Kraniche und Klopfer von Axel Brauns

  • Klappentext
    Viel zu selten wurde in der deutschen Literatur der Bimsstein gewürdigt. Dabei sollte man ihn lobpreisen: Rau und leicht liegt er in der Hand, bricht den Schmutz und gibt Hoffnung.


    Mit einem dieser putzigen Gesellen ist Adina Adelung befreundet. Zusammen mit Bruder und Mutter lebt das kleine Mädchen in einem schmucken Hamburger Backsteinhaus. Ihre Mutter Carla gibt sich alle Mühe, die gutbürgerliche Fassade zu wahren. Sie macht das sehr geschickt, denn noch hat niemand herausgefunden, dass sie Kostbarkeiten hortet. Wenn sie zur Arbeit geht, schärft sie ihren Kindern ein, bloß keine Klopfer ins Haus zu lassen.


    Klopfer sind böse und immer auf der Jagd. Sie rauben Kostbarkeiten und Kinder, wo sie sie finden können. Carla weiß das. Jahrelang hat sie ihre Kinder von Klopfern ferngehalten. Doch mit Adinas Einschulung nimmt das Verhängnis seinen Lauf, und die Prüfungen für das Mädchen sind grausam.


    Zum Glück gibt es in Hamburg Kraniche. Diese scheuen Vögel leben verborgen in einem Wald. Niemand sucht sie. Adina bricht auf, sie zu finden.
    Quelle



    Der Autor
    Axel Brauns wurde 1963 in Hamburg geboren. 1984 brach er sein Jurastudium ab, um ein Buch über seine autistische Kindheit zu schreiben: »Buntschatten und Fledermäuse«, das 2002 erschien und zu einem Bestseller wurde. 2004 erschien sein zweites Buch: »Kraniche und Klopfer«, ein Roman über ein kleines Mädchen in einem Haus voller Müll.
    Quelle



    Meine Meinung
    Es ist faszinierend, was Axel Brauns zu Papier bringt. Obwohl seine eigenwilligen Wortschöpfungen wie "madenamselig" am Anfang etwas verwirrend waren, fand ich doch recht schnell in das Buch und konnte es kaum zur Seite legen. Brauns schafft es, sich in die 6-jährige Adina hineinzuversetzen und die Geschichte aus ihrer Sicht zu erzählen. Das schafft er sogar so gut, dass man sich noch einmal in die Grundschule zurückversetzt fühlt und die Welt ebenfalls mit Adinas Augen anschaut.


    Das Buch wirkt stellenweise etwas emotionslos, trotzdem kommen die Gefühle gut rüber. Ich glaube, hier kommt der Autismus des Autors zum Vorschein. Ein Autist kann einfach nicht so seine Gefühle ausdrücken, wie es ein gesunder Mensch tun würde. Aber das stört in diesem Buch nicht, ganz im Gegenteil. Gerade durch die fehlenden Emotionen werden diese umso deutlicher, so seltsam das auch klingt.


    Alles in allem finde ich es sehr fazinierend, wie gut sich Axel Brauns ausdrücken kann. Er hat ein sehr klares, interessantes und auch spannendes Buch geschrieben, das nachdenklich macht. Am Ende geht mir zwar alles etwas zu schnell, aber dennoch bleibt es logisch. Ein tolles Buch, das einen sehr intimen Einblick in das Leben eines Mädchen gewährt.

  • "Kraniche und Klopfer" habe ich innerhalb einer Nacht verschlungen, gezwungenermaßen, da ziemlich schnell klar war, dass ich nicht schlafen kann, bevor ich weiß, wie es Adelina ergehen wird. Mich hat selten ein Buch mehr mitgenommen als dieses, Adelinas Welt ist so bedrückend und eindringlich beschrieben, dass mich dieses Buch tagelang nicht losgelassen hat.
    Axel Brauns Wortschöpfungen unterstreichen die Einsamkeit des Mädchens einfach sehr gut, "madenamselig" und "mardergut" sind die Beschreibungen und Vergleichsgrößen, die Adelina in ihrer isolierten Welt hat und die für sie einen Sinn ergeben. Je mehr sie aus ihrer Isolation kommt und je mehr sie erlebt, desto größer wird auch ihr Wortschatz.
    Die von Nikana schon beschriebene Gefühlsarmut des Buches habe ich übrigens nicht dem Autor zugeschrieben, sondern immer für den Blick auf die Welt gehalten, den ein Mädchen mit diesem Hintergrund einfach hat.
    Am meisten erschreckt mich, dass ich dieses Buch für sehr realistisch halte. Ich glaube, dass tatsächlich die Möglichkeit besteht, dass sich 2 neunjährige nachts um halb drei zufällig am Glas-Container treffen, beschäftigt mit dem Versuch, ihr Leben und ihre Familie wieder in Ordnung zu bringen, und mit der Gewissheit, dass es außer ihnen niemand tun wird...

  • Auf Kraniche und Klopfer bin ich durch Zufall gestoßen, der außergewöhnliche Titel und Klappentext haben mich angelockt. Die Lektüre selbst war anders als erwartet; verwirrend am Anfang wegen der vielen Wortneuschöpfungen, die das Gefühl einer ganz eigenen, fremden Welt verstärken, in der Adina fern vom "Klopferland" aufwächst, eingehüllt in das Adelunghaus und den Warnungen der Mutter vor den gefährlichen Klopfern dort draußen.


    Das ganze Buch ist eigenwillig. Bedrückend, oftmals schonungslos grausam, stolpersteinig und unangepasst, dann wieder melodisch und sensibel. Auf jeden Fall ist es eine Geschichte, auf die man sich einlassen muss, was mir mal mehr, mal weniger gelang. Einige Dinge blieben - für mich - unstimmig und unaufgeklärt, wirr, sogar irritierend. Dann gab es aber auch Passagen und Aspekte, die mich berührt und aufgesogen haben. Bei denen mich das Gefühl beschlich: So und nicht anders muss es sein.


    Das Lesen muss ich wohl als zuweilen schmerzhaft beschreiben, es ist kein schönes Buch in dem Sinne, auch wenn das (aprubte) Ende Hoffnung gibt. Ich muss das jetzt erst einmal wirken lassen. Axel Brauns hat auf jeden Fall ein ungewöhnliches Buch geschrieben, ich freue mich schon auf seine Biographie, Buntschatten und Fledermäuse.

  • Vor einiger Zeit habe ich es schonmal begonnen, konnte aber mit dem Buch nichts anfangen. Also stellte ich es erstmal zur Seite um ihm später eine neue Chance zu geben. Diese Chance kam vor zwei Tagen und ich freue mich, dass ich das Buch nicht sofort nach dem ersten Leseversuch weg gegeben habe. Die Wortwahl, die Herr Brauns trifft finde ich sehr poetisch. Auch der Weg, den Adina gehen muss, um nach "Draußen" zu kommen, war gut geschrieben. Es wurde ein Thema angesprochen, dass in Deutschland sicher nicht selten vorkommt. Keiner darf erfahren, dass das zu Hause voller Müll ist. Deshalb werden Adina und ihr Bruder vor den Klopfern gewarnt. Ein sehr beeindruckendes Buch.

  • Ein sehr bewegendes Buch, mit einer außergewöhnlichen Sprache.
    Die ersten Seiten kam ich schlecht in die Geschichte rein, an die Sprache Axel Brauns muß man sich erst gewöhnen, aber dann hat es mich in den Bann gezogen und ich konnte nicht mehr aufhören zu lesen!
    Eine tolle und zugleich zutiefst traurige und nachdenkliche Geschichte, die mich tief gerührt hat. Axel Brauns beschreibt zutreffend die Gefühle Adinas und kann sich sehr gut in das kleine Mädchen reinversetzen.
    Ein würdiger Nachfolger von "Buntschatten und Fledermäuse".

  • Ich habe das Buch letztes Jahr aus einer Grabbelkiste befreit und war ganz begeistert. Axel Brauns hat seinen ganz eigenen Stil, der zwar anfangs gewöhnungsbedürftig war, mich aber, sobald ich mich daran gewöhnt hatte, sehr fasziniert hat. Das Buch hat mich absolut gefesselt.


    Durch Zufall habe ich vor einigen Wochen Axel Brauns in einer Reportage über Autisten gesehen, und das hat mich um so neugieriger auf auf die Buntschatten und Fledermäuse gemacht hat, dass bei mir bereits subbt.

  • Von dem Titel her, würde mich das Buch höchstwahrscheinlich nicht ansprechen. Da kann ich nur sagen, schön, dass es so viele postive Rückmeldungen gibt. Somit kommt das Buch auf jeden Fall auf meine Wunschliste. :-)

    Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen,

    der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig. :lesend
    Ernst R. Hauschka

    Liebe Grüße von Estha :blume

  • Das Buch ist sehr bedrückend und traurig. Es ist zwar ein Roman, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es viele Kinder gibt, die in solchen oder ähnlichen Situationen leben müssen.


    Ich finde allerdings nicht, dass das Buch stellenweise emotionslos ist.

  • Ich hab das Buch gestern in fast einem Rutsch gelesen und irgentwie wirkt es immer noch nach. :gruebel
    Sowas kommt bei mir nicht oft vor.


    Woran das liegen könnte?
    An der heiklen Thematik des Buches, das sich mit einer kranken Mutter beschäftigt, die ihre Kinder sowohl körperlich als auch seelisch vernachlässigt und verwahrlosen lässt?
    Oder an der Art und Weise wie anpassungsfähig Kinder sind, um auch mit den abartigsten Situationen im Leben klarkommen zu können?


    Ich kann es irgentwie nicht genau in Worte fassen. Das Buch hat mich sehr berührt und tut es immer noch. :rolleyes


    Von mir bekommt es 10 Punkte :wave.

  • Zitat

    Original von Froschi
    Ich kann es irgentwie nicht genau in Worte fassen. Das Buch hat mich sehr berührt und tut es immer noch. :rolleyes


    Froschi, ist es deins? Wenn ja, dann betrachte es mal als Kandidat für den Rollenkoffer, ja? :knuddel1

    Worte sind Waffen. Wenn Ihnen etwas ganz stark am Herzen liegt, legen Sie Ihre Waffe an und feuern. (James N. Frey)

  • Zitat

    Original von Britt
    Froschi, ist es deins? Wenn ja, dann betrachte es mal als Kandidat für den Rollenkoffer, ja? :knuddel1


    Ja, is meins. Kannste gern ausleihen. :knuddel

  • Und es liegt schon in meinem Einkaufswagen bei Amazon!
    Ich lese es zwar gerade schon (ausgeliehen - danke Froschi! :kiss), aber dieses Buch gehört zu denen, die ich unbedingt selber haben will.


    Vom eigenwilligen Thema mal abgesehen ist allein schon die Sprache genial:


    "Frau Meier hatte traurige Hände, so gerötet, als hätten sie gerade geweint."


    Ich werde neidisch, wenn ich so was lese, neidisch, dass mir solche Bilder nicht einfallen, treffender kann man Eindrücke nicht beschreiben.
    Axel Brauns fühlt sich in dieses kleine Mädchen ein, als hätte er sich während des Schreibens Adinas Seele ausgeliehen. Wir identifizieren uns mit ihren Gedanken, leiden und freuen uns mit ihr, schmunzeln über ihre phantasievollen Wortschöpfungen, sind beeindruckt, berührt, bewegt, möchten sie bei der Hand nehmen, ihre Ketten sprengen, helfen, eine Verbindung zur Außenwelt zu finden. Brauns ist ein Meister der Sprache. Er lässt Bilder im Leser entstehen, ruft Gefühle wach und beschreibt seine Figuren so überzeugend, als wären sie ein Teil von ihm selbst.
    Ganz großes Kino. Ein wundervolles Buch!


    Ich bin noch nicht fertig mit dem Roman, gebe aber jetzt schon mal 10 Punkte.

    Worte sind Waffen. Wenn Ihnen etwas ganz stark am Herzen liegt, legen Sie Ihre Waffe an und feuern. (James N. Frey)

  • Eigenartigerweise haben mich diesmal zu Anfang des Buches Axel Brauns' Wortschöpfungen etwas genervt, aber das hat sich dann zum Glück nach den ersten Seiten wieder gelegt.
    Ich kann mir gut vorstellen, daß neue Leser (also diejenigen, die den Vorgänger Buntschatten und Fledermäuse noch nicht gelesen haben) durch diese eigenartigen Wörter etwas aus dem Lesefluss kommen.
    Aber es lohnt sich dranzubleiben!


    Die Geschichte war auf jeden Fall wunderschön. Also erschreckend wunderschön. Man konnte sich so gut in das kleine Mädchen hineinversetzen.
    Und ich hatte Mühe diesen Roman zwischendurch aus der Hand zu legen.


    Allerdings sind bei mir noch ein paar Fragen offen geblieben, die aber verständlicherweise im Buch nicht behandelt werden konnten, da ja aus Sicht von Adina geschrieben wurde....


  • Charlotte


    Genau diese Frage, die du gespoilert hast, habe ich mir auch gestellt. Eigentlich ist das ein Ding der Unmöglichkeit. Andererseits war Carla so phantasievoll, wenn es darum ging, die Klopfer von ihrem Haus fernzuhalten,

    Wie immer sie es hingekriegt hat - wir konnten es nie erfahren. Da das Buch ja aus Adinas Sicht geschrieben ist, und sie totsicher keine Ahnung hatte, wie ihre Mutter das gedreht hat, ist es natürlich auch beim Leser nicht angekommen.

    Worte sind Waffen. Wenn Ihnen etwas ganz stark am Herzen liegt, legen Sie Ihre Waffe an und feuern. (James N. Frey)

  • Erschreckend fand ich vor allem, dass sich Kinder einer absurden Situation so gut anpassen, dass sie das "Normale"als komisch oder sogar eklig empfinden.


    Dann noch die Vorstellung, dass sich Carla (die Mutter) so nach außen präsentieren kann, dass es unbemerkt bleibt.



    Das Buch hat mich gefangen genommen, auch wenn ich bis zum Schluss meine Mühe mit der Sprache hatte.


    Von mir gibt es 8 Punkte.