DAS URTEIL UND ANDERE ERZÄHLUNGEN - FRANZ KAFKA
Ich habe mich nun ein ganzes Semester mit Kafkas "Das Urteil" auseinandergesetzt und mit verschiedenen Literaturtheorien dazu befasst (poste das Buch gleich im Anschluss).
Franz Kafka ist wohl mehr verhasst als verehrt, was vielleicht aber auch daran liegt, dass bis auf "Probleme mit seinem Vater" und "Ich versteh die Geschichten nicht" kaum etwas mit ihm verbunden wird.
Ich selbst gebe zu, dass ich auch schwanke und eher zu "ist ein komischer Kauz" tendiere, aber trotzdem sollte man die Aussage seiner Texte nicht unterschätzen.
Eins vorweg: Kafka verstand seine Texte auch oft selbst nicht, wie er in seinem Tagebuch vermerkte. Und das unbefriedigende Gefühl bleibt einfach schnell, wenn man glaubt, man verstehe nur Bahnhof.
Es gibt keinen allgemeingültigen "Sinn" darin und darauf muss man sich einlassen, wenn man Kafka eine Chance geben möchte. Es überlagen sich auch einfach zu viele Ebenen und schieben den einen Sinn, den man so gerne finden möchte, einfach außer Reichweite.
Auch wenn seine Texte sehr viel von dem Problemem zwischen seinem Vater und ihm sprechen, so sind das nicht vorrangig die Dinge, die darin zu sehen sind. Und ehrlich gesagt ist das manchmal auch etwas zu einfach gemacht, immer alles auf seinen Ödipuskomplex zu schieben.
Kafka ist ein Mensch wie jeder andere, aber es gibt so viele Facetten an ihm, die ihn zu einem besonders interessanten Wesen werden lassen. Seine Schreibhochs und -tiefs, seine Liebesgeschichten und Ver- und entlobungen, und ja, auch seine Familien- und Identitätsprobleme, ebenso wie auch seine Verweigerung zur Veröffentlichung seiner Texte.
Man darf ihn nicht einfach abtun als "unverständlich schreibendenden, mit Komplexen durchsetzten Geisteskranken", ohne sich ehrlich auf ihn eingelassen zu haben.
Das Urteil handelt von Georg Bendemann, der einem Freund in Russland Briefe schreibt. Nach langem Hin- und Her entscheidet er sich, ihm von seiner Verlobung mitzuteilen, wovor er sich bis jetzt gescheut hat. Er glaubte ihm nicht offen und ehrlich mitteilen zu können, dass sein Leben im Gegensatz zu dem Leben des Freundes recht gut verlaufen zu scheint.
Als er zu seinem Vater geht, um ihm von dem Brief zu erzählen, eskaliert die Situation.
Diese kurze Erzählung (knappe 15 Seiten) beginnt zu erst nachvollziehbar, wird dann aber komplexer bis verwirrend. Beim zweiten Lesen fallen einem noch mehr Dinge auf, die nicht in ein gewöhnliches Erklärungsmuster passen.
Trotzdem findet man Ideen und Sinnzusammenhänge, um sich ein Fazit daraus zu bilden und einen halbwegs befriedigenden Sinn sehen zu können.
Und das macht die Geschichte zu einer interessanten Geschichte!
Ich werde in der nächsten Zeit noch mehr dieser Kurzgeschichten aus dem Buch lesen und hier nach und nach vorstellen. Ich würde mich wirklich freuen, wenn vielleicht noch jemand die eine oder andere kennt, oder Lust hat, etwas darüber zu philosophieren.