Der Mann aus Mesopotamien - Amin Maalouf

  • Originalttitel: Les jardins de lumière (1991)


    Aus dem Französischen von Gerhard Meier


    Meine Ausgabe ist das Knaur-TB 63004 vom September 1994 - ISBN 3426630044
    304 Seiten


    „Der Mann aus Mesopotamien wurde mit dem „Grand Prix" des französischen UNICEF-Komitess ausgezeichnet.



    Klappentext / Kurzbeschreibung des Buches


    Dieser Roman erzählt die Lebensgeschichte Manis (geb. 14.04.206 - gest. 02.03.274), des Begründers des Manichäismus, der sich im 3. Jahrhundert n. Chr. Als Religionsstifter für eine alle Glaubensrichtungen tolerierende Universalreligion einsetzte.
    In frühster Kindheit von seinem Vater in die Sekte der „Weißen Gewänder" eingeführt, wird sich Mani durch eine Offenbarung seiner außergewöhnlichen Bestimmung bewußt. Er verläßt die Sekte, verschafft sich eine immer größer werdende Anhängerschar und gerät durch sein konsequentes humanistisches Streben zunehmend in Konflikt mit den Mächtigen - was schließlich zu seinem Scheitern führt.


    Angaben über den Autor


    Amin Maalouf, geb 1949, ist im Libanon aufgewachsen und emigrierte zu Beginn des libanesischen Bürgerkrieges 1976 nach Paris, wo er seitdem lebt. Nach dem Studium der Soziologie und Volkswirtschaft schlug er die journalistische Laufbahn ein. Er ist politischer Berater für Fragen der arabischen Welt und der Beziehungen zwischen Okzident und Nahem Osten.
    Seine Romane beschäftigen sich häufig mit historischen Themen.
    Hier gibt es eine detaillierte Biografie von Amin Maalouf


    Die Maaloufs sind einer der ältesten heute noch existierenden bedeutenden arabischen Stämme christlicher Religion. Sie tauchten bereits in den ältesten Stammesverzeichnissen der muslimischen Eroberer Syriens im 6. Jahrhundert auf und können ihren Stammbaum bis ins 4. nachchristliche Jahrhundert zurückverfolgen. Vor allem im Libanon führen mehrere christliche Familien ihre Herkunft auf die Maaloufs zurück. Ein anderer bedeutender Schriftsteller, der aus dieser Familie kommt, ist der Australier David Malouf.


    Eigene Meinung


    Wow, kann Amin Maalouf erzählen. Wie konnte nur solch ein Roman so lange in meinem SUB vor sich hindämmern (gekauft als Remittende noch mit DM-Preis)
    In einer ruhigen, fließenden Sprache schildert er die Zeit vor 1.700 so lebendig, als wäre es gestern gewesen. Es ist einfach ein Genuß, den Weg Manis von seiner Geburt bis zu seinem Tode zu verfolgen, seine Gedankenwelt, seine Begegnungen mit Menschen, seine Gespräche mit dem Sassaniden-König Schapur. Und trotzdem erzeugt der Roman einen Lesefluß, wie ein heißes Messer durch weiche Butter.
    Nur der ordnunghalber: Geschichtliche Details sind, so weit recherchierbar absolut stimmig. Da scheinbar keine von Manis Schriften im Original erhalten und spätere Fassungen teilweise noch nicht komplett erforscht sind, wird allein die Interpretation von Manis Lehre in diesem Roman auf das dem Autor wichtig beschränkt. Als einziger erwähnt er, daß Mani auch als der Begründer der persischen Zeichenkunst gilt.



    Insgesamt ein historischer Roman von der allerbesten Sorte. Daher Vorsicht, wer die aktuellen „historischen Romane" a la „...in" mag, könnte dafür komplett versaut werden.


    Aber es gibt noch jede Menge historische Romane von Amin Maalouf, wie


    Samarkand
    Die Reisen des Herrn Baldassar
    Leo Africanus, der Sklave des Papstes


    Wie schön, das ich die noch vor mir habe (dank bookticket sogar als HC) :anbet


    LG Dyke

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

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  • Der Mann aus Mesopotamien ist auch meiner Meinung nach ein hervorragender Roman, besonders über religöse Toleranz.
    Von Maalouf ist auch "Die Spur des Patriarchen", seine Biografie über seinen Großvater und seine Familie sehr gelungen.
    Mein persönlicher Lieblingsroman ist "Samarkand" über Omar Khajjam, Schriftsteller, Astronom, Mathematiker, Philosoph.
    Amin Maalouf ist fast so gut wie seine Charaktere. Das habe ich letztes Jahr bei einer Lesung von ihm in Heidelberg erfahren dürfen.
    Er hatte eine sehr ruhige und positive Ausstrahlung und alles was er sagte, war human, philosophisch und durchdacht.
    Aber "Der Mann aus Mesopotamien" ist bestimmt ein idealer Start für diejenigen, die Maalouf noch nicht gelesen haben.

  • Maaloufs bedeutendstes Werk ist wohl Der Heilige Krieg der Barbaren. Die Kreuzzüge aus der Sicht der Araber.
    Der Mann aus Mesopotamien ist weniger ein historischer Roman als ein tw. dramaturgisch bearbeiteter Essay über die Frage der Religionsfreiheit, die ihn als Angehöriger der christlichen Minderheit im Libanon bewegt.
    Das Buch ist sehr stark als Adaption heiliger Schriften zu sehen, wie z.B. dem damals gerade erst editierten Kölner Mani-Kodex.
    Daß Mani der Begründer der Zeichenkunst im Orient sei, ist ein typischer aitiologischer Mythos, eine Ursprungsgeschichte. So, wie die Griechen den Göttersohn Asklepios zum Begründer der Heilkunst machten, ist es nach orientalisch-hellenistischer Vorstellung selbstverständlich, daß jemand wie Mani als Gründer der gnostischen Bewegung der Manichäer auch zum Begründer seines Berufsstandes wird.
    Aber das alles tut dem Buch keinen Abbruch.


    Offizielle Website von Amin Maalouf

  • Ein weiteres essayistisches Werk von Amin Maalouf ist "Mörderische Identitäten" aus dem Jahr 2000.


    Laut Amazon:
    Amin Maalouf, in Frankreich lebender arabischer Christ, beobachtet die mörderischen Auswirkungen von Fundamentalismus und ängstlicher, reflexhafter Ausgrenzung des Anderen. Sein Essay ist ein Appell an Toleranz, Integration und Pluralität.


    Eigene Meinung:
    Dem kann man sich wirklich anschließen. Zudem ist es gut geschrieben und lässt sich flüssig lesen. Da es sich mit 143 Seiten um ein einziges Essay handelt, ist es leichter zugänglich als das komplexe „Der heilige Krieg der Barbaren“.


    Für mich persönlich ist der Romancier Amin Maalouf noch wichtiger als der Essayist.

  • Hallo Iris,


    kannst du mir näher erklären, warum Du „Der Mann aus Mesopotamien" als ein dramaturgisch bearbeiteten Essay über die Frage der Religionsfreiheit bezeichnest???


    Es mag ja sein, daß Maalouf als Angehöriger einer christlichen Minderheit durch den Kölner Mani-Codex auf den Manichäismus aufmerksam wurde.
    Nur bleibt er für mich eindeutig bei Leben und Lehre von Mani.
    Und so weit ich es bisher verstanden habe, wollte Mani eine übergeordnete Religion gründen, die alle anderen Religion quasi überdacht, verbindet.
    So ganz verstehe ich den Zusammenhang zwischen Religionsminderheiten und -freiheit hier nicht.


    Und was bedeutet Aitiologisch ??


    Mit der Zeichenkunst habe ich mich unklar ausgedrückt und noch mal nachgelesen:


    Zitat Seite 59:


    Zitat

    Gilt Mani doch aus dem Abstand der Jahrhunderte gesehen als der wahre Begründer der orientalischen Malerei, der mit jedem Pinselstrich in Persien, aber auch in indien, in mittelasien, in China und in Tibet tausend künstlerische Begabungen wachgerufen hat. So daß man noch heute in manchen Gegenden „Mani" sagt, wenn man jemanden als „echten Maler" bezeichnen will.


    Da Maalouf, so weit ich es beurteilen kann, sehr genau den Fakten ist, wundere ich mich nur, daß ich sonst nichts darüber gefunden habe.
    Auch scheint Mani ja ein Buch erstellt zu haben, in dem er seine Lehre nur in aus von ihm erstellten Bildern ohne Text darlegt. Scheint für die damalige Zeit ein Novum gewesen zu sein.


    LG Dyke

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson