'Unter dem Teebaum' - Erster Teil

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    Original von Iris


    Da könnte ich dir zahllose aus der Literatur nennen, die sehr emotional, sehr intensiv sind -- aber eben kein Kitsch, keine "Steigerung" durch Reihung von Platitüden, Klischees, Phrasen etc.


    :gruebel Willst du mir damit sagen, dass es auch Beschreibungen von Liebesszenen in der Literatur gibt, die emotional aber nicht kitschig sind? :gruebel Das ist hier ja gar nicht die Frage. Stehe ich auf dem Schlauch? Natürlich gibt es die.





    Zitat

    Auch hier bezog ich mich auf das Beispiel, dass in kitschigen Liebesszenen die Wünsche mancher Frauen oder meinetwegen die zurückgedrängten Emotionen der Männer dargestellt werden.


    Diese Form von Kitsch zielt ausschießlich auf Frauen. Die andere Perspektive sieht eher so aus, daß eine Frau dahinschmilzt. Und möglichst nicht nur eine! :grin



    Dann stellt sich mir die Frage: Warum? Warum stört es den Leser, wenn eine (?) Szene kitschig ist in einem ansonsten unkitschigen Roman?

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    Original von Ines
    Also wären dann ja auch der Hype um die Fußball-WM,. um die Bundesliga und das Formel 1 Rennen "Männerkitsch", oder?


    Der Hype auf jeden Fall, der Kult, der dartum gemacht wird mit Heldenverehrung und Merchandising bis hin zum Bayern-München-Weißbierglas und zum Ferrari-Fuchsschwanz. Selbstverständlich ist das Kitsch vom Feinsten! :lache



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    Original von Ronja
    Willst du mir damit sagen, dass es auch Beschreibungen von Liebesszenen in der Literatur gibt, die emotional aber nicht kitschig sind? :gruebel Das ist hier ja gar nicht die Frage. Stehe ich auf dem Schlauch? Natürlich gibt es die.


    Und ausgerechnet vor allem aus männlicher Feder gibt es die! Und keineswegs speziell für ein weibliches Zielpublikum verfaßt. Das ist das Argument. :grin
    Es ist mitnichten so -- und darin sind wir uns ja einig (deshalb reden wir aneinander vorbei :grin) --, daß Männer nicht emotionale Situationen in aller Intensität darstellen können. Männer können auch Kitsch schreiben (es gibt ja auch männliche Liebeskitsch-Autoren, die meist unter Pseudonym schreiben.


    Es geht auch nicht ums biologische Geschlecht (sex), sondern ums soziokulturelle Geschlecht (gender). Ich kenne durchaus Frauen, die männlichen Kitsch (heroische Abenteuergeschichten, Sport, Heavy Metal usw.) dem weiblichen Kitsch bevorzugen. Grundsätzlich ist gegen Kitsch auch überhaupt nichts zu sagen, weil in jedem von uns auch das Bedürfnis nach trivialer Realitätsflucht steckt. :grin


    Dennoch ist Kitsch ästhetisch gesehen pseudo-emotional bis hin zu Fanatismus/Hysterie, und zwischen Kitsch und Kunst, platter Sentimentalität und mimetischer Wiedergabe von Denken und Empfinden liegen Lichtjahre.


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    Die andere Perspektive? Was meinst du?


    Kitsch, der für Männer gemacht wird, denn auch Männer haben ihre Formen von Kitsch. James Bond ist die britische Parodie auf den klassischen Agenten-Kitsch: Der Mann meistert die absurdesten Situationen, ist cool wie Franz-Josef-Land und hat in jedem Hafen eine andere, die vor ihm zu Boden sinkt resp. die Hüllen fallen läßt.
    Das ist ebenso wie dir "ernstgemeinten" Vorbilder primär nicht auf Frauen gemünzt, sondern auf Männer: das Bild des knallharten, cleveren, wortkargen, sportlichen und zugleich weltgewandten Supermannes, der sein gefährliches Leben mit einem Fingerschnippen meistert und dem die schönsten Frauen scharenweise zu Füßen liegen.


    Interessant ist, daß es für alle Varianten des Männerkitsch Parodien gibt, die sich ebensolcher Beliebtheit erfreuen. Frauenkitsch, speziell der unsägliche Liebeskitsch und der Muttikitsch (Romane von verlassenen Kindern und so ein Zeug), ist hingegen eine todernste Sache, ober die Witze zu machen offenbar eine Art Sakrileg darstellt. :lache


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    Dann stellt sich mir die Frage: Warum? Warum stört es den Leser, wenn eine (?) Szene kitschig ist in einem ansonsten unkitschigen Roman?


    Weil Kitsch nun mal qualitativ schlechter ist und deshalb negativ raussticht. Es ist, als würdest du eine wunderschöne Wohnung am Wunschort besichtigen, alles ist nur phantastisch, alles, bis auf eines: Das Klo müffelt auffallend.
    Das kann einem die schönste Lage vergällen. :lache


    (Ich hätte jetzt auch als Beispiel sagen können, daß die Wohnzimmerwand eine Fototapete ziert , ein karibischer Palmenstrand mit Sonnenuntergang, auf dem sich eine nackte Kreolin rekelt -- was wiederum Kitsch wäre. Fernwehkitsch. :lache)

  • Ah! Ok! Jetzt hab ich dich verstanden und weiß jetzt auch warum wir aneinander vorbei geredet haben! :lache


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    Grundsätzlich ist gegen Kitsch auch überhaupt nichts zu sagen, weil in jedem von uns auch das Bedürfnis nach trivialer Realitätsflucht steckt.


    Die Gefahr besteht nur darin, dass einige Leser sich hinterher unbedingt solche Dinge auch in ihrem Leben wünschen und dann irgendwann unzufrieden feststellen müssen, dass es sowas einfach nicht gibt. Jedenfalls nicht immer und nicht auf Knopfdruck. Aber dass soll mal nicht unser Problem sein.

  • Kitsch ist doch eine sehr subjektive Betrachtungsweise. Daher finde ich es müßig andere davon überzeugen zu wollen was Kitsch ist und was nicht. Jeder betrachtet es ja doch aus dem eigenen Blickwinkel.


    Übereinstimmend kann man ganz sicher sagen, dass Kitsch ein Begriff ist für Dinge, die etwas erscheinen lassen was sie nicht sind. Aber, ob wir diese als wahr oder gekünstelt empfinden, das ist wiederum ganz subjektiv.

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    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)