Heinrich Steinfest: Nervöse Fische

  • Lukastik, der Rohrkrepierer


    Schade, daß "Kriminalroman" auf der Titelseite steht, denn "Nervöse Fische" ist keiner. Okay, da gibt es diesen merkwürdigen Mordfall: Ein Mann wird im Pool auf dem Dach eines Wiener Hochhauses gefunden, und er ist offenbar von einem Hai getötet worden. Vom Raubfisch fehlt jede Spur, stattdessen findet sich ein Hörgerät, dessen Spur zu einem Friseur führt, der in einer seltsamen Bar-Tankstelle irgendwo im österreichischen Waldviertel praktiziert. Chefinspektor Lukastik, der noch bei seinen Eltern wohnt und mal ein sexuelles Verhältnis zu seiner Schwester hatte, nimmt die Ermittlungen auf, aber das ist ein Euphemismus. Die sehr angestrengt wirkende, anstrengend gezeichnete und mit Eigenarten nachgerade übersäte Figur verhält sich so ganz und gar ermittleruntypisch. Nicht nur, daß er ständig in Wittgensteins "Tractatus" blättert, er trifft auch pausenlos unterirdisch dumme und so gut wie nie nachvollziehbare Entscheidungen, hat eigentlich keine Ahnung davon, warum er gerade tut, was er tut, aber dafür lamentiert er - oder der Erzähler - über alles mögliche, beschreibt seitenlang Nebensächlichkeiten, nähert sich aber nichts an. Gelegentlich gibt es obskure Perspektivwechsel, wenn Steinfest etwa davon erzählt, warum ein Ort von ihm (dem Autor) "Nullpunkt" genannt wurde. Sinn macht das alles nicht, und im - faden - Abgang hat es auch keinen.
    "Nervöse Fische" liest sich zäh, als würde man im fünften Gang einen steilen Berg hochzufahren versuchen. Aufgesetzte und zuweilen hanebüchene Betrachtungen durchziehen dieses überdehnte und häufig schmerzhaft langweilige Buch, das ziellos wirkt und unspannend ist. An der Konstruktion seiner Hauptfigur hat sich der Autor schlicht verhoben, es mag aber auch sein, daß das Buch als Satire gedacht war, aber nicht als solche vollendet wurde. Steinfests schlechtester Roman.

  • Dafür, dass ich von dem Buch bisher recht gutes gehört habe, nimmst du es aber ganz schön außeinander =) Fällt erst mal von der Merkliste runter. Danke für die Aufklärung =)

  • Steinfest ist Steinfest ist Steinfest - ich hatte das Vergnügen, ihn kennenzulernen und ehrlich: der Mann ist, wie er schreibt. Die Fische kenne ich noch nihct. Die Tortengräber waren für mcih bislang die besten Zeilen, gefolgt von Cheng (welche ich als signierte Exemplare hüte und horte). Am schönsten ist Steinfest zu lesen, wenn man Orte und / oder Personen wiedererkennt. Und noch schöner wirds, wenn Personen sich wiedererkennen und mal wieder klagen... :lache

  • Huhu, Silke.


    Die beiden Cheng-Romane habe ich gelesen und als sehr gut befunden, bei "Ein sturer Hund" schrub ich sogar: Thomas Mann goes Wolf Haas. Aber "Nervöse Fische" kachelte Lichtjahre an mir vorbei. Überzogen und sinnarm.

  • @ Tom


    Welches Buch kannst du von Heinrich Steinfest empfehlen. (Eine Kollegin hat mich auf H. Steinfest aufmerksam gemacht- bzw ich habe ihn in der schon mal in der Bücherei gesehen..)

    Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht. (Abraham Lincoln, 12.02.1809 - 15.04.1865)

  • Ein sprachlich beeindruckendes Buch, inhaltlich und spannungstechnisch (es wird ja schließlich als Kriminalroman bezeichnet) jedoch eine komplette Enttäuschung. Die Persönlichkeit des unfähigen Chefinspektors Lukastik wird ins Absurde verzerrt und von einer Krimihandlung ist so gut wie keine Spur zu finden. Der Autor ergeht sich in blumigen Formulierungen und Gedankenspielereien zu unwichtigen Details, sodaß das Buch weit davon entfernt ist, ein Kriminalroman zu sein. Schade um die interessante Ausgangssituation; was in der Kurzbeschreibung noch so vielversprechend geklungen hat, wurde leider gar nicht gut umgesetzt. Dennoch werde ich irgendwann einmal ein weiteres Buch von Steinfest lesen, habe ich doch schon soviel Gutes über seine Werke gehört.