Boot Camp - Morton Rhue

  • Hm, ich bin dann wohl die erste weniger begeisterte Stimme. Vielleicht war es aber auch ein Fehler, das Buch direkt nach Guillou (Evil - ähnliches Thema) und Renault (Charioteer - göttliche Sprache) zu lesen. Denn das hier war ganz klar ein Jugendbuch. Die kurzen Sätze haben mich wookie gemacht.
    Und schockiert hat es mich zwar, aber überhaupt nicht berührt. Während ich mit Guillous Erik sehr mitgefühlt habe, hat mich Connor eher gleichgültig gelassen. Klar, diese Untaten mitzuerleben läßt einen nicht gleichgültig, aber die Figur hat es bei mir getan.


    Außerdem wünschte ich, der Autor hätte ein anderes "Verbrechen" gewählt. Denn der Gedanke, ein 15jähriger mit einer 10 Jahre älteren Lehrerin ... Ich finde, den Eltern ist nicht nur das Boot Camp vorzuwerfen, sondern daß sie von einer Anzeige abgesehen haben. Soweit ich weiß, nennt man sowas Verführung Minderjähriger und Ausnützung eines Abhängigkeitsverhältnisses.


  • Zitat

    Original von Grisel
    Hm, ich bin dann wohl die erste weniger begeisterte Stimme. Vielleicht war es aber auch ein Fehler, das Buch direkt nach Guillou (Evil - ähnliches Thema) und Renault (Charioteer - göttliche Sprache) zu lesen. Denn das hier war ganz klar ein Jugendbuch. Die kurzen Sätze haben mich wookie gemacht.
    Und schockiert hat es mich zwar, aber überhaupt nicht berührt. Während ich mit Guillous Erik sehr mitgefühlt habe, hat mich Connor eher gleichgültig gelassen. Klar, diese Untaten mitzuerleben läßt einen nicht gleichgültig, aber die Figur hat es bei mir getan.


    Außerdem wünschte ich, der Autor hätte ein anderes "Verbrechen" gewählt. Denn der Gedanke, ein 15jähriger mit einer 10 Jahre älteren Lehrerin ... Ich finde, den Eltern ist nicht nur das Boot Camp vorzuwerfen, sondern daß sie von einer Anzeige abgesehen haben. Soweit ich weiß, nennt man sowas Verführung Minderjähriger und Ausnützung eines Abhängigkeitsverhältnisses.



    HuHu :wave
    Klar man kann sich sowas nicht vorstellen. Aber ist das nicht genauso mit Inzest oder solchen Sachen?

    "I think too much. I think ahead. I think behind. I think sideways. I think it all. If it exists, I’ve fucking thought of it.''
    — Winona Ryder


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  • In meiner Rezi kommt ein Wort oft vor, von dem ich nicht weiß, ob ich es spoilern soll oder nicht, aber ich habe mich dann dagegen entschieden, weil der Klapptext auch nichts anderes vermuten lässt, finde ich.


    Ich hab das Buch eben noch fertig gelesen und bin jetzt schon ein bissi müde, also verzeiht mir, sollte das, was hier steht, morgen nicht mehr so viel Sinn geben ;-)


    Vor vielen Jahren habe ich in der Schule mal ein einen Film zum Thema Boot Camp gesehen (wir haben ihn in Reli angeschaut und ich frag mich jetzt die ganze Zeit, zu welchem Thema :gruebel ). Ich hab damals das ganze System schon sehr erschreckend gefunden, aber in der Doku ging es um Straftäter, die wählen konnten, ob sie für längere Zeit im Gefängnis oder für 3 Monate in so ein Boot Camp wollen (= und wer dort aufgab, kam einfach ins Gefängnis). Das dort hat mich schon schockiert, aber diese Leute hatten einerseits noch eine gewisse Entscheidungsmöglichkeit, konnten sich während der drei Monate immer noch fürs Gefängnis entscheiden und außerdem war es nur für drei Monate.


    Das Buch beschreibt eine ganz andere Situation. Jugendliche, deren einzige Verfehlung es ist, minderjährig zu sein (na ja, mitunter) werden in ein "Erziehungsheim" gesteckt, wo ihr Wille gebrochen wird. Und es schockiert mich unheimlich, dass es diese Boot Camps für Jugendliche in Wirklichkeit gibt :wow


    Mir hat das Buch gut gefallen, aber ich kann mich auch Grisel anschließen. Zum einen, weil ich es die Taten zwar abscheulich und schockierend fand, aber mit Connor nicht ganz mitfühlen konnte (seine ganze Art, sein ganzes Wesen hat auf mich etwas unnahbar gewirkt), zum anderen, weil ich persönlich ein anderes "Verbrechen" besser gefunden hätte (und wäre es ein gleichaltriges Mädchen gewesen).


    Die Figur von Sarah fand ich etwas unrealisitisch. Einerseits lässt sie sich nicht brechen, bietet den Aufsehern und "Eltern" die Stirn, aber andererseits ist sie später ein ganz verängstigtes kleines Mädchen. Und ehrlich gesagt kann ich mir nicht vorstellen, dass man so lange durchhält. So verdammt lange! Aber okay - das ist durchaus im Bereich des Möglichen, für mich persönlch bloß nicht vorstellbar.


    Hm.. es ist mir während dem Lesen nicht so aufgefallen, aber jetzt, wo ich schreibe, fallen mir noch einige weitere Kritikpunkte ein. Zum Beispiel, dass es mir keine der Personen möglich machte, zu ihr eine Beziehung aufzubauen. Alle, selbst die Hauptperson, wirkten auf mich sehr farblos. Das war auch der Grund, weswegen ich bis zu letzt ein sehr großes Problem damit hatte, die einzelnen Namen auseinander zu halten. Am Schluss hatte ich ein leichtes System, aber am Anfang hat es mich bloß verwirrt.


    Das Ende kam zu schnell, finde ich. Es hat fast das ganze Buch über gedauert, bis sie endlich gelfüchtet sind und als es so weit war, war das Buch schon fast aus. Ich habe mich ständig gefragt, was für ein ominöses Ende das Buch haben mag, von dem hier alle so schockiert schreiben (und ja, ich war auch schockiert - ich war nicht bloß vom letzten Satz, sondern vom ganzen letzten Kapiel schockiert) weil nichts daher kam, was irgendwas Ominöses hätte vermuten lässen (weil sie ja nie geflohen sind).
    Aber vielleicht lege ich zu hohe Ansprüche an einer Jugendbuch, denn dass das Buch nichts anderes ist, merkt man (und das soll jetzt nicht negativ gemeint sein). - Es lässt sich sehr flüssig lesen und die Kapitel sind genau so gehalten, dass ich ständig weiter lesen wollte. Und obwohl es neben meinen vielen Kritikpunkten sehr spärlich aussehen mag, weil ich nicht so viel Positives zu sagen habe, hat mir das Buch trotzdem gut gefallen. Morton Rhue hat einfach einen packenden Schreibstil und er kann eine Story gut verpacken.
    (und jetzt fallen mir meine Augen schon fast zu und ich kann nimmer denken)


    Fazit: Gut, allerings mit Mängel

  • Zitat

    Original von Prombär
    aber in der Doku ging es um Straftäter, die wählen konnten, ob sie für längere Zeit im Gefängnis oder für 3 Monate in so ein Boot Camp wollen (= und wer dort aufgab, kam einfach ins Gefängnis). Das dort hat mich schon schockiert, aber diese Leute hatten einerseits noch eine gewisse Entscheidungsmöglichkeit, konnten sich während der drei Monate immer noch fürs Gefängnis entscheiden und außerdem war es nur für drei Monate.


    Davon habe ich auch schon gehört.
    Finde den Gedanken an ein Boot Camp auch in so einer Situation erschreckend (von Entscheidungs-"Freiheit" kann da keine Rede sein, aber Du schreibst ja auch "gewisse Entscheidungsmöglichkeit").
    Immerhin ist die Zeit dann von vornherein begrenzt, im Buch geht es ja im Zweifelsfall bis zu Volljährigkeit... :-(


    Zitat

    Original von Prombär
    Das Buch beschreibt eine ganz andere Situation. Jugendliche, deren einzige Verfehlung es ist, minderjährig zu sein (na ja, mitunter) werden in ein "Erziehungsheim" gesteckt, wo ihr Wille gebrochen wird. Und es schockiert mich unheimlich, dass es diese Boot Camps für Jugendliche in Wirklichkeit gibt :wow


    Genau, hier geht es um eine andere Situation und auch mich hat die Vorstellung schockiert.
    Ich hoffe immer noch, dass die Darstellung im Buch übertrieben ist, aber ich fürchte, sie stimmt.
    Ich habe jetzt auch schon mehrmals von Todesfällen gelesen... :-(


    Zitat

    Original von Prombär
    Die Figur von Sarah fand ich etwas unrealisitisch. Einerseits lässt sie sich nicht brechen, bietet den Aufsehern und "Eltern" die Stirn, aber andererseits ist sie später ein ganz verängstigtes kleines Mädchen. Und ehrlich gesagt kann ich mir nicht vorstellen, dass man so lange durchhält. So verdammt lange!


    Das fand ich auch erstaunlich bis unglaublich.
    Ich fand es allerdings gut, dass Sarah durchaus nicht als durchgängig und immer stark dargestellt wurde.
    Insgesamt fand ich die Figuren eher etwas holzschnittartig.
    Vor allem die plötzliche Veränderung der Hauptperson ist aus dem Buch nicht erklärbar.
    Ich hätte mich viel mehr dafür interessiert, wie es zu dieser "Anpassung" kam.
    Gut, es ist ein Jugendbuch, das sehr auf Spannung gestrickt ist, aber eine stärkere Ausarbeitung der Personen und der inneren Konflikte wäre sicher auch für Jugendliche interessant.
    Connor wird ja anfangs als sehr reflektiert dargestellt.
    Er greift ein, wenn es zu Übergriffen gegen Schwächere kommt, nicht aus Sympathie für den, den er hilft, sondern weil er das Verhalten der anderen falsch findet.
    Er läßt sich auch nicht sofort auf den Fluchtplan ein.
    Auf der Flucht wird er noch immer als sehr geradlinig und seinen Grundsätzen treu dargestellt.
    Dann steht da auf einmal "Wochen sind seit der Flucht vergangen" und Connor ist wie ausgewechselt.
    Was ist in diesen Wochen passiert?
    Das muß doch ein Prozess gewesen sein - davon hätte ich gerne mehr gelesen.
    Gut gefallen hat mir die Beschreibung von Mr Sparks und Rebecca. Hier waren auch mehr Zwischentöne wahrzunehmen.
    Ein Happy-End hätte ich unrealistisch gefunden, für mich ist das Ende relativ offen und ich hoffe, dass Connor jetzt auch wieder Zugang zu den Teilen seiner Persönlichkeit findet, die im ersten Teil des Buches so beeindruckend geschildert wurden.

  • Eigentlich wollte ich das gar nicht, aber ich habe mir Boot Camp aus Versehen auf Englisch ertauscht und es dann, nach einigem Zögern, doch gelesen. Mein Englisch war echt eingerostet und ich war froh, dass einige der Vokabeln in Fußnoten übersetzt waren.
    Damit würde ich das Buch auch für Englischlese-Anfänger empfehlen.


    Vielleicht ist mir aufgrund des Sprachumweges auch die Holzschnittartigkeit der Figuren nicht so aufgefallen. Vielleicht auch aufgrund dessen, dass ich das Buch in wenigen Tagen verschlungen habe.
    Und ich war entsetzt. Richtig. Vor allem, als ich im Nachwort erfahren habe, dass Boot Camps genau in dieser Art in den USA exisitieren und Minderjährige nur aufgrund einer Entscheidung ihrer Eltern dort landen.
    Das ist für mich unvorstellbar grausam.
    Aber leider exisitiert die Vorstellung, dass man Menschen "brechen" und nach eigenen Wünschen neu aufbauen könnte, immer noch in vielen Köpfen.
    "I'm in a Boot camp and its purpose is to break me down and "train" me like a cowboy breaks a bronco or a dog is taught to obey in obedience school" (S.17) schreibt Ich-Erzähler Connor über seine Situation.
    Und die Art, mit der die Jugendlichen "gebrochen" werden, kann man oft genug nicht anders als mit dem Begriff Folter beschreiben.


    Hier im Thread wurde ja mehrfach gesagt, dass die Leser mit Connor nicht warm geworden sind und dass sie das "Verbrechen", für das er ins Boot Camp kam, etwas unpassend fanden.
    Aber je länger ich darüber nachdenke, warum Morton Rhue Connor und sein "Verbrechen" auf genau diese Art konzipiert hat, um so genialer finde ich es.


    Connor ist ein hochbegabter Jugendlicher, der seine Situation in dem Boot Camp und die Mechanismen, mit denen es funktioniert, auf's genauste analysiert und durchschaut und als solche dem Leser transparent macht.
    Und selbst für ihn gibt es keinen Ausweg.


    Connor liebt Sabrina. Connor ist 15, Sabrina ist 25 und seine Lehrerin.
    Wir erfahren von ihr nur durch seine Augen, nie kommt sie selbst zu Wort. Connor ist einfach ein verliebter Teenager, der über seine Traumfrau schreibt.
    Wenn man mal die deutsche Gesetzeslage (und unsere Moralvorstellungen) als Grundlage nähme, so hat SIE das Verbrechen begangen. Connor ist das Opfer.
    Und dennoch wird er hier dafür bestraft, dass eine Lehrerin eine Affäre mit ihrem minderjährigen Schüler eingegangen hat.
    In meinen Augen ist das völlig absurd...
    In den Augen der Boot Camp Betreiber ist das völlig egal, weil allein die Eltern entscheiden, was mit ihren Kindern passiert. Und genau das führt Morton Rhue hier eindrucksvoll vor.


    Einfach, holzschnittartig - ja. Aber die Botschaft kommt an. In aller Deutlichkeit und mit allem Entsetzen.

  • Für mich war dies ein aufrüttelndes und zum Nachdenken anregendes Buch. (Für Kinder, wie auch für Eltern) Ich habe mich danach in viele Fragen verstrickt, so dass ich gar Notizen machen musste, um Antworten zu erhalten. (oder auch nicht)


    Sehr flüssig zu lesen, nicht verwirrend und mit DEM Schlussatz.


    Dieses Buch verdient wirklich gelesen zu werden. Auch von Eltern die manchmal entnervt ihre Kinder auf den Mond schießen könnten. - ...oder würdet ihr vielleicht ... ;-)

  • Mich hat das Buch endlos schockiert. Vor allem das Ende hat mich richtig runtergezogen:

    "We are ka-tet...We are one from many. We have shared our water as we have shared our lives and our quest. If one should fall, that one will not be lost, for we are one and will not forget, even in death."Roland Deschain of Gilead (DT-Saga/King)

  • Das Buch ist ein ziemlich typischer Morton Rhue. Schockierend, bedrückend und realitätsnah. Es regt einen zum Nachdenken an und beschönigt nichts. Viel mehr kann ich zu diesem Buch kaum sagen, es ist einfach nur lesenswert :wave

    :lesend
    Rachel Aaron - The Spirit Rebellion
    Patrick Rothfuss - Der Name des Windes
    Stefan Zweig - Sternstunden der Menschheit

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Shadow91 ()

  • Dieses Buch ist absolut lesenswert! Zuerst war ich etwas skeptisch, aber letztlich hat es mich vollauf begeistert und zwar von der ersten Seite an. Vor allem das Ende kommt doch unerwartet und beschäftigt einen wirklich. Es ist kein Buch, das man nach dem Lesen dann einfach weglegt und sich das nächte krallt, sondern zu dem man sich im Nachhinein wirklich noch viele Gedanken macht.

    lg Saturn :wave


    MatheHome


    Auch den Möbelpackern sind Leute, die Bücher lesen, zuwider. Aber sie haben wenigstens einen guten Grund dafür. Gabriel Laub