Hier könnt ihr Fragen stellen, die nicht das Buch der aktuellen Leserunde "Der Sohn des Tuchhändlers" betreffen.
Fragen an Richard Dübell
-
-
Lieber Richard,
mich würde mal interessieren, wie du gerade auf Krakau gekommen bist und wie es dir dort vor Ort gefallen hat und wie lange du dort recherchiert hast?
Und interessieren würde mich, wieso du gerade diese lateinischen Texte ausgewählt hast (die mir persönlich sehr gut gefallen) !?Bianca
-
Hallo Richard,
wird die Reihe um Peter Bernward noch fortgesetzt? Gibt es da Pläne oder weisst du schon, wann du die Serie beenden wirst?
-
Liebe Bibihexe,
für Krakau gab es viele Gründe.
Historisch: durch die Landshuter Fürstenhochzeit im Jahr 1475, aber auch schon vorher bestanden starke Verbindungen zwischen dem Herzogtum Landshut-Bayern (damals eines der mächtigsten Herzogtümer im Deutschen Reich) und Polen (damals das mächtigste Königreich im Osten). Krakau und Landshut als die beiden Zentren der jeweiligen Fürstentümer hingen und hängen auch heute noch sehr stark zusammen.
Die Situation der dreigeteilten Stadt (ich habe diese Situation allerdings etwas dramatisch überhöht und auch ein paar Ereignisse, zu deren Ablauf es in Wahrheit mehrere Jahre brauchte, innerhalb weniger Wochen zusammengezogen) lud außerdem ein, eine Geschichte über Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz zu schreiben.
Dramaturgisch: Für Peter Bernward als Landshuter Bürger im letzten Quartal des fünfzehnten Jahrhunderts liegt der Gedanke an Krakau nahe. Stärker als das zählt allerdings der Umstand, dass seine Gefährtin Jana aus Krakau stammt. Am Ende des TUCHHÄNDLERS verlässt Peter seine Heimat, um Jana nachzufolgen; diese Reise hat ihn im SOHN DES TUCHHÄNDLERS schließlich dort ankommen lassen, wo Jana zu Hause ist.
Hier kommt jetzt auch die Verbindung mit der Historie ins Spiel. Eine Geschichte über Intoleranz und Feindseligkeit gegenüber Fremden erschien mir als ein gutes Peter-Bernward-Vehikel, umso mehr, da er ja selbst ein Fremder in Krakau ist. Und man kann Peter viele Fehler vorwerfen, aber eines ist er nicht: intolerant und chauvinistisch.
Tagespolitisch: Polen ist neues EU-Mitglied und vielen Menschen, vor allem im ehemaligen Westdeutschland, unbekannter als die Seychellen. Ich empfand es als wichtig, das Land so bald wie möglich zum Schauplatz eines Romans zu machen. Was das Thema selbst betrifft - da brauchen wir nur Zeitung zu lesen, um festzustellen, wie brandaktuell die oben geschilderten hehren menschlichen Charakterzüge sind...
Persönlich: ich mag Polen und seine Menschen (jedenfalls die, die ich kennengelernt habe) und den Weg, den es seit dem Abschütteln der kommunistischen Herrschaft genommen hat. Das hat mir von jeher imponiert. Nachdem ich nun auch Krakau gesehen habe, kann ich außerdem sagen: Ich mag!!! Krakau! Das spielte zwar für die Konzeption des Romans keine Rolle, weil ich Krakau zu diesem Zeitpunkt noch nicht kannte, wahr ist es aber dennoch.
Ich war mit meiner Frau eine knappe Woche in Krakau. Wir hatten eine Führerin, die ehemalige polnische Generalkonsulin in Deutschland, die ich über die Verbindung zum Landshuter Kulturreferat kennenlernen und für mein Projekt gewinnen konnte. Sie hat uns alle Türen in Krakau geöffnet, so dass ich mit relativ wenig Recherchezeit vor Ort unheimlich viele Fakten erurieren konnte. Nicht die Hälfte davon hat Platz im Buch gefunden, wie es leider immer so ist...
Die lateinischen Texte: ich war auf der Suche nach etwas, das zum Thema des Buches passt und das gleichzeitig die immer weiter ansteigende Bedrohung symbolisieren soll. Ich schreibe in der Regel mit laut aufgedrehter Musik (Filmsoundtracks); ich habe den Luxus eines Arbeitszimmers unterm Dach, und meine Kinder wissen, wenn sich bei Papa hinter der Tür die Herren Goldsmith, Williams, Poledouris oder Zimmer austoben, dann hat Papa Besuch von seiner Muse, und die beiden versuchen ein bißchen zu arbeiten (um Mißverständnissen vorzubeugen: meine Muse ist männlich, sieht so aus wie Peter Bernward und ist eher ein ungeduldig-fordernder Charakter, der einen arbeiten sehen will dafür, dass er sich die Mühe macht und den Feenstaub auf einen pustet). Irgendwann dröhnte auch der Soundtrack zu DER GLÖCKNER VON NOTRE DAME durch meine Lautsprecher, und ich begann auf den Text der Chorstücke zu lauschen... und siehe da, es waren Auszüge aus Dvoraks Requiem op. 89, das sich mit dem Jüngsten Tag befasst. Da war die Idee zu den Kapiteleinleitungen geboren.
Viele Grüße
Richard -
Liebe Rosenstolz,
Deine Frage ist schwierig zu beantworten. Ich versuche es mal mit dem zeitlichen Ansatz:
2003. DAS SPIEL DES ALCHIMISTEN ist fertiggestellt. Ich bin der Ansicht, damit den finalen Peter-Bernward-Roman geschrieben zu haben, und verabschiede mich in Gedanken von dem Mann, nehme mir vor, ihn in Ruhe und Frieden alt werden zu lassen und ihn von weiteren Abenteuern und mich vom späten fünfzehnten Jahrhundert fürderhin zu verschonen.
2004 - 1. Ich stelle fest, dass außer mir kein Mensch der Meinung ist, dass DAS SPIEL DES ALCHIMISTEN die Geschichte um Peter Bernward zufriedenstellend auflöst.
2004 - 2. Meine Frau teilt die Meinung der anderen Menschen, möchte noch einen Peter-Bernward-Roman lesen und ist außerdem ganz privat der Ansicht, dass ich im SPIEL DES ALCHIMISTEN versprochen hätte, Peter nach Krakau zu führen, und sie will eine Geschichte lesen, die in Krakau spielt und dort zusammen mit mir recherchieren. Wie die meisten Autoren bin ich Wachs in den Händen meiner Frau.
2004 - 3. Georg Brun, preisgekrönter Autor und guter Freund, hört sich auf einer gemeinsamen Autofahrt meine zweifelnden Einlassungen zu meinen ersten Ideen bezüglich eines weiteren Peter-Bernward-Romans an, erklärt mir, ich habe nicht alle Tassen im Schrank zu glauben, mit dem SPIEL DES ALCHIMISTEN die Geschichte zu Ende gebracht zu haben, und meint, wenn es von der Idee, die ich ihm gerade erzählt habe, Aktien zu kaufen gäbe, würde er sie kaufen. Ich denke kurzfristig wirre Gedanken von der Ich-AG und langfristig konkrete Gedanken zum Peter-Bernward-Roman Nr. 5.
2006. DER SOHN DES TUCHHÄNDLERS ist fertiggestellt. Ich bin der Ansicht, damit den finalen Peter-Bernward-Roman geschrieben zu haben, und verabschiede mich in Gedanken von dem Mann, nehme mir vor, ihn in Ruhe und Frieden alt werden zu lassen und ihn von weiteren Abenteuern und mich vom späten fünfzehnten Jahrhundert fürderhin zu verschonen.
2007....?
Viele Grüße
Richard -
Lieber Richard,
herzlichen Dank für deine ausführliche Antwort, das macht ja richtig Lust, mal nach Krakau zu fahren!
Du hast recht, es gibt kaum Bücher über Polen, darüber hatte ich auch schon gegrübelt - das wurde ja wirklich mal Zeit! Das werd ich gleich mal an die zwei polnischen Handballer empfehlen, die ich kennZur Aktualität: Ja schade, dass es mal wieder soweit kommen musste. Wenn man den aktuellen Verfassungsschutzbericht liest, wird einem angst und bange, das nimmt ja verheerende Ausmaße an in unserem Land.
Das mit "Der Glöckner von Notre Dame" gefällt mir, klasse Idee!
Bianca