Alex Kava: Das Böse
ISBN: 9783862785179
MIRA Taschenbuch, 412 Seiten, 4.99 €
Über die Autorin:
Alex Kava wuchs in einem kleinen Ort mit weniger als 500 Einwohnern im ländlichen Nebraska auf. Sie machte ihren Universitätsabschluss in Kunst und Englisch und arbeitete über 15 Jahre in der Werbe- und Grafikdesignbranche.
Inhalt:
Als der Serienkiller Ronald Jeffreys für die grausamen Morde an drei kleinen Jungen hingerichtet wird, atmet Amerika auf. Auch wenn er die entsetzliche Wahrheit darüber, was wirklich geschah, mit ins Grab nimmt. Doch drei Monate später wird erneut die Leiche eines Jungen gefunden. Sein geschundener kleiner Körper weist alle Merkmale der Jeffreys-Morde auf. Und plötzlich ist der furchtbare Verdacht da: Wurde ein Unschuldiger hingerichtet? Sheriff Nick Morrelli und der attraktiven FBI-Profilerin Maggie O'Dell bleibt nicht viel Zeit, den Täter zu finden. Denn ein zweites bestialisch ermordetes Opfer bestätigt das Unfassbare.
Rezension:
Im Debütroman von Alex Kava passiert ziemlich viel – leider ist quasi nichts davon interessant. Dabei besitzt die Story eigentlich jede Menge Potenzial: Nach der Hinrichtung eines vermeintlichen Serienkillers gibt es neue Opfer zu beklagen – und alles deutet auf den bereits verurteilten Mörder hin. Wurde ein Unschuldiger hingerichtet? Oder hatte der Täter von damals einen bislang unbekannten Partner? Sheriff Nick Morrelli und FBI-Profilerin Maggie O'Dell übernehmen den Fall.
Man ist geneigt, beim Lesen der Inhaltsangabe an einen klassischen Thriller zu denken. Beim Stichwort „FBI-Profilerin“ kommt uns natürlich sofort Clarice Starling aus dem Meisterwerk „Das Schweigen der Lämmer“ von Thomas Harris in den Sinn. Gut, Frau Starling befand sich teilweise noch in Ausbildung, während Frau O'Dell bereits mehrere Abschlüsse vorweisen kann. Diese akademischen Qualifikationen scheinen Maggie O'Dell allerdings bei den Ermittlungen nicht zu helfen: Ihre Untersuchungen und Schlussfolgerungen beschränken sich auf rudimentäre Populärpsychologie und Binsenweisheiten. Als Leser erfährt man praktisch nichts über die wirkliche Arbeit eines Profilingteams, stattdessen werden alte Erkenntnisse, die man schon aus unzähligen anderen Büchern kennt, noch einmal aufgewärmt.
Generell erweckt dieses Buch den Anschein, dass sich die Autorin nicht sicher war, was sie denn nun wirklich erzählen möchte. Die prinzipiell gar nicht schlechte Spannungskurve wird immer wieder durch zähe Dialoge unterbrochen, besonders das Zusammenspiel zwischen Sheriff Morrelli und Profilerin O'Dell entwickelt sich im Laufe der Geschichte zu einem echten Ärgernis. Die obligatorische Liebesgeschichte zwischen den Beiden wird dem Leser mit dem metaphorischen Holzhammer übergezogen, eine subtile Erzählweise sucht man vergebens. Die Charaktere handeln derart kalkulierbar, dass es keine, aber auch wirklich keine einzige überraschende Wendung gibt.
Trauriger Höhepunkt dieser vorhersehbaren Spannungsreduktion ist ein Dialog zwischen Profilerin O'Dell und einem Pater (Seite 210):
„Agentin O'Dell.“ Er klang ernst und besorgt. „Ich habe vielleicht noch zusätzliche Informationen, obwohl ich nicht weiß, wie wichtig sie sind.“
„Pater Francis, ich kann jetzt nicht sprechen. Ich erwarte einen dringenden Telefonanruf“, unterbrach sie ihn, ehe er noch mehr preisgeben konnte.
„Könnten wir uns vielleicht später treffen?“
„Ja, das wäre schön. Ich habe heute Morgen einige Beichten abzunehmen, und am Nachmittag mache ich meine Runde durch das Krankenhaus. Ich werde also erst nach vier Uhr Zeit haben.“
Rhetorische Frage: Wird Pater Francis dieses Treffen noch erleben oder vorher vom Mörder erwischt?
Gut und Böse sind klar definiert, auch der Täter ist schnell erraten. Das schlimme daran ist allerdings weniger die frühe Auflösung, sondern der verzweifelte Versuch von Alex Kava, dem Leser an einigen Stellen doch noch einmal eine falsche Fährte aufzutischen. Das wirkt furchtbar altbacken und ab einem gewissen Zeitpunkt ist es nur noch nervig.
Werfen wir abschließend einen kurzen Blick auf den zentralen Handlungsort: Eine Kleinstadt namens Platte City in Nebraska. Beim Begriff „Kleinstadt“ schrillen natürlich sofort alle Alarmglocken – klischeebeladene Seitenhiebe gegen die Landbevölkerung gibt es bereits zu genüge, das braucht man heutzutage wirklich nicht mehr. Und dennoch gelingt es Alex Kava, praktisch jedes nur erdenkliche Klischee in die Charaktere aus Platte City einzubauen. Intoleranz, Sturheit, festgefahrene Lokalpolitik – dem Leser wird nichts erspart. Clevere Autoren nutzen diese Eigenheiten, um ihre Charaktere gnadenlos zu überzeichnen und damit eine humorvolle Persiflage über das Leben in einer Kleinstadt zu erstellen. Alex Kava vergibt diese Möglichkeit kläglich.
Fazit: „Das Böse“ ist ein mäßig spannender Thriller, der sich auf festgefahrenen Routen bewegt. Überraschungen sucht man vergebens, den Dialogen fehlt jeglicher Biss und die Darstellung der Ermittlungsarbeit ist unzureichend. Schnell gelesen und schnell vergessen – dieses Buch ist der Inbegriff für literarisches Fast Food.
2 / 10 Punkte