Die Wanze – Paul Shipton

  • (Bug Muldoon and the garden of fear, 1995)



    Sam Spade, Philipp Marlowe, Lew Archer? Die sind dahin. Die Wanze lebt!


    Die Sonne verzog sich angewidert hinter dem Horizont. Ich wußte genau, wie sie sich fühlte. Hinter mir lag ein langer Tag und er war noch nicht vorüber.... Meine Beine schmerzten – alle sechs – und langsam hatte ich den Fall gründlich satt... Aber es gibt gewisse Dinge, die ein Insekt eben tun muß – besonders dann, wenn es dafür bezahlt wird. Ich heiße Muldoon, Wanze Muldoon.


    Bug Muldoon, so sein Name im englischen Original, ist Privatdetektiv, der beste und billigste im Garten. Und er hat einen Auftrag, er soll Eddie wiederfinden, den seine Brüder vermissen. Eddie ist ein Ohrenkneifer. Ganz klar, wenn der Schnüffler ein Käfer ist.
    Da ein Käfer essen muß, nimmt er kurz darauf einen zweiten Auftrag an, die Ameisen haben Probleme mit einer Untergrundgruppe. Das ist zu regeln, denkt Wanze Muldoon, aber er hat die Rechnung ohne die Wespen gemacht. Und so gerät er von einer einfachen Vermißten-Sache im Handumdrehen in den Kampf um die Macht im Garten, zwischen überehrgeizigen Ameisengenerälen, einer verrückten Wespenkönigin und der schwarzen Spinne. Flügel, Fühler, Beine und Kopf sind gewaltig gefragt. Gut, daß ein tapferer Käfer sich zwischendurch in Dixies Bar - Was nicht auf der Speisekarte steht, wird auch nicht gefressen - stärken kann. Dort lernt Muldoon Wilma kennen, Grashüpfer und Starreporterin. Bald sind beide an dem Fall dran und der nimmt ein paar wilde Wendungen.


    Das ist eine kleine vergnügliche Geschichte für Krimi-Fans, die sich mal mit anderen Helden als den zweibeinigen amüsieren wollen. Es ist flott geschrieben, die Versatzstücke aus den klassischen Hard-boiled Krimis der 40er Jahre sind gut eingearbeitet, ebenso die handelsüblichen Wortspiele und Witzchen. Bilder gibt es auch, ziemlich drollige, von Axel Scheffler.
    Das Ganze ist ein bißchen brav geraten, da ein jugendliches Publikum die eigentliche Zielgruppe zu sein scheint. Aber auch erfahrenere Krimi-LeserInnen können sich ein, zwei Stunden gut damit unterhalten. Es wirkt vor allem durch die überraschende Wahl des Helden.
    Bug Muldoon ist einfach cool.


    Nachtrag zum Autor:
    Paul Shipton, wurde 1963 in Manchester geboren. Nach einem Studium der Altphilologie und Philosophie (nirgendwo Insektenkunde!) in Cambridge wurde er Lehrer im Fach 'Englisch als Fremdsprache'. Er unterrichtete in England und im Ausland, u.a. in der Türkei. Sein erstes Buch 1991 hatte 15 Seiten und war eine Sci-Fi-Geschichte für seine Englisch-SchülerInnen. Er ist verheiratet und lebt inzwischen in Wisconsin, USA.
    Auf Muldoon kam er (nach eigener Aussage), als er eines schönen Tages entspannt im Garten saß und ihm plötzlich auffiel, wie gierig die Insekten, die um ihn herumschwirrten und - krabbelten, übereinander herfielen. Stoff für einen Thriller!

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Ich bin soeben mit diesem unterhaltsamen kleinen Insektenkrimi fertig geworden und kann magali nur zustimmen. Wanze (der eigentlich ein Käfer ist) Muldoon ist mindestens so hart und cool wie seine Vorbilder. Umgeben ist er von liebevoll ausgearbeiteten Charakteren, wie etwa Zucker-Jake der Fliege oder Wilma der Reporter-Grashüpferin. Alle bekannten und benötigten Rollenbilder aus den "großen" Detektivromanen finden sich wieder und sind meiner Meinung nach gut besetzt.


    Wanze hat einen wunderbar trockenen Sinn für Humor und, wie man so schön sagt, das "Herz am rechten Fleck". Er weiß, er hat keinen schönen Job, aber irgendjemand muss ihn tun, damit der Garten in dem sie alle leben, weiterhin ein lebenswerter Ort bleibt. Die geheime Verschwörung ist natürlich für einen echten Krimifan nicht wirklich so geheim, aber dieser Roman lebt auch mehr von seiner ungewöhnlichen Umsetzung im Hinblick auf Schauplätze und Figuren.


    Ich habe mich wunderbar unterhalten gefühlt und mir auch gleich die Fortsetzung "Heiße Spur in Dixies Bar" - Paul Shipton auf meine Wunschliste gesetzt.


    8 von 10 Punkten

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Vielen Dank für die schöne Rezension, das klingt ja nach mal was ganz Anderen.


    Erinnert mich ein wenig an Moser: Ein Käfer wie ich :grin


    Es krabbelt auf jeden Fall auf meine Wunschliste...


    überzeugte Grüße von Elbereth :wave


    Nachtrag, da es aber nicht bei Schatzinsel erschienen ist, sondern bei Fischer in
    der offiziellen Reihe herumkreucht, ist es wohl auch für älteres Publikum wie uns gedacht :grin

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Elbereth ()

  • Die Fortsetzung läuft allerdings unter der "Schatzinsel". Ich vermute die Fassung von magali (die auch meine ist) soll einfach nur ein erwachsenentauglicheres Cover präsentieren. Ich halte es ursprünglich auch eher für einen Jugendkrimi.

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Shipton gilt als 'children's author'.
    Angezieltes Lesealter ist ca. 11 bis 16.


    Bugs Geschichte aber kann auch Erwachsenen Spaß machen, u.a. weil es so schön an eine bestimmte Krimigattung anknüpft.
    Ein bißchen Parodie, ein bißchen was Schräges.
    Man hat tatsächlich mehr Spaß daran, wenn man 'hard-boileds' kennt oder wenigstens Humphrey Bogart im Hinterkopf hat.


    Deshalb habe ich ihn auch nicht unter Kinderbücher eingeordnet.


    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Einfach eine coole Sau diese Wanze Muldoon!


    Ein altmodischer Krimi wie aus guten alten schwarz/weiss Filmen im Fernsehen mit allen Rollen die zu einem guten Krimi gehören. Ein Schnüffler, besser gesagt ein Privatdetektiv der Geld braucht, eine coole Reporterin, ein Drogen (Zucker) abhängiger Informant, zwei straff militärische organisierte Clans, abtrünnige Mitglieder dieser Clans und natürlich auch eine skrupellose Killerin. Das ganze spielt sich in den beiden streng bewachten Hauptsitzen der Clanoberhäupter sowie natürlich auch in "Dixies Bar" ab.


    Die ganze Geschichte beginnt damit das Wanze Muldoon den Auftrag erhält den vermissten Ohrwurm Larry aufzuspüren. Da bemerkt er das im Garten etwas seltsames vor sich geht. Es riecht förmlich nach Ärger. Als sich Wanze Muldoon in seinem Stammlokal, Dixies Bar, einen Drink genehmigt wird er von einer Truppe militärischer Ameisen aufgefordert sie zu begleiten. Von da an nimmt die haarsträubende Geschichte ihren lauf.


    Eine spannende, witzige und sehr unterhaltsame Geschichte bei dem alle Darsteller von Insekten, Krabblern und von allem was in einem Garten so kreucht und fleucht besetzt werden. Da spielen sich Intrigen, Mordanschläge und sogar kriegerische Auseinandersetzungen ab. Am Schluss kommt es zum Showdown zwischen Wanze Muldoon und der riesigen, schwarzen, haarigen Spinne. Bei diesem finalen Kampf haben sich bei mir sämtliche Nackenhaare aufgestellt...


    Paul Shipton gelingt es die Rollen den jeweiligen Insektenarten perfekt zuzuteilen. Etwa wenn eine achtbeiniger Weberknecht in Dixies Bar beim Tanz seine acht Beine so schnell umherwirbelt das einem beim zuschauen schlecht wird oder Grashüpfer die mit ihrem zirpen als Nachrichtensystem des Gartens dienen und und und...


    Ein packender Krimi mit vielen witzigen Dialogen und Anspielungen im Wiesenmilieu. Hat mir gut gefallen und ich vergebe gute 8 von 10 Punkten.

  • Schon vor Urzeiten gelesen, jetzt reiche ich mal meine Meinung nach :-)


    Wanze Muldoon ist total lässig. Als Privatdetektiv ist er für so manches Insekt im Garten Ansprechpartner , wenn es Probleme gibt. In seinem aktuellen Fall merkt er, dass hier etwas ganz Großes im Busch ist und so macht er sich zusammen mit alten und neuen Freunden und natürlich absolut lässig daran, das Geheimnis zu ergründen, das sich hier zusammenbraut. Mit viel Liebe zum Detail (und unverkennbar zu Raymond Chandler) gelingt es Auto Paul Shipton auf unterhaltsame Weise, einen Käfer mit Persönlichkeit auszustatten, dass es eine wahre Freude ist, in auf seinen Streifzügen durch den Garten zu begleiten. Wer eine ausgeklügelte Kriminalstory erwartet, wird wohl enttäuscht sein, aber für junge und junggebliebene Leser mit Fantasie und der Neugier auf einen besonderen Mikrokosmos vor unserer Haustür, wird die Begegnung mit Muldoon eine helle Freude sein. Da sei es auch verziehen, dass Shipton sich hier sämtlicher Klischees über die Tier- bzw. Insektenwelt bedient, die schon jedes Kind kennt. Statt überraschender Wendungen punktet er mit seiner Hauptfigur und die ist nun mal nicht nur ein Käfer, sondern eben auch total lässig.


    8 Punkte von mir! :grin

  • Ich finde die "Personen" einfach genial. :grin


    Direkt kenn ich zwar keinen Krimi aus der Zeit, aber so das ein oder andere Klischee hat man doch im Kopf.


    Die Fliege war einfach süß ( im doppelten Sinn) die Wanze, die keine ist, ist einfach lässig/ cool.


    Auch die Raupe, die uuuunbedingt Detektiv werden will..... :lache


    Zitat

    Ja Spaß hat es auf jeden Fall gemacht. Schön auch immer die Exkurse in Extremsituationen: "Ein XYZ-Käfer zeichnet sich aus durch [..] Leider BIN ich KEIN XYZ-Käfer."


    Die fand ich auch klasse. Jedesmal denkt man, jetzt weis ich, was für ein Käfer er ist, und dann... :lache


    Die Geschichte ist nett und super umgesetzt, ich betrachte den garten jetzt ein wenig anders :grin


    Eine schöne Sache für zwischendurch.
    9 von 10 Punkten

  • Vor kurzem bin ich irgendwie über diesen Thread gestolpert und habe mir den Insektenkrimi umgehend besorgt :-)!


    Eine wirklich putzige kleine Geschichte, angesiedelt in einem außergewöhnlichen Milieu. "Ein bisschen brav geraten", wie magali schreibt, stimmt schon, geht aber in Anbetracht der eigentlichen Zielgruppe sicher in Ordnung. Obwohl wiederum diese Erzählweise in Anlehnung an eine klassische Detektivgeschichte a la Raymond Chandler eher das "Schmankerl" für die Erwachsenen ist. Für Kinder bzw. Jugendliche mit Sicherheit nicht erkennbar.


    Das Buch ist 1995 erschienen, gab es da schon den englichen Harry Potter? Mir ist aufgefallen, dass Shipton ebenfalls die Redewendung "... du weisst schon wen..." benutzt. Oder hat Rowlings vorher den Insektenkrimi gelesen und diesen Ausdruck für etwas Unaussprechliches übernommen ;-)?