Irving Stone : Michelangelo

  • Hallo,


    heute will ich Euch mal ein Buch vorstellen, dass meiner Oma sehr gut gefallen hat.
    Sie hat es, als sie in einem Club war (nicht Bertelsmann) als Quartalsbuch zugeschickt bekommen, da sie in dem Quartal vergessen hatte, sich ein Buch zu kaufen (Anm. kommt seeeeeeeehr selten bei ihr vor ;) ).
    Vor lauter Zorn, hat sie das Buch gleich nach Erhalt in den Schrank gestellt und es dort stehen lassen. Ein Jahr später hat sie mit einer Bekannten sich unterhalten, die gerade dieses Buch am Lesen war und hat sich daran erinnert. Da die Bekannte so begeistert war, hat meine Oma das Buch wieder herausgesucht und zu lesen angefangen. Nach ihrer Aussage hat sie 24 Stunden durchgelesen und hat am Ende sogar mit Michelangelo selbst mitgemeiselt.
    Was sie sehr fasziniert hat, der Auor hat sich richtig Mühe gegeben bei der Recherche und auch mit den Nachfahren gesprochen.
    So konnte er viele Mißverständnisse wie : Michelangelo sei schwul gewesen , widerlegen.
    Er deckt in seinem Buch auf, dass Michelangelo erpresst wurde, wie auch andere bekannte Künstler in seiner Epoche.


    Aber lest selbst, ehe ich Euch alles über das Buch verrate :grin



    Florenz war 1475 der geistige und künstlerische Mittelpunkt der italienischen Renaissance. In diesen vor Vitalität berstenden, von Lorenzo de Medici, dem Förderer der schönen Künste, regierten Stadtstaat wurde eines der universellsten Genies der Menschheitsgeschichte hineingeboren - Michelangelo Buonarroti, Bildhauer, Maler, Dichter, Baumeister und Ingenieur.

  • ich.
    es war ein geliehenes buch und das ganze ist etliche jahre her.
    damals erschien es mir zäher als stones andere bücher, die ich sehr liebe und fast alle besitze. deshalb habe ich es mir auch nicht selbst gekauft.
    kann aber sein, dass ich damals zu jung oder nicht in der rechten stimmung dafür gewesen bin...


    @ tanzmaus: kannst DU deine damalige rezension aus omas erzählungen inzwischen durch eigenes erlesen komplettieren?
    würde mich interessieren, ob du es ähnlich empfunden hast wie ich...


    :wave

    "Ein Buch ist wie ein Spiegel: Wenn ein Affe hineinschaut, kann kein Weiser herausschauen."(Lichtenberg)

  • Bei mir ist es auch schon lange,dass ich es gelesen habe,aber ich fand es super.
    Ich wäre am liebsten nach Florenz gefahren,um mir die ganzen Schauplätze anzugucken.Ich habe es damals verschenkt,und die Beschenkten waren auch total begeistert.

  • Zitat

    Original von Melkat
    Hat es inzwischen noch jemand gelesen?
    Tanzmaus vielleicht???


    Auf den Punkt gebracht, Melkat.


    Das ist klasse und wahrscheinlich ein Novum in der Eulen-Rezensionsgeschichte. Eine Rezension über ein Buch, daß man selbst gar nicht gelesen hat. Es wird immer doller. :-)


    Gruss,


    Doc

  • Zitat

    Original von Tanzmaus
    So konnte er viele Mißverständnisse wie : Michelangelo sei schwul gewesen, widerlegen.


    "Wenn Michelangelo heterosexuell gewesen wäre, hätte er die Sixtinische Kapelle mit einer Rolle Weiß angestrichen." (Rita Mae Brown)


    :lache


    Na, ich weiss nicht, ob man so eindeutig widerlegen kann, dass er homosexuell gewesen sei und ich weiss auch überhaupt über Michelangelo nicht genug, aber das schreckt mich schon ein wenig von dem Buch ab. :wow


    lg Iris

  • Ich hab den Wälzer 2x mal gelesen, das erste Mal vor ca. 25 Jahren, das zweite mal vor ein paar Wochen
    Eine sehr schöne Biografie, die ziemlich ins Detaill geht, was mir aber unheimlich gut gefällt, war niemals langweilig.
    Man erfährt auch viel über politische Zusammenhänge, über die jeweiligen derzeitigen Päpste und überhaupt alles über diese Zeit. :-]

  • Ich habe jetzt vor ein paar Tagen den "Michelangelo" auch bereits das zweite Mal zu Ende gelesen und fand es noch genau so gut wie beim ersten Mal.
    Anfangs fand ich die detaillierten Beschreibungen von der Idee über die Umsetzung bis zur Vollendung der Kunstwerke etwas anstrengend zu lesen, was mich aber bald nicht mehr gestört hat. Dazwischen gab es immer sehr viel historischen Hintergrund und Ereignisse, die dem eher theoretischen künstlerischen Teil etwas mehr Leben gaben.


    Seit ich das Buch das erste Mal gelesen habe, sehe ich jedenfalls seine Kunstwerke mit ganz anderen Augen. Dann denke ich immer daran, wieviel Zeit das damals gekostet hat, so etwas zu erschaffen und unter welch widrigen Umständen Michelangelo oft arbeiten mußte.


    Viele Grüße
    Shirat

    Viele Grüße
    Shirat


    Ich habe eiserne Prinzipien. Wenn sie Ihnen nicht gefallen, habe ich auch noch andere. (Groucho Marx)

  • Originaltitel: The Agony and the ecstasy (1977)


    Auf 722 Seiten beschreibt Irving Stone das 9 Jahrzehnte umspannende Leben Michelangelo Buonarottis. Beginnend mit seinem 13. Lebensjahr und dem Eintritt in die Werkstatt des Malers Ghirlandajo, verfolgt der Leser daraufhin seinen Wechsel in den Künstlergarten von Lorenzo de Medici. "Il Magnifico" nimmt ihn bei sich auf und fördert seine Talente bedächtig und fordert so Michelangelo viel Geduld ab - was nicht als seine Stärke gezählt werden kann.
    Neben der eigenen Unruhe macht ihm auch die Haltung seines Vaters Sorgen: dieser kann seinen Wunsch, Künstler zu werden nicht nachvollziehen. Er würde am liebsten sehen, dass sein Sohn Kaufmann wird und damit die Familie unterstützt. Für ihn sind künstlerische Ambitionen nur Zeitverschwendung und wehrt sich ständig gegen die "Exzentritrität" seines Sohnes. Er ändert seine Meinung erst, als Michelangelo beginnt, mit seinen Werken Geld zu verdienen... Eine wahre Krämerseele...


    Nach drei Jahren Lehre und freundlichem Umgang mit der mächtigsten Familie in Florenz stirbt Lorenzo und somit auch Michelangelos Förderung. Lorenzos arroganter Sohn Pietro versteht es nicht, die Bevölkerung der Stadt hinter sich zu sammeln und treibt seinem mächtigen Widersacher Fra Savonarola immer mehr Anhänger zu. Dessen Politik wendet sich explizit gegen die Verkommenheit der herrschenden Klassen und die Verderbtheit in der Kirche. Er beschränkt sich jedoch nicht auf Hasspredigten sondern stellt auch Regeln gegen den Luxus auf. Dies endet in einem "Scheiterhaufen der Eitelkeiten", für das junge Männer und Kinder verwerfliche Gegenstände aus Häusern stehlen und anschließend in einem riesigen Spektakel verbrennen.
    Dieser Teil des Romans war sehr explizit beschrieben und die Horden der "fanciulli" ließen Erinnerungen an "Braunhemden" und die Zeit des Nazi-Regimes vor meinem Auge erstehen. Insgesamt gefiel mir die Beschreibung dieser Zeit des Umbruchs in diesem Roman besonders gut, weil Irving Stone hier sehr viele Informationen bietet, die die Zeitumstände beschreiben. Hierin liegen auch die Wurzeln für das spätere Schicksal Michelangelos. Deshalb: sehr gelungen!


    Nach einem Jahr in Bologna kehrt er nach Florenz zurück, wo eine geschickte Fälschung einer angeblich antiken Statue von Cupido ihm Verbindungen zu dem Kardinal Raffaele Riario in Rom verschafft und in direkter Folge zu seinem ersten Aufenthalt in Rom führt. Insgesamt ist die Zeit für ihn enttäuschend, doch kann er seine erste Pietà schaffen.


    Nach fünf Jahren reist er heim nach Florenz und schafft dort seinen David. Ein Werk außergewöhnlicher Genialität und neuen Denkens! Die Entstehung der Skulptur ist wunderbar beschrieben! Und die Reaktion der Florentiner auf ihr neues Standbild hat mir fast die Tränen in die Augen getrieben. Man fühlt Michelangelos Triumph mit ganzem Herzen mit.


    Zu dieser Zeit wird er in den Florentiner Künstlerkreis aufgenommen, wo er Leonardo da Vinci kennen und hassen lernt. Ihre Egos sind wohl zu groß für eine Stadt, bzw. eine Welt, um sich zu tolerieren. Doch aus dieser Spannung entsteht Michelangelos Wunsch, ein Fresko zu malen – eine Tätigkeit, die er bisher immer ablehnte. Aber der Ehrgeiz beflügelt ihn innerhalb kürzester Zeit, einen Karton für die „Schlacht von Cascina“ fertig zu stellen. Beenden konnte er es jedoch nie, weil er erneut nach Rom aufbrach, wo ihn ein großer Auftrag von Papst Julius II erwartete.


    Nun beginnt für ihn eine Zeit, in der er sich in Verträgen und der Politik verstrickt, die ihm immer wieder Großes verheißen, aber häufig in Enttäuschungen enden. Dies liegt zum einen daran, dass er selbst seine Verträge nicht allzu klug aushandelt, aber auch an den häufig wechselnden Päpsten. In seinem Leben gab es 13 (!) verschiedene Päpste unterschiedlicher Abstammung und Gesinnung. Wenn man von deren Gunst abhängt, muss man schon sehr geschickt sein, sich nicht zu tief in den Intrigen und politischen Untiefen zu verstricken, was Michelangelo nicht immer gelingt, aber letztendlich doch immer glimpflich für ihn verläuft.


    Ich sollte jetzt vielleicht noch einiges zur Entstehung des Freskos in der Sixtinischen Kapelle und seine Arbeit am St. Petersdom erzählen, habe aber das Gefühl, jetzt schon den Rahmen zu sprengen. Außerdem solltet ihr ja selbst noch etwas Neues in dieser Romanbiografie entdecken können! Wer vorher schon mehr wissen möchte, kann sich gut auf der Wikipediaseite informieren.
    Ein weiterer Link, der mir sehr geholfen hat, ist folgender: http://www.scultura-italiana.c…a/Michelangelo/index.html.


    Fazit:
    Von der ersten Hälfte der Romanbiografie war ich sehr begeistert und habe mich trotz der extremen kleinen Schrift meiner Taschenbuchausgabe von 1984 ziemlich schnell fest gelesen. Leider habe ich danach einen Einbruch gehabt – vielleicht liegt es daran, dass sich irgendwann die Mechanismen seiner Arbeit unweigerlich wiederholten: Marmor beschaffen, lange oder stürmische Denkensphase, furioses Losschlagen der Figur im Stein, Polieren. Mir ist durchaus bewusst, dass dieses alles Ausdruck seiner Methode und Genialität ist, aber wenn man zum dritten Mal die gleiche Formulierung liest, wird es leider ermüdend.
    Sehr fasziniert haben mich die Ausmaße seiner Marmorblöcke, seine Arbeit im Bergwerk und die Transportprobleme, denen er sich zu stellen hat. Außerdem: seine anatomischen Studien, seine Persönlichkeit und sein Familiensinn (der unglaublich großzügig ist).


    Schade fand ich hingegen, dass das Ende etwas gehetzt wirkte: den letzten 30 Jahren seines Lebens werden nur noch 77 Seiten gewidmet.


    Insgesamt würde ich diese Romanbiografie aber Kunstinteressierten unbedingt empfehlen! Mir selbst hat es neue Aspekte der Geschichte aufgezeigt, von denen ich ein vertieftes Wissen haben möchte: Lorenzo de Medici, die Borgias, Geschichte der Päpste allgemein, etwas mehr zu Rom und St. Peter im Besonderen, Leonardo da Vinci, Savonarola...

  • Das Buch habe ich vor vielen vielen Jahren gelesen, und es hat mich damals völlig begeistert. Ich fand es mitreißend beschrieben, unter welchen Schwierigkeiten Michelangelo sein Handwerk erlernt und seine Kunstwerke geschaffen hat, und der Gedanke, dass eine Skulptur doch im Marmorblock längst enthalten ist und nur von überflüssigem Stein befreit werden muss, beeinflusst meinen Blick auf Marmorskulpturen noch heute.


    Als ich dann irgendwann in der Sixtinischen Kapelle stand, hatte ich gleich das Gefühl, "das kennst du doch" :grin


    Das war ein Schmöker, den ich mit Spannung und Interesse gelesen habe, ein Lesehighlight vergangener Tage, das ich nie vergessen habe *seufz* ;-) Wäre interessant zu wissen, ob ich es heute noch genauso außergewöhnlich finden würde.

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)