Ernst Jünger - In Stahlgewittern

  • Titel: In Stahlgewittern
    Autor: Ernst Jünger
    Verlag: Klett-Cotta
    Erschienen: 44 Auflage – Januar 2001
    Seitenzahl: 325
    ISBN: 360895208X



    Der Autor:
    Ernst Jünger, geboren in Heidelberg am 29. 3. 1895, gestorben am 17. 2. 1998. Bruder von Friedrich Georg Jünger; seine Schriften "In Stahlgewittern" (Tageb., 1920), "Der Kampf als inneres Erlebnis" (Essay, 1922) und "Feuer und Blut" (En., 1925) gelten als Verherrlichung von Soldatentum und Krieg. Später Schriften gegen Gewalt und Macht. Jüngers Teilzeitideologien sind bis heute ebenso umstritten wie seine literarischen Werke, u. a. "Der Friede" (Essay, 1945), "Eine gefährliche Begegnung" (R., 1985), "Zwei Mal Halley" (Tageb., 1987); "Die Schere" (Schriften, 1990). 1982 erhielt er den Frankfurter Goethe-Preis, 1985 das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband.


    Inhalt:
    Ernst Jünger schildert in seinem Buch den ersten Weltkrieg des Jahres 1914.


    Meine Meinung:
    Ein drittes Mal habe ich dieses Buch nun gelesen und nach wie vor ist es mir nicht gelungen, mir eine abschließende Meinung zu bilden. Ist nun eine groteske Verherrlichung des Krieges, ist es eine Hommage an die Heroen des Krieges, ist es ein sachliche Schlachtendarstellung? Oder ist es lediglich das Phantasieprodukt eines kranken Hirns.
    Jünger schildert Kämpfe, Mann gegen Mann, als ob es sich dort um einen sportlichen Wettstreit handelt. Die Leiden der Soldaten streift er nur am Rande, wenn überhaupt. Heroisch ist die Leistung des deutschen Soldaten im Kampf gegen die feindliche Übermacht, wenigstens versucht uns Jünger dieses Gefühl zu geben. Es ist auch ein Mosaiksteinchen an dem verlogenen Mythos der Dolchstoßlegende. Jünger hat mit seinem Buch sicher nicht dazu beigetragen, diese verdrehten Gedanken aus den Köpfen der Menschen zu tilgen.


    Andre Gide sagte zu diesem Buch: „In Stahlgewittern ist unstreitig das schönste Kriegsbuch, das ich kenne......vollständig gutgläubig, wahrheitsgemäß und ehrlich.“ Ein von mir sehr geschätzter Schriftsteller muss ja nicht unbedingt auch mit Intelligenz geschlagen sein.


    Einige Zeit meines Lebens war ich aktiver Offizier der Bundeswehr. Im Rahmen einer längeren Wehrübung habe ich dann leider an echten Auslandeinsatzhandlungen teilnehmen müssen – da ist nichts Heroisches dran, man scheißt sich vor Angst fast in die Hosen und der ansonsten unter sportlichen Gesichtspunkten vorgenommene Ausstieg aus dem Flugzeug ist in einer Echtsituation etwas völlig anderes, etwas das man nicht üben kann, etwas auf das man sich nicht vorbereiten kann. Was ich damit sagen will ist, dass man Jüngers Buch immer mit dem Wissen lesen sollte, Krieg ist – egal wo und wann – etwas zutiefst Widerliches, etwas das nichts und niemanden etwas nützt.


    Trotzdem sollte man dieses Buch lesen und vielleicht sofort im Anschluss „Heeresbericht“ von Edlef Köppen. Vielleicht mag sich einem dann das Wesen des Krieges erschließen.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ein schwieriges Buch, Voltaire. Uff, da hast Du was gestartet; aber es gehört diskutiert. Deshalb zumindest mal in einem ersten kleinen Wurf ein paar Gedanken dazu. Große Teile Deiner Einschätzung dürfen gerne geteilt werden. Allerdings: Ob man aus den Stahlgewittern tatsächlich etwas über das Wesen des Krieges erfahren kann, bezweifle ich. Man erfährt vielmehr über einen dunklen Teil unserer Seele (auch wenn ich das Wort nicht gerne verwende). Nicht über "das Böse". Nicht über den Krieg. Sondern über die Faszination des Kampfes. Erst in der Nähe des Tods spürt man sein Leben. Wir dürfen nicht vergessen: In den ersten Weltkrieg zogen die meisten noch, wie in ein großes Abenteuer. Im Krieg wurde man zum Mann. Wer heute im Extremen lebt, wer den Kitzel beim Klettern [hi BJ ;-) ] sucht oder bei Tempo 300 auf einer Hayabusa brezelt, der ist diesem Gedanken gar nicht so fern, wie er vielleicht möchte. Sie zogen hinaus "ins Feld", die Mädels winkten und an Weihnachten wollte man als Held in der Runde am Christbaum spannende Geschichten erzählen können. Und mancher erlebte (zunächst) noch viele der Auseinandersetzungen auch tatsächlich als ästhetisches Erlebnis. Es ist doch erstaunlich, wie bedeutsam auch heute noch bei älteren Menschen gerade diese Zeiten der Extreme (im Zweiten Weltkrieg) sind. Nicht nur aufgrund der Schrecken, sondern vor allem, weil sie so außerordentlich intensiv erlebt und empfunden wurden.


    Brauchen wir den Blick ins Verderben, um uns wirklich "tief" als Mensch zu empfinden?


    Jünger selbst hat dies später übrigens aus einer anderen Warte relativiert:
    Und süßer noch wird die Erinnerung an unsere Mond- und Sonnenjahre, wenn jäher Schrecken sie beendete. Dann erst begreifen wir, wie sehr es schon ein Glücksfall für uns Menschen ist, wenn wir in unseren kleinen Gemeinschaften dahinleben, unter friedlichem Dach, bei guten Gesprächen und mit liebevollem Gruß am Morgen und zur Nacht. Ach, stets zu spät erkennen wir, dass damit schon das Füllhorn reich für uns geöffnet war." (aus "Auf den Marmor-Klippen" von 1939)


    Und doch bleibt da bei Jünger aus meiner Sicht immer diese Faszination des Kampfes, des großen Kräftemessens der Menschheit - im Gegensatz zur gediegenen Langeweile des Alltags. Dürfen wir fasziniert sein vom Krieg? Gibt es eine Ästhetik der Gewalt? Jünger irritiert, weil das Gerede von Mut, Ehre, Soldatentugenden, Kampf und des Überlebens des Stärkeren tatsächlich viele in der Seele ansprechen. Da bedarf es nur geringer Verlockung von außen, um dies zu aktivieren. Das beunruhigt wohl auch heute noch.
    Columbo

  • Du sprichst da etwas Grundsätzliches an, Columbo. Selbst Remarque, Kirst oder Buchheim mit ihren "Anti-Kriegshelden" konnten sich im Grunde dieser Faszination des Abenteuers und des extremen Gemeinschaftserlebnisses nicht ganz entziehen. Vielleicht resultieren sogar unsere heutigen gesellschaftlichen Gewaltausbrüche aus dem Verlust der früher in Kriegen staatlich organisierten Gewalt?
    Und, Voltaire, wenn ich an meine eigene BW-Zeit denke, dann war ich damals als junger Mensch auch nicht allzu weit von solch heroischen Gedankenspielereien entfernt.
    Ich finde daß man Jünger durchaus lesen sollte, denn klarer kann man die geistige Haltung der breiten Masse im Jahre 1914 wirklich nicht schildern.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.