Der PC-Mord

  • Der PC-Mord


    Pete schaltet den PC ein und surft zu seinem Lieblingsforum und muss wieder einmal erkennen, dass sich wieder mal Freund Besserwisser die Nacht um die Ohren geschlagen und das Forum zugemüllt hat. Er sieht rot und Blutdurst springt aus seinen Augen. Das muss ein Ende haben, ein endgültiges Ende.
    Doch was tun, der Admin reagiert weder auf nette noch auf böse Mails. Pete ist sich ganz sicher, das muss er selbst in die Hand nehmen. Er wird ein Zeichnen setzen, ein Zeichen, das nicht nur für seinen erklärten Freund das Ende bedeutet, sondern allen anderen den Ernst der Lage verdeutlicht.
    Er, Pete, wird dafür Sorge tragen. Doch allein, der Wille reicht nicht aus, er muss den Weg, den einzig richtigen Weg finden. Er wird ihn finden, zwar versteht er nichts von Computern, ausser, dass er weiss, wie man ihn ein- und ausschaltet. Doch solche Lappalien schrecken Pete, den Säuberer nicht. Er besorgt sich Fachliteratur, er fragt Freunde, er redet mit Experten, er findet Hacker, er denkt nicht mehr an seinen Beruf, er isst nur noch, wenn sich sein Magen überhaupt nicht mehr beruhigt. Schlaf ist für ihn ein Fremdwort. Seine Augen sind rot, die Tränensäcke unter ihnen werden immer größer. Sein bartloses Kinn verwandelt sich in ein Gestrüpp. Aber Pete weiss, er muss die Foren der Welt befreien und er wird sie befreien.
    Er arbeitet Tag und Nacht, er hat keine Zeit mehr, Foren zu lesen. Die Mails stapeln sich in sei-ner Mailbox. Er hat keine Zeit, seine Freundin stellt ihn vor die Wahl: Der PC oder ich. Das ist für Pete keine Qual der Wahl, er sagt nur „Ciao, baby, du kennst den Weg hinaus.“ Endlich hat er Zeit, Zeit für seine wichtige Mission, niemand stört ihn. Er kann sich voll auf seine Aufgabe konzentrieren. Die Briefe seines Arbeitgebers, seiner Bank und des Finanzamtes wandern ungeöffnet in die Rundablage, genauso die Zeitung. Er lässt sich von den Geschehnissen in der Welt nicht von seinem Ziel abbringen, denn er erfährt nichts mehr von ihnen.
    Er weiss, bald hat er es geschafft, bald wird er den Besserwisser nicht mehr ertragen müssen, nur noch wenige Minuten oder Stunden oder Tage oder Monate oder Jahre, dann hat er es geschafft. Geschafft, welcher Triumph wird das für ihn sein, er wird der Herr sein über alle Foren im Netz, er wird der Zensor sein, der entscheidet, wer bleiben darf und wer gehen muss.
    Es war einfach, den Weg zu den Usern zu finden, doch wie kann er sein tödliches Mittel in den fremden PC beamen. Die Frage quält ihn, welches Mittel kommt wie zu dem, den er vernichten will.
    Dann ist die Lösung einfach, er wird jeden fremden PC infiltrieren, er wird ihm den Befehl ge-ben, dass er, der Computer, dann explodieren wird, wenn sich der Besserwisser in einem Forum, in seinem Forum anmeldet und das 10. Wort eines Postings schreiben wird. Doch Pete will gnädig sein und er wird allen Besserwissern in allen Foren noch eine letzte Chance geben, eine allerletzte Chance, sich zu besinnen. Er wird sie warnen, er wird in jedes Forum ein Posting setzen und ihnen deutlich machen, dass Pete, der Große sie überwachen wird und jeden Frevel sofort gnadenlos bestrafen wird.
    Er überlegt den Text der Warnung, dann geht er ins Internet und sucht sein Lieblingsforum auf und beginnt zu schreiben: „Letzte Warnung von Pete, dem Großen an Besserwisser und K.“
    .. Ein Blitz, ein Knall und auf Petes Grabstein wird einmal stehen: Dem PC war es zuviel und er löschte sich und seinen User aus.

  • Hallo balduinente,


    ein schönes Beispiel dafür, wie Menschen, die ein Ziel vor Augen haben und alles andere vergessen, sich ins Unglück stürzen.
    An deinem Text hab ich nix zu kritisieren (außer einem Bindestrich) - keine Tipp- oder Rechtschreibfehler, der Text liest sich angenehm und die Entwicklung hast du auch gut beschrieben. Und der Titel reizt natürlich zum Lesen der Geschichte.


    Ich hab ja noch gehofft, dein Protagonist macht's sich nicht so umständlich und gründet einfach ein eigenes Forum, in dem er dann als Admin schalten und walten kann. Aber da war Dank Tunnelblick wohl nix mehr zu machen.


    Irgendwas autobiographisches in der Geschichte verarbeitet? Hat dich z. B. der Frust über die "Zumüller" zum Schreiben dieser Geschichte angetrieben?


    Hab's gern gelesen
    Exzentriker

  • hallo ex,
    ich treib mich in einigen foren rum und überall treffe ich auf den beschriebenen typ und irgendwann war es dann zuviel und ich musste einfach schreiben und jetzt geht es mir besser, bis zum nächsten mal, wenn ich wieder unter der decke hänge, mal sehen, vielleicht gibt es dann eine fortsetzung wie bei amerik. soaps, wo tote auch wieder auferstehen
    frage ausreichend beantwortet, oder soll ich noch einen roman darüber schreiben, wäre echt auch interessant oder
    balduinente

  • Zitat

    Original von Exzentriker
    vielsagende Antwort - ich stell meine Frage mal anders: wie bist du auf die Idee für diese Geschichte gekommen?


    genauso, wie martin walser, als er 'tod eines kritikers' schrieb, würde ich sagen! :grin


    bo