Max Frisch - Homo Faber

  • Zum ersten Mal las ich das Buch im Alter Sabeths, einer Zwanzigjährigen, die mit ihrem Vater Walter (Homo Faber) unwissentlich ins Bett steigt. Diesmal bin ich so alt wie der Vater und ich habe das Buch mit Freude wiedergelesen (meine Freude bezieht sich keineswegs auf Fabers Erfahrung).


    Was Frisch auf 224 Seiten gepackt hat, ist gigantisch. Am besten kann man den Inhalt des Jahrhundertwerkes in Gegensatzpaaren ausdrücken: Zufall-Schicksal, Mann-Frau, Immanenz-Transzendenz, Schuld-Unschuld, Gewissheit-Mythos, Natur-Technik, Determinismus-Freiheit…


    Fabers Erfahrungen des Absurden stießen mich immer wieder auf meine eigenen. Aber auch auf die Möglichkeit zur Revolte. Als Faber allerdings den Entschluss fasst: „Du musst dein Leben ändern!“, ist es zu spät. Seine Hermes-Baby Reiseschreibmaschine wird ihm abgenommen und der Götterbote Hermes geleitet ihn in die Welt der Toten.


    Die Sprache des Ich-Erzählers Faber ist mit Bedacht gewählt, ebenso wie die Auflösung der Zeitebenen des Berichts. Und das Buch ist zeitlos. Deshalb sollte man es wiederlesen. Immer wieder!

  • Ihr bringt mich wirklich dazu, dem Buch noch eine Chance zu geben.
    Ich habe es auch in der Schule gelesen, damals nicht sonderlich gemocht - wie fast jedes Buch das ich lesen MUSSTE.
    Aber jetzt möchte ich es gerne noch einmal versuchen, vielleicht (zumindest hoffe ich es) sehe ich es dann ganz anders :-)
    Danke für den Tipp!

  • Same here: Das Buch war in der Schule Pflichtlektüre, deswegen musste man es einfach blöd finden. Trotz allem steht es seit Jahren im Schrank und auf der "zu lesen"-Liste, setzt sich aber noch nicht gegen den Rest durch, vielleicht braucht es noch ein paar Jahre :)


    Grüße, Fisher

  • Ich hatte wohl das Glück nicht von Deutschlehrern vergrault zu werden, denn ich "musste" es auch in der Oberstufe lesen, aber ich fand´s genial! Aber ich muss sagen, dass ich auch zwei sehr gute Deutschleher hatte, die einen wie ich finde guten Literaturgeschmack hatten.
    Jedenfalls: Ich liebe "Homo faber"! Einmal wegen den Metaphern, der Interpretationsmöglichkeiten, einfach wegen all dem, was man alles herauslesen kann, aber auch weil es irgendwie mein Denken beeinflusst hat: Faber baut sich sein eigenes Weltbild zusammen, hält daran fest, bildet sich ein, nichts zu fühlen, zwingt sich zu analysieren und redet sich jahrelang ein, dass muss so sein. Bis ihm auffällt, dass er so Gefühle verdrängt, sie uminterpretiert, sich einbildet etwas anderes zu fühlen. Und hier hat er mich dahingehend beeinflusst, dass ich mich seitdem doch häufiger hinterfrage, denn wie oft bildet man sich ein, wovon man hinterhermerkt, dass man sich das nicht hat eingestehen wollen, aber es so war...
    Aber in Verbindung mit seinem anderen Roman "Stiller" verdichtet sich diese Bildnisproblematik noch einmal und ich finde es lohnt sich seine Werke dahingehend genauer zu betrachten, da ihn dieses Thema sehr beschäftigt hat!
    Ich mag Max Frisch und seine Gedanken, seine klugen Bücher...

    "Das Lesen ist eine offene Tür in eine Wunderwelt."
    - François Mauriac

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  • Zitat

    Original von Djamilalee
    Ich hatte wohl das Glück nicht von Deutschlehrern vergrault zu werden, denn ich "musste" es auch in der Oberstufe lesen, aber ich fand´s genial!


    Mir hat es auch ausgesprochen gut gefallen und ich hätte es auch gelesen, wäre es keine Pflichtlektüre für's Abi gewesen. Das kann ich (leider) nicht von jeder Pflichtlektüre behaupten...

    "Die Menschen sehen schlechtes Benehmen doch nur deshalb als eine Art Vorrecht, weil ihnen keiner auf's Maul haut!" (Klaus Kinski)

  • Es gab Schullektüre,
    die habe ich gern gelesen oder auch geliebt:
    Kabale und Liebe, Götz von Berlichingen, Der Schimmelreiter, Tonio Kröger
    die habe ich nicht gemocht und die hat Abneigung gegen die betreffenden Autoren für den Rest des bisherigen Lebens hinterlassen (evtl. zu jung dafür?):
    Grass und Böll
    die hat mich nicht abgeschreckt, aber auch nicht unbedingt zum Kauf weiterer Bücher der betr. Autoren bzw reread inspiriert:
    Homo Faber und Andorra und Mutter Courage und ihre Kinder und Die neuen Leiden des jungen W.
    Mir ist nicht mehr viel aus Homo Faber erinnerlich, aber ich glaube, es war mir streckenweise zu langgezogen

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)