Hugo Hamilton, Gescheckte Menschen

  • Klappentext:
    Hugo Hamilton lebt in einem Land, das auf keiner Landkarte verzeichnet ist: Der kleine Junge wurde in Irland geboren und wächst in Dublin auf, er geht aber jeden Abend in Deutschland zu Bett und steht morgens in Deutschland wieder auf. Keine gewöhnliche Familie in Dublin: Denn sein Vater ist Ire und seine Mutter Deutsche. So spricht er kein Englisch, dafür aber Deutsch und Gälisch. Für die anderen ist er der Junge aus der merkwürdigen Familie, für Hugo ist seine Welt ein Ort voller blinder Flecke, ungelöster Rätsel und Verwirrungen. Hugo Hamilton erzählt von seiner einzigartigen Kindheit im Irland der Fünfziger- und Sechzigerjahre und von seiner Sehnsucht nach einem Land, in der er kein Fremder ist.


    Autor:
    Hugo Hamilton wurde 1953 als Sohn eines irischen Vaters und einer deutschen Muter in Irland geboren. Er hat bisher fünf Romane verfasst, von denen drei auch auf Deutsch erschienen sind, und eine Sammlung von Kurzgeschichten. Er lebt mit seiner Familie in Dublin.


    Meine Meinung:
    Gescheckte Menschen ist eine einzige Suche nach Identität. Hugo sucht nach seiner, sein Vater - autoritär und patriotisch - nach seiner, die Iren suchen ihre und die Deutschen ebenso. Hugo leidet unter seiner deutschen Herkunft und wehrt sich gegen die Nazi-Beschimpfungen seiner Mitschüler lediglich mit einem schweigenden Nein, wie es von der Mutter beigebracht wird. Der Vater drillt die Familie dazu, irisch zu sein und prügelt unter Gottes Eingabe - es gilt Opfer für Irland zu bringen. Hugo lebt in einer Familie irgendwo im Nirgendwo.


    Die Geschichte an sich ist sehr interessant und beleuchtet sehr gut ein individuelles Schicksal. Der Stil ist allerdings sehr zähl bis hin zu langweilig. Hamilton versucht durch einen durchaus humorigen Stil die Meinung der Familie "Man muss auch über sich selbst lachen können" zu unterstützen, was nach meiner Meinung nur sehr mühsam gelingt. Leitsätze wie "Sie schreibt Tagebuch, weil das Tagebuch der einzig wahre Freund ist" werden gebetsmühlenartig wiederholt - es liest sich ab.


    Fazit: interessante Geschichte, leider mühsam zu lesen.

  • Halli Trixi!
    Danke für diese Rezi! Ich bin schon um das Buch rumgeschlichen, denn der Text scheint interessant zu sein, aber ich hatte auch das Gefühl, dass es streckenweise langwierig bis -weilig zu lesen ist...werde also nochmal drum rumschleichen, für Urlaubstage vielleicht...?
    Liebe Grüße!

  • Mir hat das Buch grundsätzlich recht gut gefallen. Eine interessante Geschichte. Mit dem Stil, muß ich gestehen, hatte ich auch ein bißchen Probleme. Ich mag es ungewöhnlich, aber der hat sich für mich etwas gesperrt.
    Aber, da ich das nächste Buch, "A sailor in the wardrobe", auf Englisch besitze, werde ich da erproben, ob ich mir im Original leichter tue mit Hamiltons Stil.

  • Mir hat dieses Buch sehr gut gefallen und ich fand es weder sperrig und mühsam zu lesen. Im Gegenteil, die Verwendung des Präsens und einer nur vordergründig einfachen Sprache hat mich regelrecht in das Buch hineingezogen und lies mich die ganze Geschichte glaubwürdig mit Kinderaugen sehen.


    Vielleicht lese ich ja die falschen Bücher, aber auch hier fiel mir wieder auf, dass dieses alte Irland, das für viele Menschen, speziell Deutsche, immer noch ein Sehnsuchtsort ist, aus Kindersicht ein ziemlich grausamer Ort war, auch wenn das oft hinter einem (schwarzen) Humor verborgen ist.


    Das war bei Frank McCourt, Roddy Doyle, Anne Enright oder eben jetzt bei Hugo Hamilton so.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Hamilton erzählt aus der Perspektive eines Kindes, dessen Familie vom extrem nationalistischen Vater zum Außenseiterdasein gezwungen wird. Im Fall der Mutter geht die extremistische Position des Vater sogar weiter, ihr wird - unter dem Mantel des Irischseinwollens um jeden Preis - verboten, sich mit Nachbarinnen zu treffen und eigene Freunde zu haben, der Vater ist höchst eifersüchtig. Hamilton erzählt auf Umwegen vom Nationalsozialismus, indem Hugo die Erinnerungen der Mutter wiedergibt, so wie er sie verstanden hat. Da Kinder manche Dinge nur in Ausschnitten oder falsch verstehen, klingen die Geschichten aus Deutschland während des Nationalsozialismus teilweise sonderbar. Hamilton weicht von der kindlichen Perspektiv aber auch ab, z. B. als Hugo von Schutzmaßnahmen gegen einen befürchteten Atomkrieg erzählt. Der erwachsene Hugo weiß, dass die Maßnahmen Augenwischerei waren, das Kind von damals musste zunächst glauben, was man ihm erzählte. Fraglich bleibt, ob eine Mutter ihren Kindern im katholischen Irland der 50er vom Missbrauch durch ihren Chef und dessen Abtreibungsversuch an ihr erzählt hätte oder ob diese Szenen einer „gescheckten“ Familiengeschichte aus einer späteren Zeit stammen. Sehr gelungen finde ich die bildhafte Darstellung, wie Vater Hamilton die Geschichte der irischen Familienseite verdrängt, indem Erinnerungsstücke im Kleiderschrank zum Verschwinden gebracht werden. Hamiltons Blick zurück auf einen Vater, der vermeintlich Gutes mit gewaltsamen Mitteln erreichen will, stellt Themen wie Heimat und Muttersprache aus ungewöhnlicher Perspektive dar. Die in eigene Kindheitserinnerungen verschachtelten Erzählungen der Mutter aus dem Nationalsozialismus fand ich beeindruckend.


    8 von 10 Punkten