Die Bibliothek des Alchemisten, Jon Fasman, Heyne-Verlag, München, 2006, Originaltitel "The Geographer's Library", übersetzt von Birgit Moosmüller, ISBN 3-453-01840-0
Klappentext:
Es scheint ein wenig spektakulärer Auftrag für den Provinzreporter Paul Tomm zu sein. Er soll den Nachruf auf einen estnischen Professor schreiben. Erstaunlich erscheint zunächst nur der Befund des Gerichtsmediziners, der von einem unnatürlich guten Zustand der inneren Organe spricht. Erste Station von Pauls Recherchen ist das Haus des Toten. Das Wohnzimmer ist völlig verkommen, doch in dem Chaos und Schmutz sticht Paul eine seltsam leere Vitrine mit 15 Exponateständern ins Auge. Gespräche mit Professorenkollegen fördern zutage, daß der Tote sich bereits seit längerem verfolgt fühlte. Als auch noch der Gerichtsmediziner vor Vollendung der Obduktion bei einem merkwürdigen Unfall stirbt, dämmert es Paul, dass er einem mörderischen Geheimnis auf die Spur geommen ist. Einem Geheimnis, das an mysteriöse Objekte geknüpft ist, die im 12. Jahrhundert aus der Bibliothek des großen Universalgelehrten und Alchemisten al-Idrisi geraubt wurden. Gemeinsam mit Hannah, der einzigen Person, die den Professor näher gekannt zu haben scheint, hofft Paul, das alchemistische Rätsel lüften zu können - und wird selbst zum gnadenlos Gejagten.
Der Autor:(lt. Klappentext)
Jon Fasman, 1975 in Chicago geboren, wuchs in Washington auf. Nach seinem Studium arbeitete er als Journalist in New York, Oxford und Moskau. Seine Artikel sind u. a. erschienen in Times Literary Supplement, Moscow Times und Wahington Post. Derzeit ist er Redakteur beim Economistin London.
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Interessanter Artikel des Autors zum Buch (Englisch)
Meine Rezension:
Was mich dazu veranlasst hat, in der Buchhandlung „Die Bibliothek des Alchemisten“ in die Hand zu nehmen, weiß ich nicht, nachdem ich aber einige Zeilen angelesen hatte und mich mit der ironisch-sarkastischen Erzählweise des Ich-Erzählers sofort wohl gefühlt habe, wollte dieses Buch unbedingt mit mir zur Kasse.
„Die Bibliothek des Alchemisten“ von Jon Fasman, im Original unter dem Titel „The Geographer’s Library“ erschienen, ist ein dem Genre Krimi / Thriller zuzuordnender Roman, der auch historische und mystische Elemente enthält. Der Ich-Erzähler, Paul Tomm, ein junger Reporter einer Provinzwochenzeitung in Connecticut, ist beauftragt, einen Nachruf über den verstorbenen Professor Jaan Puhapaev zu schreiben. Auf der Suche nach verwertbarem Material erfährt Paul, dass der Professor wohl über wenig Unterrichtstalent verfügte, zweimal mit einer Pistole aus seinem Fenster schoss und von allen als seltsam und verquer eingeschätzt wurde. Als der untersuchende Gerichtsmediziner unter mysteriösen Umständen bei einem Autounfall stirbt, ist Paul Tomms Neugier geweckt und mit Hilfe einiger Personen, einem befreundeten Professor, einem Polizisten und seinem Vorgesetzten, versucht er herauszufinden, was mit dem Professor geschah. Dabei lernt Paul des Professors attraktive Nachbarin und Bekannte, die Musiklehrerin Hannah Rowe, kennen, die ihn bei der Recherche von Informationen unterstützt. Durchbrochen wird dieser Handlungsstrang in regelmäßigen Abständen durch eine zweite Handlungsebene, über welche episodenhaft die Geschichte einer Reihe von mysteriösen Objekten vorgestellt wird, die dem Alchemisten Al-Idrisi, einem spanisch-muslimischen Philosophen, Kartographen, Heiler und Alchemisten, gestohlen wurden, als er 1154 im Dienste des Königs von Sizilien stand. Neben der Beschreibung der Objekte steht in dieser Handlungsebene insbesondere die Erzählung um den letzten bekannten Besitzer dieser antiken Gegenstände im Vordergrund, die den Leser in verschiedenste Länder der Welt führt.
Die Stärke von Jon Fasmans Debüt ist sein Schreibstil. Witzig, spritzig, intelligent, lebhaft , dynamisch, ideenreich und phantasievoll präsentiert er uns die Geschichte, die er erzählen will und verteilt scheinbar nebenbei Seitenhiebe auf vieles, was sich in unserer Gesellschaft eingeschlichen hat. Nebensächliche Anmerkungen lesen sich dabei genauso interessant wie das Wesentliche seiner Geschichte und machen das Gelesene bildhaft vorstellbar. Seine Charaktere zeichnet Jon Fasman liebevoll und mit spitzer Feder, er stattet sie mit Ecken und Kanten aus und lässt sie Bekanntschaft mit skurrilen und verschrobenen Personen machen. Aufgrund des Karikierens von Personen bewegt er sich immer sehr nah an der Grenze zum Klischee. Die Charaktere empfinde ich nicht als Identifikationsfiguren, der teils naive Ich-Erzähler ist eher eine Person über die man sich gerne aus der Distanz köstlich amüsiert. Schwierig sind für den Leser die beiden Handlungsstränge, die zunächst nebeneinander her laufen, ohne dass der Leser die geringste Ahnung hat, was oder ob etwas die beiden Handlungsstränge miteinander verbindet. Aufgrund dessen habe ich zum Teil den Wechsel von der Handlungsebene in der Gegenwart zu der Geschichte und kataloghaften Beschreibung der Objekte bzw. Antiquitäten teilweise fast als lästig empfunden, zumal dadurch auch der von mir als wesentlich eingestufte Handlungsstrang deutlich an Dynamik verliert. Verknüpft werden die Handlungsstränge erst kurz vor dem Ende des Buches, so dass der Leser durchaus den Eindruck gewinnen kann, dass eine derart detaillierte Schilderung der Objekte und ihrer Geschichte gar nicht notwendig gewesen wäre. Das Ende des Romans und die Auflösung des Geheimnisses sind zwar plausibel dargestellt, lassen den Leser aber dennoch enttäuscht zurück, weil die Lösung eher unspektakulär und nebulös ist.
Trotz dieser erheblichen inhaltlichen und strukturellen Schwächen, hat es Jon Fasman mit seinem Zynismus und seiner schönen Sprache geschafft, mich so zu fesseln, dass ich von seinem Buch nicht lassen konnte, ehe ich es mit einigem Vergnügen zu Ende gelesen hatte. Daher 3,5 Amazon-Sterne und die Hoffnung auf ein weiteres Buch von Jon Fasman mit besserem Plot auf gleich bleibendem sprachlichem Niveau.