Mrs. Dalloway - Virginia Woolf

  • Kurzbeschreibung von Amazon:
    An einem Junitag des Jahres 1923 bereitet Clarissa Dalloway, eine der glänzendsten Londoner Gastgeberinnen, eine große Abendgesellschaft vor. Während sie alle konventionellen Erwartungen erfüllt, stellen sich bei ihr Erinnerungen und Assoziationen ein, die ihr nach und nach bewußt machen, wie sehr ihre äußere Existenz sich von ihrer inneren unterscheidet.


    Über den Autor von Amazon:
    Virginia Woolf (1882-1941) war, zusammen mit ihrer Schwester Vanessa, Mittelpunkt der "Bloomsbury Group", des Künstler- und Literatenzirkels, der sich um 1905 in London zusammenfand. Ihr erster Roman, Die Fahrt hinaus, erschien 1915. Neben den Romanen umfaßt ihr Gesamtwerk Erzählungen, Tagebücher, Briefe und eine Vielzahl von Essays. Virginia Woolf gilt als die bedeutendste englische Schriftstellerin dieses Jahrhunderts. Die Werke von Virginia Woolf erscheinen seit 1989 im S.Fischer Verlag in neuen Übersetzungen, herausgegeben und annotiert von Klaus Reichert, und in der Umschlaggestaltung von Sarah Schumann


    Virginia Woolf experimentierte mit Sprache, ging neue Wege und setzte damit Grundsteine der modernen Erzählkunst. Leicht ist es dadurch nicht zu lesen, aber es hat mich von der ersten Seite an fasziniert, wie sie ihr expressionistisches Gemälde, aus tausend kleinen Einzelteilen (Beschreibungen, direkte Rede, verschiedene Bewusstseinsebenen, innerer Monolog, erlebte Rede, Beifügungen) zusammensetzt. Der Leser darf sich nicht wundern, wenn in einer sehr schönen Landschaftsbeschreibung über Bäume und Vögel im Hyde Park eine Antilope auftaucht, so ein kleiner verirrter Pinselstrich ist nicht selten.
    Die Atmosphäre ist von Beginn an düster, die Symbole des Todes erscheinen oft, und das Verrinnen der Zeit wird ständig mit Glockenschlägen (Big Ben) gekennzeichnet. Die Menschen im Roman stellen fest, dass sie alt geworden sind und endlich sind.
    Auch wenn ich viel Zeit mit diesem kurzen Roman verbracht habe, weil er alles andere ist, aber eben nicht gut lesbar, habe ich es mit Freude gemacht, denn es ist ein Kunstwerk.

  • das ist eine schöne Rezension, Heidi. :-)


    Ich greif Deinen Gedanken nochmal auf, den ich so treffend finde, und der das Buch ganz wunderbar umschreibt:


    Dieses Buch ist wie ein Gemälde in Schriftform.




    Woolf ist hier einen ganz neuen und mutigen Weg gegangen. Sehr schön fand ich die Passage aus ihrem Tagebuch, die im Nachwort zitiert wird:


    "...ich weiß aber ganz genau, daß ich herausgefunden habe, wie ich es (mit 40) anfangen muß, etwas mit eigener Stimme zu sagen; & das interessiert mich so sehr, daß ich spüre, ich kann ohne Lob weiterschreiben."


    Sie schrieb einen Roman der "Vierdimensionalität". Was irgendwie befremdlich ist, aber auch irgendwie ganz großartig in der Schwierigkeit, diese vielen Dimensionen zu greifen.


    Ich merke, dass ich heute noch keine Bewertung zu dem Buch abgeben kann, ich muss die Eindrücke erstmal sacken lassen und mir mit etwas Abstand nochmal Gedanken darüber machen. Ich fand es alles andere als einfach, teilweise müßig zu lesen...aber dennoch genial.

  • Hallo!


    Als Literatur-Laie und einfach nur jemand, der gerne schöne Bücher liest kann ich nur sagen, dass ich noch nie etwas gelesen habe, das an Vollkommenheit, Durchdachtheit und Ästhetik an dieses Buch heran kommt.


    Ich kann die Bandweite der Themen und Gedanken gar nicht erfassen, die in diesem Buch vermittelt werden. Jeder Satz verbirgt Unmengen an Stoff und Ansätzen zu allen möglichen Themen und mir gefällt die Erklärung von Heidi, in dem ganzen ein "expressionistisches Bild" zu sehen, sehr gut. Ich konnte sehr gut die Kritik an der "oberen" Gesellschaft herauslesen, der Wohlstand, der zu Bequemlichkeit, Oberflächlichkeit und Selbtzufriedenheit führt, wo die Organisation von "Abendgesellschaften" zum Lebensinhalt wird und in Wirklichkeit es kaum in einer Schicht mehr einsame Menschen gibt.


    Demgegenüber Septimus, der seine Kriegserlebnisse nicht verabeiten kann und letztendlich daran zerbricht.


    Dem Buch unterliegt ein ganz seltsamer Pathos und vor allem die ständig wechselnde Perspektive (oft mitten in einem Satz) geben dem Buch etwas ganz Besonderes. Es ist sehr anstrengend zu lesen, man muss sich die Sätze "auf der Zunge zergehen lassen" um ihre ganze Tragweite zu erfassen, aber es lohnt sich allemal!

  • Ich fand das Buch bei der ersten Lektüre stellenweise zäh, allerdings fiel mir der Einstieg leicht, da ich vorher Michael Cunninghams "Die Stunden" gelesen habe, die Buchvorlage zum Film "The hours".
    Viele der Anspielungen in Cunninghams Buch versteht man wirklich erst, wenn man "Mrs Dalloway" gelesen hat.
    Hilfreich fand ich in diesem Zusammenhang auch das Buch "Die Welt von Bloomsbury", um einen ersten Einblick in das Leben und Umfeld von Virginia Woolf zu bekommen.
    Von Virginia Woolf habe ich außerdem "Orlando" gelesen, während "Die Wellen" schon seit einiger Zeit auf meinem SUB rumstaubt...

    Wo kämen wir hin, wenn jeder sagte "Wo kämen wir hin" und niemand ginge, um zu sehen, wo wir hinkämen, wenn wir gingen.
    :fechten

  • Gewöhnungsbedürftig, aber dann durchaus das literarisch wertvolle Werk, als daß es gehandelt wird.
    Am Anfang hatte ich wirklich zu kämpfen, mir fehlte der Durchblick, das Interesse und die Charaktere waren mir zunächst auch unsympathisch.
    Aber irgendwann hat es Klick gemacht, die Worte flossen nur so dahin, immer wieder diese wunderschönen Zeilen von Shakespeare und dann diese Einsicht und Voraussicht.
    Toll, ein unheimliches Talent die Dinge über interessante Umwege genau auf den Punkt zu bringen und große Sachen von Wichtigkeit durch kleine Szenen darzustellen...
    Alle Daumen hoch!

  • Meine Rezension:


    Die Geschichte von Mrs Dalloway spielt an einem einzigen Tag und umfasst doch mehr als ein ganzes Leben. Verloren in Tagträumen und Erinnerungen wird ein Bild der Hauptfigur, ihres Lebens, ihrer Gefühle, Gedanken und Erfahrungen gezeichnet, das im Kontrast steht zu dem einer weiteren Figur, dem im 1. Weltkrieg traumatisierten Soldaten Septimus. Die Gedankensprünge, Szenenwechsel und unterschiedlichen Perspektiven verlangen dem Leser Geduld und den Willen ab, sich auf den teilweise sehr gewöhnungsbedürftigen Stil einzulassen. Szenen, in denen Personen miteinander interagieren, haben mir gut gefallen, mosaikartig entwirft Virginia Woolf hier ein Gesamtbild, zu dem jeder Beteiligte durch seine Gedanken, Empfindungen, Äußerungen oder seine Handlungen etwas beisteuert. Die inneren Monologe der Figuren empfand ich allerdings oftmals als sehr anstrengend, insbesondere wenn sich Endlossätze, gespickt mit Metaphern, aneinanderreihen und sich die Gedanken verlieren. Vermutlich empfiehlt sich ein zweites Lesen, um die gesamte Komplexität der Figuren und die Poesie und Weisheit, und vor allem die gesamte Tragik ihrer Charaktere zu erfassen.


    Für's erste Mal 6 Punkte von mir!

  • Auch wenn es wirklich nicht leicht zu lesen ist, hat mir "Mrs. Dalloway" insgesamt gut gefallen. Vieles an der Art und Weise des Buches hat mich an den "Stream of consciousness" erinnert, da man förmlich hereingesogen wird in die Sätze von Woolf.


    Zitat

    "Ruhe kam über sie, Stille, Zufriedenheit, als ihre Nadel die Seide sanft bis zu dem sachten Ruck straffte, die grünen Falten zusammenzog und sie, sehr vorsichtig, an der Taille befestigte. So ziehen sich an einem Sommertag die Wellen zusammen, kommen aus dem Gleichgewicht und fallen; ziehen sich zusammen und fallen; und die ganze Welt scheint zu sagen, "das ist alles", immer und immer gewichtiger, bis auch das Herz in dem Leib, der in der Sonne am Stran liegt, sagt, das ist alles. 'Fear no more', sagt das Herz."


    Am besten gefallen haben mir die Passagen, in denen Personen miteinander kommuniziert haben. Viele der anderen Passagen habe ich mitunter dann doch als langatmig und monoton empfunden.


    Insgesamt ist aber dennoch ein interessantes Buch und sicherlich nicht das letzte, was ich von Virginia Woolf gelesen habe.

  • "Mrs Dalloway" habe ich als so ziemlich das quälendste Buch in Erinnerung, das ich während meines Studiums lesen musste ...


    Manchmal gibt es solche Bücher, mit denen man einfach nicht klarkommt, bei mir ist "Mrs Dalloway" eines davon.


    Mir liegt dieser Erzählstil überhaupt nicht.

  • Habe "Mrs. Dalloway" im Lauf der Zeit wiederholt gelesen und jedes Mal mit großem Vergnügen. (Nur aus reinem Pflichtbewusstsein sollte man es allerdings nicht zu lesen beginnen, dazu ist es zu strukturiert.) Von den Sachen, die ich von V. Woolf kenne, hat es mich bei weitem am meisten überzeugt. Es scheint mir die dichteste Struktur zu haben, sprachlich und inhaltlich. Von "Die Jahre" war ich danach ein wenig enttäuscht. "Die Jahre" dehnen sich und vermitteln, vielleicht gewollt, einen Eindruck von Monotonie. Dagegen sind in "Mrs. Dalloway" die Schicksale der Protagonisten in 24 Stunden hineingepresst, das ergibt einen Eindruck von Dynamik und gedrängter Lebensfülle.


    Ich muss oft, wenn morgens das Wetter schön ist, an diese Stelle am Anfang denken: " ... was für ein Morgen ... so frisch, wie Kindern auf einem Strand beschert." Da verbindet sich der innere Bewusstseinsstrom mit konkreter äußerer Wahrnehmung. - Arno Abendschön