema gelesen.


    Die Nebenaufzeichnungen hängen vom Buch ab. Wenn es einfach nur irgendein Roman ist, schaffe ich das aus dem Gedächtnis, mache aber immer wieder Zwischenstopps. Bei Sachbüchern lese ich immer mit Kuli und Papier nebenbei. Ist zwar ein bisschen mühsam, aber geht automatisch.
    Das Problem ist nur, dass diese Art zu lesen mit dem parallelen Aufschreiben zeitaufwändig ist, weshalb ich in letzter Zeit – lästiger Job … - weniger MA lese als früher. Aber missen möchte ich es auch nicht. Es macht mir viel zu viel Freude, um damit aufzuhören. Vor allem, wenn ich es dann doch mal sinnvoll wiederverwerten kann.
    Im Prinzip ist es wie eine Leserunde, die ich mit mir selbst mache. Aber auch ganz praktisch, denn ist ja oft so, dass einem beim Schreiben Details auffallen oder Ideen kommen, die sonst nicht gekommen wären. Und ich komme dabei manchmal so schön vom Hundersten ins Tausendste.


    Zitat

    Zu Vichiers:
    Die Annahme der Frau Hauf, er sei bereits 1252 abgelöst wurden, dürfte wohl falsch sein. Bulst-Thiele erwähnt nicht einmal Zweifel über den Zeitpunkt seines Todes oder seiner Ablösung. Hier irrt dann wohl Hauf oder ihr Chronist (wer auch immer das ist).


    Ich würde das auch so abtun, wenn nicht auch Demurger die Frage angesprochen hätte. Er ist mein Templer-Literatur-Götze. Also scheint es da zumindest irgendeinen begründeten Zweifel daran zu geben, unter welchen Umständen Vichiers sein Amt beendet hat.


    Zitat

    Ich glaube, ich habe das schon mal erzählt: Ich habe mir die Bulst-Thiele in der UB ausgeliehen, kopiert und binden lassen. Ist nicht schön, aber zweckmäßig. Die Chance das Buch antiquarisch aufzutreiben geht gegen Null.


    Wäre zu schön, wenn sie mal neu aufgelegt werden würde.

  • Zu Deiner „Mitschrift“: Ich finde das genial, hätte aber, glaube ich, nicht die Ruhe dafür. Ich klebe mir höchstens ein paar kleine, beschriftete Post-It’s an bemerkenswerte Stellen. Für mehr reicht es nicht. Was aber natürlich regelmäßig dazu führt, dass ich Erkenntnisse die ich noch gestern für Sensationell gehalten habe, heute schon nicht mehr weiß.


    Zitat

    Original von Grisel


    Ich würde das auch so abtun, wenn nicht auch Demurger die Frage angesprochen hätte. Er ist mein Templer-Literatur-Götze. Also scheint es da zumindest irgendeinen begründeten Zweifel daran zu geben, unter welchen Umständen Vichiers sein Amt beendet hat.


    Ich bin natürlich auch nicht sicher. Habe aber mal bei Barber in seinem Templerbuch nachgeschaut, und er spricht auch vom Jänner 1256 - auch ohne irgendwelche Unstimmigkeiten zu erwähnen. Kann das jetzt nicht genau zitieren, weil ich gerade in Graz bin.


    Nunja, man wird es leider nicht klären können. Vielleicht sogar zum Glück. Sonst hätten wir an den Templern doch nur halb so viel Freude, oder?


    Letztlich ist es auch nicht wichtig genug, um diesen schönen Thread, der ja nun wirklich einzig Dir gehört, damit unnötig zu verlängern.


    Wirklich eine tolle Arbeit, bei der man in jedem Satz Deine Liebe für den Gegenstand spürt.

    Im Verhältnis zur Musik ist alle Mitteilung durch Worte von schamloser Art.
    Friedrich Nietzsche

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  • Zitat

    Original von Siorac
    Zu Deiner „Mitschrift“: Ich finde das genial, hätte aber, glaube ich, nicht die Ruhe dafür. Ich klebe mir höchstens ein paar kleine, beschriftete Post-It’s an bemerkenswerte Stellen. Für mehr reicht es nicht. Was aber natürlich regelmäßig dazu führt, dass ich Erkenntnisse die ich noch gestern für Sensationell gehalten habe, heute schon nicht mehr weiß.


    Jetzt würde ich damit auch nicht mehr anfangen. Aber das war damals in der Studienzeit, wo ich gewöhnt daran war, viel zu schreiben. Und ich hatte mehr Zeit. Habe praktisch in der Unibibliothek gewohnt. War auf jeden Fall häufiger dort, als in der von meiner WU. :lache
    War schon eine schöne Zeit, der Anfang, wo ich jeden Monat verzückt mit einem Stapel MA-Bücher unterm Arm heimgegangen bin.
    Nur, da es schon mal da ist, kann ich jetzt gar nicht anders, als weiterzumachen. Aber halt eben nur wenige Bücher pro Jahr. Und Sachbücher noch seltener.


    Zitat

    Nunja, man wird es leider nicht klären können. Vielleicht sogar zum Glück. Sonst hätten wir an den Templern doch nur halb so viel Freude, oder?


    Stimmt. Ist eine von den Fragen, die bei mir im Hinterkopf geparkt sind. Und als "Berling"-GMs interessieren mich Sonnac und Vichiers sowieso besonders.


    Zitat

    Letztlich ist es auch nicht wichtig genug, um diesen schönen Thread, der ja nun wirklich einzig Dir gehört, damit unnötig zu verlängern.


    Nicht doch, das hier macht mir auch Freude, und der Thread ist nicht meiner, sondern der von allen, die die Bücher lesen und Freude daran haben.


    Zitat

    Wirklich eine tolle Arbeit, bei der man in jedem Satz Deine Liebe für den Gegenstand spürt.


    Das ist ein schönes Kompliment, danke! Denn es ist wahr, ich liebe es sehr, meine Mittelalterei.


    Danke, Berling. Wieder und immer wieder. :anbet