Klassengesellschaft des Lesevolks

  • Zitat

    Original von Foer
    Aber warum lest ihr keine Klassiker? Kann es sein, dass ihr euch schon automatisch von Klassikern abschrecken lasst?


    Klassiker heißt nicht gleichzeitig schwerer/inellektueller...


    Ich bekomme in diesem Thread immer mehr das Gefühl, dass ihr auch Vorurteile gegenüber "Klassikern" habt. Sehr Schade, denn bei machen verpasst ihr regelrecht was.


    Nicht doch ich lese gerne Klassiker nur halt eher seltener als Thriller und Fantasy. :lache

    :lesend
    Rachel Aaron - The Spirit Rebellion
    Patrick Rothfuss - Der Name des Windes
    Stefan Zweig - Sternstunden der Menschheit

  • @ Foer


    Ich weiß nicht, ob du mich jetzt auch damit meintest (Ich fühle mich immer gleich angesprochen, verzeih mir. Ist so meine Art.).


    Vorurteile hatte ich in Schule gegenüber Klassikern. Unser Deutschunterricht war eh nicht der Spannendste, also bin ich automatisch davon ausgegangen, dass auch die Lektüren Mist sind und so habe ich dann vielleicht den ein oder anderen schönen Klassiker verpasst.


    Aber wenn ich heute in unserer Buchhandlung stehe (die ist nicht allzu groß), dann gehe ich eh alle Regale durch, ziehe die Bücher raus, die mich ansprechen und natürlich sind da auch Klassiker drunter. Und ich muss sagen, nachdem ich "Die Leiden des jungen Werther" gelesen hatte und total begeistert war, gucke ich mich jetzt auch gezielt nach anderen Klassikern um.

  • Ich denke, wenn man als Schüler vorgeschrieben bekommt, das Buch X bis zum Tag Y gelesen zu haben, dann provoziert sowas schon häufig eine Abwehrhaltung.


    Privat habe ich auch schon während meiner Schulzeit einige Klassiker gelesen, z.B. auch "Die Buddenbrocks". Hätte ich dieses Buch lesen müssen, weiß ich nicht, ob ich das so vorbehaltlos getan hätte (mochte unseren Deutschunterricht nämlich nicht).


    Nun lese ich dann und wann Klassiker, die mich interessieren, kenne eine Reihe, die ich nicht gelesen habe, aber zumindest weiß, um was es etwa geht.


    Und ich denke dabei geht es ja auch bei Vorstellungsgesprächen. Ein paar Fragen zur Allgemeinbildung sollten da schon erlaubt sein. Und so, wie man wissen sollte, wie unsere Bundeskanzlerin heißt, sollte man vielleicht auch wissen, wer Thomas Mann war und ihn nicht unbedingt für den Trainer vom FC XY halten. Mehr wird bei so einem Gespräch meiner Erfahrung nach gar nicht erwartet.

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

    alles zurück - Anfang

    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt

  • Ich lese quer durch alle Genres. Mal was anspruchsvolles, mal was total seichtes. Ich lese was mir gefällt. Und wenn irgendjemand Spaß daran hat, mich in irgendeine Schublade zu stecken, dann bitte. Deswegen werde ich mein leseverhalten nicht ändern. Und wieso sollte ich auch irgendwas lesen, nur damit ich intellektuell rüber komme? Ich lese ja aus Spaß und nicht weil ich jemanden beeindrucken möchte!

  • Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, warum die ganze Sache hier an den Klassikern aufgehängt wird.
    Jane Austen liest sich weg wie nix, mit etwas Chuzpe und kulturhistorischer Ignoranz könnte man ihre Romane auf "Aschenbrödel kriegt ihren Prinzen" reduzieren. Die Buddenbrocks: einfach eine Familiengeschichte. Fontane "Unterm Birnbaum": ein langweiliger Krimi. Shakespeares Sommernachtstraum: Fantasy.
    All diese Autoren haben zu ihrer Zeit einfach unterhalten. Das tun die meisten Literaten unsrer Zeit auch. Was dennoch überdauert, wird dereinst Klassiker sein und die kommenden Generationen werden sich Köpfe darüber zerbrechen, warum Gabi Hauptmann, zu ihrer Zeit höchst populär, komplett in Vergessenhait geraten ist :grin

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich mich früher schon ein bisschen dafür geschämt, dass ich eine ganze Zeitlang sehr gerne Nackenbeisser gelesen habe. (Die haben mich sogar nach Schottland gelockt.) In der Öffentlichkeit ging das gar nicht, oder ich hab die Cover versteckt. Das lag vielleicht auch daran, dass die deutschen Nackenbeisser-Cover früher so oberpeinlich waren.


    Zu meiner Vorliebe für Fantasy-Romane (Beispiel: Drachensaga von Anne Mc Caffrey) konnte ich da schon eher stehen, obwohl viele meiner Freunde abgewunken haben, wenn ich ihnen so eines ausleihen wollte, um mit ihnen darüber zu sprechen. Andere Belletristik haben sie schon von mir angegenommen. Aber das war nicht abwertend gemeint, denke ich.


    Gar kein Problem hatte ich schließlich , als ich meine Vorliebe für Werwolf- und Vampirgeschichten entdeckte. Damals musste ich zwangsläufig in Englisch lesen, weil es in Deutsch diese Literatur noch nicht gab. Im Gegensatz zum jetzigen Hype :rolleyes Aber mittlerweile bin ich so selbstbewußt, dass mir die Leute, die diese Geschichten kategorisch ablehnen, nur leid tun. Denen entgeht teilweise echt etwas.


    Natürlich hab ich zwischendurch auch anspruchsvollere Literatur gelesen. Aber mein Herz hängt an Fantasy. Und mittlerweile fühle ich mich auch nicht mehr als Leserin zweitklassiger Literatur, weil ich schon viele wirklich sehr gute Bücher in diesem Genre gelesen habe.

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    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

  • Mit 13 durfte ich in der Öffentlichkeit auch keine Bastai-Gespenster-Krimis lesen - im Bus hatte ich sofort Mitleser und in der Schule gabs selbst in der Pause nen Anpfiff vom Aushilfs-Lehrer :hau

    Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen, und es klingt hohl, ist das allemal im Buch?
    Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799)

  • Zitat

    Original von Foer
    Aber warum lest ihr keine Klassiker? Kann es sein, dass ihr euch schon automatisch von Klassikern abschrecken lasst?


    Klassiker heißt nicht gleichzeitig schwerer/inellektueller...


    Ich bekomme in diesem Thread immer mehr das Gefühl, dass ihr auch Vorurteile gegenüber "Klassikern" habt. Sehr Schade, denn bei machen verpasst ihr regelrecht was.



    Es kommt wohl wirklich auf die Klassiker drauf an. Für mich sind die meisten bekannten wie Shakespeare, Hese, Mann einfach nicht ansprechend. Vielleicht liegt es auch wirklich an der Definition des Klassikers.


    Erich Kästner mochte ich immer gerne.


    Vielleicht liegt es auch daran, das die meisten nicht das Cover haben, was einen anspricht? Oder man schon von vornherein weiß umd was es geht. Siehe Romeo und Julia. Ofter benannt, verfilmt etc.


    Wobei ich auch über einen Roman auf einen Klassiker aufmerksam wurde und ihn mir zulegte. Aufgrund "Ein Mann wie Mr. Darcy" Habe ich mir das Original von Jane Austen zugelegt. Einfach um esgenauer zu wissen und nachzulesen.


    Wir hatten in der Schule das eine oder andere Buch, Gedicht aber keines animierte mich weiteres von diesem Schriftsteller zu lesen.


    Vieles liegt einfach auch am Schreibstil, das ich die Bücher nicht lese. So geht es mir aber mit Zeitgenössischer Literatur genauso.


    Eigentlich ist es interessant mitzuerleben, welche Geschichten eines Tages Klassiker werden. Wird Harry Potter die Zeit überleben, oder in vergessenheit geraten?

  • Zitat

    Original von DraperDoyle
    Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, warum die ganze Sache hier an den Klassikern aufgehängt wird.
    [...] All diese Autoren haben zu ihrer Zeit einfach unterhalten. Das tun die meisten Literaten unsrer Zeit auch. Was dennoch überdauert, wird dereinst Klassiker sein und die kommenden Generationen werden sich Köpfe darüber zerbrechen, warum Gabi Hauptmann, zu ihrer Zeit höchst populär, komplett in Vergessenhait geraten ist. :grin


    Ich glaube doch an einen prinzipiellen Unterschied zwischen Literatur, die nur unterhalten will und Literatur, die sich als Kunstform versteht.
    Autoren, die häufig als Klassiker bezeichnet werden, liefern mir mehr Stoff für Gedanken, Ideen, Emotionen als es Unterhaltungsliteratur tut. (Ich bleibe jetzt bewusst bei den beiden Klassen und vernachlässige Literatur, bei der die Grenzen verschwimmen.)
    Zudem beziehen sich die Autoren der "Klassiker", bzw. der anspruchvollen zeitgenössischen Literatur in einer völlig anderen Form aufeinander.
    Magali hat dazu mal einen sehr aufschlussreichen Beitrag geschrieben, ich hoffe, sie verzeiht mir, dass ich den hier mal verlinke.


    Ich habe kein Problem mit reinen U-Lesern. Aber ich zweifle manchmal daran, wenn der Unterschied zwischen reiner Unterhaltung und Kunst nicht klar ist. Natürlich wollen auch anspruchsvolle Autoren, Schriftsteller, die Klassiker geschrieben haben, nicht langweilen (als Gegensatz zum Unterhalten). Aber in den Werken stecken meiner Erfahrung nach doch wesentlich mehr Ebenen als in reiner U-Literatur - sprachlich, inhaltlich, philosophisch, geschichtlich, emotional.
    Vulkan, der fast ausschließlich U-Filme konsumiert, bei Musik relativ paritätisch ist und den U-Literatur leider, leider sehr häufig langweilt.

  • Was ist



    Kurt Tucholsky - "Schloß Gripsholm"


    Jonathan Safran Foer "Alles ist erleuchtet"


    Martin Walser "Ein springender Brunnen"


    Edgar Hilsenkamp "Der nazi und der Friseur"


    Walter Kempowski "Tadelöser & Wolff"




    Was ist K(lassiker), U(nterhaltungsliteratur) oder S(onstiges)?

  • @Foer...modernere Klassiker, würde ich sagen...verglichen zumindest mit "Krieg und Frieden", "Der Zauberberg", "Faust" etc...


    @Voltaire...dass in Vorstellungs-/Einstellungsgesprächen der Hamburger Behörden jemand gefragt wird, ob er/sie z.B. Thomas Manns "Zauberberg" kennt und was er/sie davon hält, glaub ich einfach nicht.


    Da würde ich eher vermuten, dass gefragt wird, ob darum herum ein Schienenersatzverkehr oder eine Untertunnelung für möglich gehalten wird...und ob der Bund eventuell einen Teil der Kosten tragen würde....;-) :grin


    Ich persönlich halte die Personalchefs der Hamburger Behörden für recht bodenständig und für zu normal, um bei einem Bewerber über die Nachfrage nach den Lesevorlieben Rückschlüsse auf die Allgemeinbildung und den Charakter ziehen zu wollen!


    In diesem Sinne: Tu, was Du willst, die Leute schnacken ja doch ;-)


    :wave
    Ikarus

  • Zitat

    Original von Ikarus
    @Foer...modernere Klassiker, würde ich sagen...verglichen zumindest mit "Krieg und Frieden", "Der Zauberberg", "Faust" etc...


    Klärt mich auf, aber Tucholsky ist doch Zeitgenosse von Th. Mann. "Gripsholm" wurde Anfang der 1930er Jahre veröffentlicht, der "Zauberberg" 1924. :wave
    Edit: Edgar Hilsenrath findet sich leichter als Edgar Hilsenkamp. :grin


    @ Voltaire
    Danke! :wave (Ich hoffe weiter darauf, dass nie jemand auf die absurde Idee kommt, mich bei Bewerbungsgesprächen so etwas zu fragen. Aber ich nehme an, ich bin da eh weniger gefährdet. :grin)

  • was für eine wunderbare Frage, die Babjane hier aufgeworfen hat! :-)


    Vorweg möchte ich sagen, dass ich wie die meisten hier einfach auch nur das lese, was mir eben Spass macht, denn Lesen ist bei mir einfach eine Freizeitbeschäftigung, ein Hobby und deshalb soll es mir eben auch Vergnügen bereiten.


    Ich gehöre aber auch zu denen, die viele unterschiedliche Genres mögen.
    Ich liebe Schiller, aber eben z.B. auch Agatha Christie! Ich habe den Faust oder den Graf von Monte Christo mit Leidenschaft gelesen, aber auch die Bridget Jones-Bücher. Da ich die Oper sehr gerne mag, lese ich auch gerne entsprechende Sachliteratur oder Biographien.


    Wenn Leute gewisse Bücher nur lesen um später sagen zu können, "schaut, ich habe dieses oder jenes Buch gelesen" dann finde ich das eigentlich sehr schade. Aber noch schlimmer finde ich Leute, die sich irgendwelche Zitatensammlungen zulegen und später so tun, als hätten sie die ganze Klassikerreihe gelesen.... :chen

  • Zitat

    Original von Foer
    Aber warum lest ihr keine Klassiker? Kann es sein, dass ihr euch schon automatisch von Klassikern abschrecken lasst?


    Klassiker heißt nicht gleichzeitig schwerer/inellektueller...


    Ich bekomme in diesem Thread immer mehr das Gefühl, dass ihr auch Vorurteile gegenüber "Klassikern" habt. Sehr Schade, denn bei machen verpasst ihr regelrecht was.


    Ich habe keine Voruteile gegen die sogenannten "Klassiker", sondern meine Erfahrungen damit gemacht.


    Sie bedürfen meist mehr Konzentration als vieles, das als U-Literatur gilt. Und diese bringe ich häufig bei meiner über Tag zerstückelten lesezeit nicht auf. Zudem stört mich, dass ein Goethe-, Schiller-, Shaeksepeare-, usw.-Leser in unserer Gesellschaft höher angesehen wird, als ein Lem-, Brunner-, Aldiss-, Simenon-, Chandler-, Donaldson-Leser.
    Und wenn ich dann MRR-Anwort heute in der FAS auf die Frage nach Stanislav Lem lese (sinngemäß): Habe er einmal getroffen, aber nie gelesen, da er mit SF nichts anfangen kann, frage ich mich, wie solche Menschen vorgeben können, was angeblich wichtig die richtige Leseauswahl sein soll.


    Und was nützt die ganze klassische Lesebildung den in den letzten Monaten mistbauenden Vorständen, wenn sie sich verhalten wie in einem drittklassigen U-Roman


    fragt sich DYke


    Nachtrag: Eines der wichtigsten Bücher in meinem Leben war in 80ern


    Svende Merian: Der Tod des Märchenprinzen - ein Frauenroman


    denn er hat mein anerzogenes Verhalten, Mutter/Frau ist für alles zuständig, nachhältig verändert.

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

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  • Zitat

    Original von Vulkan
    Natürlich wollen auch anspruchsvolle Autoren, Schriftsteller, die Klassiker geschrieben haben, nicht langweilen (als Gegensatz zum Unterhalten). Aber in den Werken stecken meiner Erfahrung nach doch wesentlich mehr Ebenen als in reiner U-Literatur - sprachlich, inhaltlich, philosophisch, geschichtlich, emotional.


    Das sehe ich genauso. Und vor diesem Hintergrund ist es für mich oft einfacher, leichter, vielleicht auch "bequemer" Unterhaltungsliteratur zu lesen. Zumindest ist es im Moment so. Wie gesagt, ich möchte nicht, dass es so bleibt, aber ich habe kein Problem damit, dass es jetzt so ist. Punkt.


    Übrigens...nicht falsch verstehen, aber bei uns fahren im Bus solche Gestalten mit, dass man mit einem Klassiker wohl schiefer angeschaut wird als mit nem Nackenbeisser :lache

    With love in your eyes and a flame in your heart you're gonna find yourself some resolution.


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  • Ich finde es gut, wenn in der Schule Klassiker gelesen und besprochen werden. Später machen das freiwillig wahrscheinlich doch wenig Leute. :grin


    Damals in der Schule habe ich gestöhnt, aber jetzt bin ich froh, denn es tauchen immer wieder in Gesprächen, Büchern usw. Vergleiche mit Figuren aus eben diesen Klassikern auf. Da ist es einfach angenehm, zu wissen, wer z.B. dieser
    "Heathcliff" ist, mit dem jemand verglichen wird.
    Oder was z.B. "kafkaesk" bedeutet, usw..


    Ich gestehe, dass ich meine Kinder gezwungen habe, mit mir Literaturverfilmungen im Fernsehen anzuschauen.
    Sie haben Geschmack daran gefunden. :chen


    Und ich gestehe auch, dass ich einen Nackenbeißer schamhaft bedeckt hielt, während ich an der Kasse stand, da der Mann an der Kasse gerade nach "Nathan der Weise" fragte. Ich hatte den Verdacht, dass das ein Deutschlehrer sein müßte. War es auch. Der neue Deutschlehrer meines Sohnes. :chen